EU-finanzierte Studie wirft neues Licht auf die "Schock- und Abtötungsstrategie" gegen HIV-1
Forscher in Italien haben neue Erkenntnisse hinsichtlich der sogenannten "Schock- und Abtötungsstrategie" (shock-and-kill') gewonnen, mit der latente HIV-Gene in menschlichen Zellen "ausgeräuchert" werden. Die Ergebnisse sind ein wichtiger Fortschritt für die Forschung, die sich mit der Auslöschung des HIV-1-Virus beschäftigt. Die in der Zeitschrift Retrovirology veröffentlichten Ergebnisse der vorklinischen Studie sind Bestandteil des EPITRON-Projekts ("Epigenetic treatment of neoplastic disease"), das von der EU mit 1,1 Millionen EUR über das Sechste Rahmenprogramm (RP6) im Themenbereich Medizin, Genetik und Biotechnologie für Gesundheit finanziert wird. Die Studie wurde in Teilen auch im Rahmen des Projekts Apo-Sys finanziert ("Apoptosis systems biology applied to cancer and AIDS: an integrated approach of experimental biology, data mining, mathematical modelling, biostatistics, systems engineering and molecular medicine�), die von der EU mit 11 Millionen EUR über das Siebte Rahmenprogramm (RP7), Themenbereich Gesundheit, finanziert wird. Eines der größten Hindernisse bei der Bekämpfung des HIV-1-Virus bei Patienten ist die von den Forschern so genannte "Latenzbarriere", die sich auf latent infizierte, vorprogrammierte weiße Blutzellen wie Makrophage und T-Zellen (die andere Immunzellen steuern) bezieht und die das Protein CD4 aufweisen. Eine Zelle kann beispielsweise ein schlafendes HIV-Gen in sich tragen, dass dann Teil des Organismus wird; d. h. die Infektion tritt weiterhin auf, vor allem während antiretroviraler Therapien. Zur Überwindung dieser Latenzbarriere haben Wissenschaftler Möglichkeiten untersucht, wie das HIV-1 aktiviert werden kann, um dadurch eine Selbstabtötung zu bewirken. Dieser Prozess wird mit "Schock und Abtötung" bezeichnet. Das italienische Forscherteam setzte Zelllinienmodelle ein, um so verschiedene Komponententypen zu testen, in denen Histon-Deacetylasen vorkommen (HDACs). HDACs sind Enzyme, die die HIV-Latenz erhalten. Zu den HDAC-Inhibitoren zählt zum Beispiel Valproinsäure, die auch aufgrund ihrer Wirkung bei neurodegenerativen Krankheiten untersucht wird. Ein für das Team auftretendes Problem war, dass HDAC-Inhibitoren scheinbar nur dann einen Effekt auf das HIV-Virus haben, wenn sie in toxischen Dosen eingesetzt werden. Die Forscher untersuchten 32 Arten von HDAC-Inhibitoren; alle zu einer Klasse gehörend, die auf eine kleine Gruppe von Enzymen wirkt (HDACs der Klasse 1). Sie stellten fest, dass HDAC-Inhibitoren der Klasse 1 bei nicht-toxischer Dosierung dafür sorgen können, dass einige der latent infizierten Zellen aufwachen. Sie wiederholten das Experiment und gaben einen Wirkstoff mit der Bezeichnung Buthionin Sulfoximin (BSO) hinzu, der oxydativen Stress verursacht. Dieser Wirkstoff brachte die HDAC-Inhibitoren der Klasse 1 dazu, auf mehr (allerdings nicht auf alle) latent infizierte Zellen zu wirken. Die 'erwachten' infizierten Zellen wurden so ausgelöscht, während die nicht infizierten Zellen unversehrt blieben, obwohl sie der Kombination aus BSO und HDAC-Inhibitor ausgesetzt waren. "Die Kombination der Effekte von Klasse 1-selektiven HDAC [Inhibitoren] und [...] BSO lassen auf die Existenz eines Schwachpunkts schließen, der so manipuliert werden kann, dass die 'Abtötungsphase' experimenteller HIV-1-Ausrottungsstrategien erleichtert werden kann", erläutert die Studie. "Ich hoffe wirklich, dass diese Studie der Entwicklung von Waffen, die im Kampf gegen HIV-infizierte Zellen des Körpers eingesetzt werden können, neue Türen öffnet", so Dr. Andrea Savarino, Retrovirologe am Italienischen Nationalen Gesundheitsinstitut. "Solche Waffen, in Kombination mit antiretroviralen Therapien, können Menschen, die mit dem HIV-Virus/AIDS leben müssen, hoffentlich dabei helfen, sich vom Virus zu befreien und zu einem normalen Leben zurückzukehren." Die Ergebnisse sind vielversprechend, doch die Forscher weisen darauf hin, dass die tatsächliche Wirksamkeit des Schock- und Abtötungsansatzes noch stets heftig diskutiert wird. Zum Beispiel weisen sie auf kürzlich errungene Erkenntnisse hin, die besagen, dass "unterschiedliche Zellreservoirs für HIV-1-Latenz existieren und dass jedes dieser Reservoirs einer spezifischen Aktivierungsstrategie bedarf", sowie auf die Tatsache, dass "virale Faktoren zusammen mit Zellfaktoren zu einer HIV-1-Stillegung beitragen können und dass diese Faktoren möglicherweise nicht durch Strategien kontrolliert werden können, die HDAC [Inhibitoren] einsetzen". Dr. Savarino merkt an, dass prüfbare Wirkstoffkombinationen aus Molekülen entwickelt wurden, die die Phase I der klinischen Tests für den Einsatz beim Menschen bereits durchlaufen haben. "Obwohl diese Art von Herangehensweise in der wissenschaftlichen Gemeinschaft weitestgehend Akzeptanz findet, müssen wir, um ehrlich zu sein, in Betracht ziehen, dass einige Wissenschaftler darauf skeptisch reagieren und andere glauben sogar, dass eine Heilung bei HIV/AIDS nie möglich sein wird. Experimente mit Tierversuchen werden ein neues Licht auf dieses schwierige Problem werfen", fügt er hinzu.
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