Marine Kleinstlebewesen beeinflussen Erwärmung der Ozeane
Das Klimasystem unserer Erde wird stark von den weltumspannenden Meeren beeinflusst, die durch die Aufnahme von bis zu 33 Prozent der von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen das Voranschreiten des Klimawandels deutlich abgebremst haben. Ein Team deutscher Meeresforscher hat nun nachgewiesen, wie auch biologische Faktoren ihren Anteil an diesem Prozess haben könnten. Die Forschungsergebnisse erschienen kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift PNAS. Die Forscher des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und des Instituts für Ostseeforschung in Warnemünde, alle Deutschland, zeigten in einem Experiment mit natürlichen Planktongemeinschaften, dass die Biologie durchaus eine Hauptrolle spielt. Die Ozeane nehmen in ihren obersten Wasserschichten atmosphärisches Kohlendioxid (CO2) auf. Den Forschern zufolge ist die fortgesetzte Aufnahme des CO2 nur dann möglich, wenn es in tiefere Schichten transportiert wird. "Einer der Mechanismen, die für diesen Transport in tiefere Wasserschichten sorgen, ist die sogenannte biologische Kohlenstoffpumpe", erklärt Erstautorin Julia Wohlers, Doktorandin der Biologischen Ozeanografie am IFM-GEOMAR. Diese Kohlenstoffpumpe "transportiert den oberflächengebundenen organischen Kohlenstoff in die Tiefen des Ozeans und trägt daher zur Aufnahmefähigkeit des Ozeans für atmosphärisches CO2 bei", fügt sie hinzu. Im Frühjahr, wenn mehr Tageslicht zur Verfügung steht und die Temperaturen langsam steigen, vermehrt sich das pflanzliche Plankton, die Algen, nahe der Wasseroberfläche und baut dabei aus CO2 und Nährstoffen eigene Biomasse auf. Nach dem Absterben der Algen sinkt ein Teil der gebildeten Biomasse in die Meerestiefen ab - inklusive des in ihm gebundenen Kohlenstoffs. Das Forscherteam baute acht "Ökosysteme im Kleinformat" in Kunststoffbecken mit je 1.400 Litern Fassungsvermögen auf, um die Auswirkungen der steigenden Meeresoberflächentemperaturen auf den Kreislauf und den Verbleib des organischen Kohlenstoffs während der sogenannten Frühjahrsblüte des Planktons zu bewerten. Sie setzten vier temperaturgesteuerte Klimakammern ein und die Tanks wurden mit ungefiltertem Meerwasser aus der Kieler Förde gefüllt, das eine natürliche Winter-/Frühlings-Planktongemeinschaft beinhaltete. Jedes Mini-Ökosystem und insbesondere die Entwicklung der Planktonblüte wurden über einen Monat hinweg überwacht. Nach den Angaben der Forscher entsprachen die unterschiedlichen Temperaturen den Szenarien der Erwärmung, die vom Weltklimarat IPCC bis zum Ende des 21sten Jahrhunderts vorhergesagt wurden. Die Temperaturen könnten gemäß den IPCC-Progosen bis 2100 um bis zu 6 Grad Celsius steigen. "Wie erwartet beschleunigten sich die biologischen Stoffwechselraten auf allen Ebenen der Planktongemeinschaft mit steigender Temperatur", erklärt der Leiter der Studie Prof. Dr. Ulf Riebesell vom IFM-GEOMAR. "Worauf wir nicht vorbereitet waren: Bei höheren Temperaturen wurde bis zu einem Drittel weniger CO2 vom Plankton aufgenommen. Dies könnte in der Tat zu einer Schwächung der biologischen Kohlenstoffpumpe führen." Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der Grund für die Schwächung der Kohlenstoff-Pumpe folgender ist: Während der Aufbau der Biomasse durch Photosynthese des pflanzlichen Planktons nur in geringem Maße durch die Erwärmung beeinflusst wird, nimmt dessen Abbau durch Bakterien bei steigenden Temperaturen weitaus stärker zu. Somit verbleibt insgesamt mehr CO2 in den oberflächennahen Wasserschichten, die infolgedessen weniger CO2 aus der Luft aufnehmen können. "Die Studie zeigt deutlich, dass man den biologischen Faktor in Klimamodellen der Erde in Zukunft stärker berücksichtigen sollte", betont Julia Wohlers. Um eine genaue Abschätzung der Größenordnungen der beobachteten Auswirkungen in einem globalen Maßstab vorzunehmen, sei allerdings weitaus mehr Forschungsarbeit erforderlich. "Es gibt in diesem Forschungsbereich einfach zu wenige Daten. Hier besteht dringend weiterer Forschungsbedarf, um fundiertes Wissen zu erarbeiten."
Länder
Deutschland