Meeresspiegel könnten schneller steigen als vorhergesagt
Der künftige Anstieg der Meeresspiegel könnte doppelt so hoch sein wie die letzten Schätzungen des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC). Dies geht aus einer neuen Studie hervor, die ein Team internationaler Wissenschaftler mit EU-Mitteln durchgeführt haben. In einem in der Fachzeitschrift "Nature Geoscience" veröffentlichten Artikel enthüllen die Wissenschaftler aus dem Vereinigten Königreich, Deutschland und den USA, dass die Meeresspiegel in der Vergangenheit alle hundert Jahre um 1,6 Meter gestiegen sind. Die EU-Gelder für das Projekt stammten von dem Projekt STOPFEN ("Sea level, temperature and ocean circulation, past and future. A European network"), das unter dem Themenbereich "Ausbau des Potenzials an Humanressourcen und Verbesserung der sozioökonomischen Wissensgrundlage" des Fünften Rahmenprogramms (RP5) gefördert wurde. Es wird viel über das Ausmaß des künftigen Anstiegs der Meeresspiegel diskutiert, wobei viele Wissenschaftler behaupten, dass die Prognosen des IPCC zu niedrig seien. Derzeit prognostiziert der IPCC, dass die Meeresspiegel bis Ende dieses Jahrhunderts um 18 bis 59 Zentimeter steigen werden. Der IPCC weist jedoch selbst darauf hin, dass die oberen Werte nicht als Obergrenzen für den Anstieg des Meeresspiegels betrachtet werden sollten, da die verwendeten Modelle weder Unsicherheiten in den Klima-Kohlenstoffkreislauf-Rückkopplungen noch die Auswirkungen von Veränderungen des Eisschollentriebs berücksichtigen. "Die IPCC-Schätzungen betreffen hauptsächlich die Wärmeausdehnung und das Schmelzen des Oberflächeneises, während sie die Auswirkungen dynamischer Eisschichtprozesse nicht quantifizieren", so Professor Eelco Rohling von der Universität Southampton. "Bisher gibt es keine Daten, die die vollständige Höhe des Meeresspiegelanstiegs in der Vergangenheit über dem derzeitigen Stand begrenzen." Um künftige Veränderungen des Meeresspiegels näher zu beleuchten, gingen Professor Rohling und seine Kollegen in ein Zeitalter zurück, das als Marines Isotopenstadium 5e bekannt ist und zwischen 124 000 und 119 000 Jahren zurückliegt. Zu dieser Zeit war das Klima auf der Erde zwei Grad Celsius wärmer als heute und das Abschmelzen der Eisschichten Grönlands und der Antarktis sorgte für sechs Meter höhere Meeresspiegel als heute. Die Forscher verwendeten eine neue Methode für die Rekonstruktion des Meeresspiegels, um das Ausmaß des Meeresspiegelanstiegs während dieses Zeitraums zu untersuchen. "Zu dieser Zeit war es in Grönland drei bis fünf Grad Celsius wärmer als heute, ähnlich der Erwärmung, die für die kommenden 50 bis 100 Jahre erwartet wird", erklärte Professor Rohling. "Unsere Analyse deutet darauf hin, dass das mit dem Verlust an Eismasse in Grönland und in der Antarktis einhergehende Ausmaß des Meeresspiegelanstiegs tatsächlich sehr hoch war. Das durchschnittliche Ausmaß des Anstiegs um 1,6 Meter pro Jahrhundert, auf das wir kommen, ist etwa doppelt so hoch wie die maximalen Schätzungen im Vierten Bewertungsbericht des IPCC und bietet somit die erste potenzielle Einschränkung der dynamischen Eisschichtkomponente, die nicht in den Planwerten des IPCC vorkam."