Technologieplattform für nachhaltige Kernenergie präsentiert Forschungsstrategie
Die europäische Forschungsgemeinschaft für Kernspaltung hat ihre Strategische Forschungsagenda (SRA - Strategic Research Agenda) ausgearbeitet und auf der Konferenz FISA 2009 vorgestellt, die vom 22. bis zum 24. Juni in Prag, Tschechische Republik, veranstaltet wurde. Die Agenda stand bereits zur Verfügung, bevor der Beratende Ausschuss Euratom-Fission (CCE-FI) einige Tage später einen unabhängigen Bericht zur europäischen Kompetenz in der Kernspaltungsforschung vorlegte und der Rat der Umweltminister die Richtlinie über die Sicherheit kerntechnischer Anlagen verabschiedete, was die erste für alle EU-Mitgliedstaaten verbindliche EU-Regelung zur nuklearen Sicherheit darstellt. Die Technologieplattform für nachhaltige Kernenergie (SNE-TP) vereint Experten aus europäischen Universitäten, Forschungsinstitutionen, Versorgungsunternehmen, Systemanbietern, Regulierungsbehörden und für die nukleare Sicherheit zuständigen Institutionen. Die 2007 errichtete Plattform stellt eine bedeutende Anstrengung dar, die Ziele der Forschungsinstitutionen und Universitäten mit den praktischen Belangen eines in der Entwicklung befindlichen Industriezweigs in Einklang zu bringen. Die SRA umfasst die Ideen von etwa 160 Mitgliedern der SNE-TP und beleuchtet jeden Forschungsaspekt zur Kernenergie, also die Rohstoffgewinnung, die Herstellung und Verarbeitung des Brennstoffs, die Lagerung der Abfälle sowie deren "Recycling" (die Transmutation), die Reaktortechnologie, fortgeschrittene Brennstoffe und Forschungseinrichtungen, aber auch die Sicherheitsanforderungen für den Betrieb von Reaktoren oder die für vorhandene Reaktoren relevante Alterung. In der SRA wurden die Schwerpunkte abgegrenzt, die die Richtung für die weltweiten Forschungsbemühungen im Hinblick auf die derzeitigen, aber auch auf die nachfolgenden "Generationen" der Kernreaktoren vorgeben. In der Strategie kommt zum Ausdruck, wie wichtig es ist, die ehrgeizigen EU-Ziele zur Senkung der Treibhausgase bis 2020 um 20 % im Vergleich zu 1990 zu erfüllen. Zudem wird darin der Schwerpunkt auf die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Kernenergie gelegt. Gleichzeitig müssen aber auch langfristige Lösungen zur Abfallbehandlung geliefert, Reaktoren mit einem geschlossenen Brennstoffkreislauf entwickelt (bei dem Abfallprodukte verwendet werden) sowie Kompetenzen geschaffen werden, indem die allgemeine und berufliche Bildung gefördert, zugleich aber auch die Verfügbarkeit von Forschungsinfrastrukturen gewährleistet wird. Im Prognosebericht der SNE-TP wurden drei Hauptziele formuliert: Aufrechterhaltung der Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der heutigen Technologien; Entwicklung einer neuen Generation nachhaltiger Reaktortechnologien; Erschließung neuer Anwendungen für die Kernenergie. Zu diesen neuen Anwendungen gehören im Wesentlichen die Herstellung von Wasserstoff (wofür die Kernenergie ganz besonders gut geeignet ist) sowie die Entsalzung, aber auch industrielle "Wärmeanwendungen" wie die Beton- oder Glasherstellung. Die SRA befasst sich insbesondere mit den im SET-Plan (Strategieplan für Energietechnologie) aufgestellten Zielen. Eines davon besagt, dass die Vorbereitungen für die Versuchsphase der Reaktoren der "IV. Generation", die nachhaltiger sein sollen, abgeschlossen werden müssen. Bei diesen Reaktoren wird der Brennstoff viel produktiver eingesetzt, als es bei vorhandenen oder derzeit im Bau befindlichen Reaktoren möglich ist, und der erzeugte Abfall minimiert. In den Reaktoren der IV. Generation werden die giftigsten radioaktiven Elemente "verbraucht", allerdings sind einige dieser Reaktormodelle noch nicht über die Entwurfsphase hinausgekommen. Für die Arbeit an vier Reaktormodellen der IV. Generation wurden in der SRA jeweils Einzelziele formuliert. Ein weiteres Hauptziel der SNE-TP ist die Gewährleistung des sicheren und wirtschaftlichen Betriebs vorhandener und künftiger "Leichtwasserreaktoren". Zu diesem Zweck ist die Forschung zu den Folgen der Alterung - und zwar nicht nur derjenigen an den deutlich sichtbaren Teilen der Anlagen, sondern beispielsweise auch an den der Strahlung ausgesetzten elektronischen Bauteilen oder Drähten - ganz genau dargelegt. Darüber hinaus, so heißt es in der SRA, sei die Art und Weise zu vereinheitlichen, wie neue Anlagen konzipiert und hergestellt werden, damit in ganz Europa die gleichen Anforderungen für die Lizenzvergabe gelten können. Auch Atommüll gehört zu den brennenden Themen, die in der SRA behandelt werden. Es wird hervorgehoben, wie wichtig die Entwicklung fortschrittlicher Brennstoffkreisläufe ist, mit denen die Effizienz des Brennstoffeinsatzes verbessert und das Volumen, das Radioaktivitätsinventar sowie die Lebenszeit des erzeugten Abfalls verringert werden sollen. Die weitere Forschung auf den Gebieten der Trennung und Transmutation (Trennung der verschiedenen im Abfall vorhandenen radioaktiven Elemente voneinander und Umwandlung derselben) ist auch für die Abfallreduzierung und für die Erfüllung nachhaltiger Ziele von Bedeutung. Im Hinblick auf die Erhaltung und den Ausbau von Kompetenzen innerhalb Europas, was für weitere erfolgreiche Bemühungen in der Kernspaltungsforschung und -technik auch nach dem Ausscheiden erfahrener Forscher und Ingenieure erforderlich ist, wird in der SRA der SNE-TP deutlich, wie wichtig es ist, erstens Nachwuchswissenschaftler für dieses Fachgebiet zu gewinnen, zweitens das vorhandene Wissen zu verwalten und drittens ein Netzwerk von Forschungsinfrastrukturen zu betreiben. Diese Infrastrukturen sind für die praktische Ausbildung, aber auch für die Materialforschung unerlässlich, was wiederum für die Entwicklung neuer Reaktorkonzepte ganz entscheidend ist. Zeitgleich verabschiedete der Rat der Umweltminister der Europäischen Union auf seinem Treffen am 25. Juni eine Vorschrift zur Durchsetzung der von der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) aufgestellten Sicherheitsgrundsätze. Zudem erließ der Rat Entscheidungen, laut denen die Europäische Kommission ermächtigt ist, Verhandlungen mit dem Ziel von Vereinbarungen zur wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) und Kroatien, Serbien und der Türkei aufzunehmen, wodurch diese Länder am Rahmenprogramm der Euratom für Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen (2007-2011) beteiligt werden. Die SRA und der Bericht des CCE-Fission, der in der Woche vom 29. Juni zur Verfügung gestellt wird, wurden auf der von der Generaldirektion Forschung der Europäischen Kommission veranstalteten Konferenz FISA 2009 vorgestellt.