Quantenspaziergang in 23 Schritten
Eine Forschergruppe des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnte vor kurzem erfolgreich eine Quantenzufallsbewegung in einem Quantensystem mit bis zu 23 Schritten realisieren. Die Ergebnisse der zum Teil von der EU finanzierten Studie wurden in der Zeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht. Ein "random walk" - eine Zufallsbewegung - ist im Prinzip eine mathematische Beschreibung eines Wegverlaufes, der aus zufällig getroffenen Entscheidungen gebildet wird. In der Mathematik und Physik begegnet man Bewegungen dieser Art ständig. Man erinnere sich zum Beispiel an das Galton-Brett, mit dem an der Schule die Binominalverteilung veranschaulicht wird. Hier werden Kugeln über ein Nagelbrett gerollt, wobei der Zufall entscheidet, ob sie links oder rechts an jedem Nagel vorbeirollen. Und die Brownsche Molekularbewegung etwa bezeichnet die scheinbar zufällige Bewegung von Teilchen in einem flüssigen oder gasförmigen Medium. In dieser neuesten Studie nun betrachten die Forscher einen Wanderer. Ein Wanderer muss sich an jeder Wegkreuzung für einen der Wege entscheiden. Ohne Wanderkarte muss er seine Entscheidung, welchem Weg er folgen will, eher zufällig treffen. Egal, ob er dabei Umwege geht oder auch nicht: am Ende gelangt er an sein Ziel. Zwei gefangene Ionen dienen den Physikern dazu, einen Quantengang auf einer Linie im Phasenraum zu zeigen. In einem Phasenraum, auch Zustandsraum, lassen sich alle möglichen Zustände eines Systems beschreiben. Diese Studie eröffnet der Welt der Physik erstmals mithilfe gefangener Ionen einen Blick in diesen Quantenprozess. Dr. Christian Roos und Dr. Rainer Blatt vom IQOQI haben dieses Prinzip der Zufallsbewegung nun in die Quantenwelt übertragen und ein Atom zum Quantenspaziergang animiert. "Wir fangen ein einzelnes geladenes Atom in einer elektromagnetischen Ionenfalle und kühlen es in seinen Grundzustand", erläutert Dr. Roos. "Dann bringen wir das Teilchen in eine quantenmechanische Überlagerung aus zwei inneren Zuständen und schicken das Atom auf Wanderschaft." Wie die Forscher verdeutlichen, stimmten die beiden inneren Zustände mit der Entscheidung des Wanderers überein, sich links oder rechts zu halten. Anders als der Wanderer müsse sich das Atom aber nicht wirklich für eine Richtung entscheiden. Denn durch die Überlagerung der beiden Zustände lägen beide Möglichkeiten gleichzeitig vor. "Abhängig vom inneren Zustand bewegen wir das Ion dann nach links und rechts", stellt Experimentalphysiker Dr. Roos klar. "Dabei werden die Bewegungszustände des Ions mit seinen inneren Zuständen verschränkt." Das Team veränderte nach jedem Schritt die Überlagerung der inneren Zustände. Diese Veränderung wurde mit einem Radiofrequenz-Laserimpuls bewerkstelligt. So konnte dann das Ion nach links und rechts verschoben werden. Diesen vom Zufall gesteuerten Vorgang konnten die Forscher bis zu 23 Mal wiederholen und so Daten darüber sammeln, wie sich Quantenzufallsprozesse verhalten. Durch die Verwendung eines zweiten Ions haben die Physiker das Experiment noch erweitert: Das wandernde Ion konnte so auch einfach stehen bleiben, anstatt sich zwischen links und rechts entscheiden zu müssen. Die von den Wissenschaftlern vorgenommene statistische Auswertung der 23 Schritte bestätigte faktisch, dass sich Quantenzufallsprozesse anders verhalten als klassische Zufallsbewegungen.
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