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Inhalt archiviert am 2023-03-06

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Experten warnen eindringlich: Auswirkungen der Tiefseefischerei weitaus verheerender als bisher angenommen

Die Auswirkungen des kommerziellen Fischfangs erstrecken sich offenbar sehr viel weiter in die Tiefen der Meere als erwartet. Innerhalb eines neuen EU-finanzierten Forschungsvorhabens ergab eine Untersuchung der Fischbestände vor der Westküste Irlands, dass sogar in 2.500 Mete...

Die Auswirkungen des kommerziellen Fischfangs erstrecken sich offenbar sehr viel weiter in die Tiefen der Meere als erwartet. Innerhalb eines neuen EU-finanzierten Forschungsvorhabens ergab eine Untersuchung der Fischbestände vor der Westküste Irlands, dass sogar in 2.500 Metern Tiefe lebende Fischpopulationen, d.h. weit außerhalb der Reichweite der Schleppnetze und Stahlseile der Trawler vorkommende Arten, abgenommen haben, seitdem die Tiefseefischerei in den späten 1980ern das Gebiet erschlossen hat. "Die kommerzielle Fischerei hat wohl sehr viel weiter reichende Auswirkungen, als sich das bisher jemand vorstellen konnte; sie beeinflusst Fischbestände, bei denen wir davon ausgingen, dass sie sich sicher außerhalb der Reichweite der Fischerboote befinden", kommentiert Dr. David Bailey von der Universität Glasgow im Vereinigten Königreich. "Wir waren von diesem Ergebnis äußerst überrascht und gehen davon aus, dass es ganz erhebliche Auswirkungen darauf haben wird, wie wir in Zukunft mit den Ozeanen umgehen können." Die in den Proceedings of the Royal Society B erschienene Forschungsarbeit erhielt EU-Mittel innerhalb des HERMES-Projekts ("Hotspot ecosystem research on the margins of European seas"), das im Themenbereich "Nachhaltige Entwicklung, globale Veränderungen und Ökosysteme" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) finanziert wird. Zusätzliche EU-Mittel für die Forschung kam aus dem LOTUS-Projekt ("Long time-series undersea surveillance"), einer unter dem RP6 finanzierten Marie-Curie-Initiative, und in Form eines Stipendiums innerhalb der Haushaltslinie MAST II ("Marine science and technology") des Vierten Rahmenprogramms (RP4). Kommerzielle Fanggeräte erreichen in der Regel Tiefen von etwa 1.600 Metern. Wissenschaftler wissen schon lange, dass Tiefseefische, die eher länger leben und später geschlechtsreif werden als die meisten anderen befischten Arten, ganz besonders stark durch Überfischung gefährdet sind. Bislang wurde jedoch angenommen, dass Fischbestände, die außerhalb der Reichweite der Schleppnetzfischer leben, verschont blieben. Im Rahmen dieser neuesten Studie werteten die Forscher Fischbestandsdaten aus, die über ein Vierteljahrhundert hinweg erfasst wurden. Der Ort der Studie im Nordost-Atlantik vor der Westküste Irlands wurde erstmals von 1977 bis 1989 im Rahmen einer Recherche untersucht, bei der es um die dort lebenden Arten und deren Biologie ging. Dasselbe Gebiet wurde von 1997 bis 2002 unter Einsatz der gleichen Schiffe und Untersuchungsmethoden erneut kartiert, um sicherzustellen, dass die gesammelten Daten auch wirklich genau mit den zuvor gewonnenen Daten verglichen werden konnten. Inzwischen begann in den späten 80ern die kommerzielle Tiefseefischerei in diesem Gebiet, wobei die Zielarten hauptsächlich Grenadierfisch, Schwarzer Degenfisch, Granatbarsch und einige in der Tiefsee beheimatete Haiarten waren. Die Wissenschaftler verglichen in dieser jüngsten Studie die Daten aus den zwei Zeiträumen, um die Auswirkungen der dort neu eingesetzten Schleppnetzfischerei auf lokale Fischpopulationen zu ermitteln. Zu ihrer großen Überraschung mussten sie feststellen, dass die Anzahl von Tiefseefischen in allen Tiefen bis hinunter in 2.500 Meter Tiefe (d.h. einen Kilometer unterhalb der Reichweite der Fischer) im zweiten Zeitraum deutlich geringer als im ersten war. Arten, deren Lebensraum zumindest teilweise in der von den Trawlern erreichten Tiefe liegt, waren am stärksten betroffen. Die Studie ergab außerdem, dass sowohl die befischten Zielarten als auch der Beifang stark von den Aktivitäten der Schleppnetzfischer beeinflusst wurden. "Die Tiefseefischerei zielt auf relativ wenige Arten ab und unerwünschte Arten werden verworfen. Das kann dann rund 50% des Fangs ausmachen und aufgrund der extremen Druck- und Temperaturveränderungen auf dem Weg an die Oberfläche überlebt das keiner der Fische", stellt Professor Monty Priede von der Universität Aberdeen im Vereinigten Königreich klar. "Das erklärt durchaus, warum die Studie eine Abnahme in der Häufigkeit der Zielarten und auch der Arten, die nicht befischt werden sollen, aufgezeigt hat." Dies wirft allerdings die Frage auf, warum die Auswirkungen der Fischerei derart vernichtend sind. Eine mögliche Erklärung liegt im Lebenszyklus der Fische begründet: Viele Arten leben in der Jugend näher an der Oberfläche (und somit innerhalb der Reichweite der Trawler) und wandern später im geschlechtsreifen Alter in größere Meerestiefen ab. Hinzu kommt, dass sich viele andere Arten als Teil ihrer normalen Aktivitäten in flacheren Gewässern aufhalten können, was sie dann, wenn auch nur zeitweise, in den Zugriffsbereich der Fischnetze und Schleppleinen bringt. Es sind Pläne im Gange, im Nordost-Atlantik Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas, MPA) zu schaffen. Die Forscher sind jedoch eher skeptisch, ob den Tiefseefischen auf diese Weise tatsächlich der Schutz verschafft werden kann, den sie dringend brauchen. "Die Meeresschutzgebiete müssten sehr viel größer als die vorhandenen Korallenschutzgebiete sein", fordert Professor Priede. "Sie sind für mobile Fischarten nicht sehr wirkungsvoll, es sei denn, die Fischereiaktivitäten werden reduziert. Dr. John Gordon von der Scottish Association for Marine Science, einer der Autoren der Studie, kommt ohnehin zu dem Schluss: "Der allgemeine Konsens ist, dass die Tiefseefischerei nicht mehr länger tragbar ist und daher zum größten Teil, wenn nicht am besten sogar ganz und gar, eingestellt werden sollte."

Länder

Vereinigtes Königreich

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