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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Verborgen in Steuerbescheiden und Müllbergen: Die Geschichte der europäischen Fischerei

Wissenschaftler der Initiative "History of Marine Animal Populations" haben verstaubte Akten gewälzt und prähistorische Müllkippen durchwühlt, um so die Geschichte der Fischbestände der nordeuropäischen Gewässer nachverfolgen zu können. Die Forscher, deren Arbeit in den inte...

Wissenschaftler der Initiative "History of Marine Animal Populations" haben verstaubte Akten gewälzt und prähistorische Müllkippen durchwühlt, um so die Geschichte der Fischbestände der nordeuropäischen Gewässer nachverfolgen zu können. Die Forscher, deren Arbeit in den internationalen "Census of Marine Life" einfließt, haben ihre Ergebnisse jetzt in 14 Artikeln in einer Sonderausgabe der Fachzeitschrift Fisheries Research veröffentlicht. Ein Großteil der Forschung wurde von der EU finanziert. In der Einleitung zu den Artikeln erklären Henn Ojaveer von der Universität Tartu, Estland, und Brian MacKenzie von der dänischen Technischen Universität, warum diese Arbeiten so wichtig sind. "Die Ergebnisse dieser und ähnlicher Untersuchungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Formulierung neuer Grundlagen für die Bewirtschaftung mariner Ökosysteme, einschließlich Erhaltungsstrategien für übernutzte lebende Ressourcen", so die Wissenschaftler. In einer Untersuchung analysierten Forscher mehr als 100 000 Fischgräten und -knochen, die in dänischen Siedlungen aus der Steinzeit gefunden wurden. In dieser Zeit - 7000 bis 3900 vor Christus - waren die Gewässer um Dänemark wärmer und salziger als heute. Die Fischüberreste belegen, dass in den Gewässers damals sogenannten Warmwasserarten lebten, wie Sardelle und Streifenbrasse. Heute findet man diese Fisch viel weiter südlich, zum Beispiel im Mittelmeer. Im Laufe der letzten 10 bis 15 Jahre wurde im Zuge der steigenden Temperaturen jedoch eine Rückkehr dieser Arten nach Dänemark beobachtet. Angesichts der höheren Temperaturen während der Steinzeit waren die Forscher doch sehr überrascht, dass sie viele Kabeljaugräten fanden. Untersuchungen zufolge ist der Rückgang der Kabeljaubestände in den vergangenen Jahren zum Teil auf die steigenden Wassertemperaturen zurückzuführen, die das Überleben der jungen Kabeljaue in der Nordsee gefährden. Die Forscher nehmen nun an, dass sich der Kabeljau der Steinzeit an die höheren Wassertemperaturen anpassen konnte, da er unter geringerem Befischungsdruck stand. "Diese Ergebnisse zeigen, dass sich die Fischfauna vor der dänischen Küste aufgrund des Klimawandels dramatisch verändern wird", schlussfolgern die Wissenschaftler. "Befischbare Kabeljaubestände können potenziell jedoch in den dänischen Gewässern, einschließlich der Nordsee, erhalten werden, aber die Gefahr, die der Klimawandel darstellt, und das Risiko des Bestandskollapses werden die aktuelle Mortalität durch Befischung noch steigern." Gleichzeitig durchforsteten lettische und estnische Forscher Steuerakten aus der lettischen Hauptstadt Riga. Ende des 17. Jahrhunderts hatte die kälteste Periode der Kleinen Eiszeit Europa fest im Griff. Damals war Riga die größte Stadt der östlichen Ostsee und für die Fischer der Hauptumschlagsplatz ihrer Fischfänge. Aller Fischer, die Fische nach Riga brachten, unterlagen eine besonderen Besteuerung, die vom Schatzamt Riga verwaltet wurde. Aus diesen Akten konnten die Forscher entnehmen, welche Arten während dieser Kälteperiode im Golf von Riga vorhanden waren. Den Steuerakten zufolge bestanden die Fänge zumeist aus Hering, Flunder und Aalmutter - alles Arten, die erwiesenermaßen Kälte gut tolerieren. Arten, die wärmere Gewässer bevorzugen und die heute relativ weit verbreitet sind, wie Barsch, machten weniger als 1 Prozent des Fangs aus. Die Heringfischerei schien besonders sensibel auf Klimaveränderungen zu reagieren, denn die Fänge nahmen zwischen 1685 und 1696, als die Winter besonders hart waren, ab. Die Veränderungen in der Flunder- und Aalmutterfischerei sind dagegen auf sozioökonomische Faktoren zurückzuführen. Die EU-Mittel für diese Arbeit wurden unter dem Sechsten Rahmenprogramm (RP6) zur Verfügung gestellt. Die beiden Exzellenznetze MarBEF (Marine biodiversity and ecosystem functioning) and EUR-OCEANS (Ocean Ecosystems Analysis) werden unter dem vorrangigen Themenbereich "Nachhaltige Entwicklung, globale Veränderungen und Ökosysteme" gefördert. Das Projekt INCOFISH (Integrating multiple demands on coastal zones with emphasis on aquatic ecosystems and fisheries) erhält Mittel aus dem Bereich "Internationale Zusammenarbeit".

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