Wissenschaftler entwickeln Roboter mit "Chaos-Kontrolle"
In der Einfachheit liegt der Erfolg: Deutsche Wissenschaftler haben einen autonomen Roboter entwickelt, der eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen kann. Der sechsbeinige Roboter imitiert menschliches und tierisches Verhalten und kann nun die gleiche Aufgabe mit weniger Aufwand und mehr Flexibilität ausführen. Die in der Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlichten Ergebnisse der Studie sind Teil des EU-finanzierten PACO-PLUS-Projekts ("Perception, action and cognition through learning of object-action complexes"), das im Rahmen des Themenbereichs "Technologien für die Informationsgesellschaft " des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) fast 7 Mio. EUR erhalten hat. Bei Menschen und auch bei Tieren werden bestimmte Fähigkeiten wie etwa das Laufen und Atmen von kleinen neuronalen Netzen, den sogenannten zentralen Mustererzeugern (central pattern generators, CPG) gesteuert. Wissenschaftler nutzen dieses Prinzip zur Entwicklung von Laufrobotern aus, wobei im Allgemeinen für jede Gangart, d. h. eine spezielle Art des Laufens oder Bewegens, ein CPG erforderlich ist. Ein Roboter erhält Umgebungsinformationen typischerweise über Sensoren. Er wählt dann anhand der Informationen, die zum Beispiel Hindernisse auf dem Weg oder eine bevorstehende Steigung betreffen, den zentralen Mustergenerator aus, der die passende Gangart steuert. Die Teammitglieder verschiedener Forschungseinrichtungen in Göttingen und Hannover, Deutschland, konnten ihren Roboter auf eine besondere Weise realisieren. Er kann mit nur einem einzigen CPG ganz verschiedene Gangarten erzeugen und sogar zwischen diesen hin- und herschalten. So kann der Roboter mithilfe von 18 Sensoren 18 Motoren ansteuern, die 11 grundlegenden Verhaltensmustern (z. B. Orientierung, Rollen und Selbstschutz) sowie deren Kombinationen folgen. Die Wissenschaftler erklären in der Veröffentlichung, dass sich das Steuersignal schnell und reversibel an neue Situationen anpasse und außerdem Speicherplatz für Lernvorgänge und zur Langzeitspeicherung sinnvoller verhaltensbezogener Motorreaktionen vorhanden sei. "Eine derartige neuronale Steuerung bietet einen leistungsfähigen, aber dennoch einfachen Weg der Selbstorganisation eines vielseitigen Verhaltens in autonomen Agenten mit vielen Freiheitsgraden." Das Erfolgsgeheimnis ist der von dem Team entwickelte zentrale Mustererzeuger - ein kleines, aus zwei Schaltelementen gebildetes Netzwerk mit "Chaos-Kontrolle". Ohne Kontrolle produziert der CPG ein chaotisches Aktivitätsmuster. Diese Aktivität kann jedoch über die Sensoreingänge in periodische Muster überführt werden, die dann über den richtigen Gang entscheiden. Verschiedene Muster und somit Gangarten können abhängig vom Sensoreingangssignal erzeugt werden. Der Roboter kann sich auf diese Weise schnell an Veränderungen anpassen - eine Steigung hinauf- und hinablaufen, über raue Oberflächen hinwegkommen und gleichzeitig Hindernissen aus dem Weg gehen. Da neuronale Einheiten chaotisch funktionieren, kann sich der Roboter auch selbst befreien, wenn er beispielsweise in einem Loch eingeklemmt ist. Sollte der Roboter ein zweites Mal vor der gleichen Aufgabe stehen, würde er durch Abrufen der bereits gemachten Erfahrung sofort den geeigneten Gang finden. Zukünftig planen die Wissenschaftler die Ausrüstung des Roboters mit einer Speicherkapazität, die seine Fähigkeit zur Reaktion auf Veränderungen in der bekannten Umwelt verbessern soll. Wenn zum Beispiel das Hindernis aus einer früheren Erfahrung entfernt wird, weiß der Roboter derzeit nicht mehr, welcher Gang zu benutzen ist. Dr. Marc Timme vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen erklärt, dass der Roboter im Endeffekt vorausschauend agieren und seine Bewegungen planen können werde, wenn er mit einem Motorspeicher versehen sei.
Länder
Deutschland