Computermodellierung ermöglicht Einblicke in die Zellmembranfusion
Forscher aus Frankreich, dem Vereinigten Königreich und Österreich haben ein Modell des SNARE-Proteinkomplexes geschaffen, das bei der Fusion zweier Membranen als Katalysator fungiert. Dazu bedienten sie sich der Rechenleistung der verteilten europäischen Infrastruktur für Supercomputing DEISA (Distributed European Infrastructure for Supercomputing Applications). Sie hoffen, neue Wege für die pharmazeutische Entwicklung zu öffnen. "Grundlagenforschung ist entscheidend, da es zahlreiche Aspekte im Zusammenhang mit der Funktion von Proteinen und Zellmembranen gibt, die bisher nicht vollständig verstanden wurden. Eine bessere Kenntnis dieser Mechanismen wird beispielsweise die Entwicklung neuer pharmazeutischer Agenten unterstützen", erklärt Dr. Marc Baaden, Forscher am Labor für theoretische Biochemie in Paris. "Durch die Untersuchung eines Phänomens auf atomarer Ebene kann man Einsichten in das Verhalten von Zellmembranen und Proteinen im Allgemeinen und in größerem Maßstab erhalten." Viele Krankheiten stehen in Zusammenhang mit Funktionsdefekten von Zellmembranen. In dem von Dr. Baaden und seinen Kollegen untersuchten Fall fusionieren die Membrane entweder gar nicht oder zu stark. Verantwortlich für diese Fusion ist der SNARE-Proteinkomplex. Eine gestörte Funktion des SNARE-Proteins könnte zum Beispiel zu Altersdiabetes führen. Insofern könnte die Entwicklung von neuen therapeutischen Behandlungen erleichtert werden, wenn man die SNARE-Funktion versteht. Außer der medizinischen Wissenschaft werden die Kosmetikindustrie und die Nanotechnologie von einem besseren Verständnis der Funktionsweise von Proteinen profitieren. "Kenntnisse über die Funktionsweise von Zellmembranen werden Möglichkeiten auch im Bereich der Nanotechnologie öffnen. Aus technischer Sicht sind die von uns untersuchten Proteine intelligente Maschinen, die ihre vorgesehenen Aufgaben bestens erledigen, nämlich, zwei Lipidmembranen fest miteinander zu verschmelzen", merkt Dr. Baaden an. Während Forscher in der Regel von Stift und Papier Gebrauch machen müssen, wenn sie molekulare Vorgänge beschreiben - eine Technik, die Dr. Baaden als "Cartoon-Biologie" bezeichnet und als leicht irreführend kritisiert - wurde den an dieser Studie beteiligten Wissenschaftlern der Zugang zum DEISA-Netzwerk im Rahmen der DEISA-Initiative für Hochleistungsrechnen DECI (DEISA Extreme Computing Initiative) gewährt. Dadurch waren sie in der Lage, ein außergewöhnlich komplexes Modell zu entwickeln. "Die computergestützte Modellbildung oder Simulation von Molekülen berücksichtigt die physikalischen Eigenschaften auf eine realistische Art und Weise", stellt Dr. Baaden fest. "Ein gutes molekulares Modell ermöglicht es uns, die kleinsten Details des Systems kontrolliert und unter den erwünschten Bedingungen zu untersuchen. Wir können außerdem jede der Eigenschaften des Modells einfach ändern, um verschiedenen Hypothesen zu überprüfen." Die Untersuchung dynamischer Vorgänge wird daher mithilfe von Simulation erleichtert. "Ursprünglich wurde Computermodellierung eingesetzt, um eine einzelne Membran zu simulieren - das ist bereits eine anspruchsvolle Aufgabe. Wir haben allerdings zwei Lipidmembranen simuliert, die durch einen Proteinkomplex zusammengehalten werden. Unsere Herausforderungen war also noch größer", sagt Dr. Baaden. Seiner Meinung nach müssen Computermodellierungsmethoden in Zukunft extrem genaue Modellbildung auf Atomebene mit grobkörnigen Modellen kombinieren, um einen umfangreicheren Vorgang zu simulieren. Darüber hinaus "ist die Kommunikation zwischen Simulationen auf verschiedenen Ebenen wichtig. Dies wird uns in die Lage versetzen, ein Detail von besonderer Bedeutung genauer zu simulieren, ebenso wie größere Einheiten mithilfe eines grobkörnigen Modells", schließt Dr. Baaden.