Auftrieb für die sozialen, kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zwischen EU und lateinamerikanischen und karibischen Staaten
In den 1990er Jahren war in einem Großteil der Region Lateinamerika/Karibik (LAK) nicht nur eine Rückkehr zur Demokratie festzustellen: die Zeit war auch von Versuchen geprägt, stärkere Beziehungen zwischen der EU und den lateinamerikanischen und karibischen Staaten zu schmieden. Jahrzehnte später haben sich biregionale Beziehungen nur in Bereichen entwickelt, die ursprünglich für nicht entscheidend erachtet wurden. Das Projekt EULAC Focus teilt die Überzeugung, dass es an der Zeit sei, diese Beziehungen auf den Prüfstand zu stellen. EULAC Focus setzte bei einer gründlichen Analyse der institutionellen Einrichtung dieser Beziehungen an, um das bestehende Wissen über Konzepte und Visionen, welche die Grundlage für die Partnerschaft bilden, zu vertiefen. Hierzu verfolgte das Team die Geschichte der Beziehungen zwischen der EU und den lateinamerikanischen und karibischen Staaten seit deren offiziellem Inkrafttreten im Jahr 1994 zurück. „Tiefe“ mit „Breite“ wettmachen „Dies hätte zu einem ambitionierten Handelsabkommen zwischen der EU und Mercosur führen sollen, das allerdings nicht zustande kam“, erklärt Prof. Ramon Torrent, Koordinator von EULAC Focus. „Also schlugen Präsident Chirac (von Frankreich) und Premierminister Aznar (von Spanien) 1999 die Organisation von ,Gipfeln‘ zwischen den beiden regionalen Führungen vor: Die Idee war womöglich, dass ,Breite‘ (ein sehr breit aufgestelltes Austauschprogramm) den Mangel an ,Tiefe‘ (ökonomische Inhalte) wettmachen würde, aber das hat offenkundig auch nicht funktioniert: Fortschritte in den sehr weit gefassten kulturellen, wissenschaftlichen und sozialen Dimensionen haben den Mangel einer Wirtschaftsvereinbarung mit Mercosur, welche 1994 das oberste Ziel war und nach wie vor nicht abgeschlossen wurde, keinesfalls wettgemacht.“ EULAC Focus ist deshalb auf diese drei Dimensionen fokussiert. Das Ziel ist: die Bereitstellung einer Übersicht über die regionale Agenda in diesen Domänen; eine kritische Untersuchung vergangener und aktueller Initiativen; die Identifizierung von gewonnenen Erkenntnissen und Auswirkungen; Möglichkeiten aufzuzeigen, um die biregionale Agenda zu stärken; und wahrscheinliche Szenarien für zukünftige Beziehungen zwischen der EU und den lateinamerikanischen und karibischen Staaten zu ermitteln. Für die Erarbeitung dieser Szenarien stützte sich das Projekt auf zwei Bewertungen: eine Bewertung, die 2017 von der Europäischen Kommission herausgegeben wurde und eine Bewertung, die vom IBD-Atlantic Council 2016 für die lateinamerikanischen und karibischen Staaten herausgegeben wurde. In diesen beiden Berichten wurden fünf Szenarien für jede Region vorgeschlagen, was in insgesamt 25 Kombinationen von „biregionalem“ Potential resultierte. „Aus dieser Liste wurden vier biregionale Szenarien als plausibel, strukturell abweichend, in sich schlüssig und nützlich für die Gestaltung politischer Empfehlungen und Entscheidungsfindung ausgewählt“, erklärt Prof. Torrent. Welche Zukunft haben die Beziehungen zwischen der EU und den lateinamerikanischen und karibischen Staaten? Wie sieht demnach die genaue Zukunft dieser Beziehung aus? „Falls wir dieses Problem aus einer rein empirischen Sichtweise heraus nüchtern betrachten und die Tatsachen berücksichtigen, ist es sehr schwer, optimistisch zu sein. Sowohl die EU als auch die lateinamerikanischen und karibischen Staaten haben unter schweren internen Schwierigkeiten zu leiden, und der Prozess der biregionalen Gipfel ist derzeit gelähmt“, sagt er. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Besserung unmöglich ist. Prof. Torrent glaubt, dass beide Seiten eine „ambitionierte Bescheidenheit“ erlangen müssten, das heißt, zu einem Bewusstsein in Bezug auf die Schwierigkeiten und den relativ knappen Ressourcen zu gelangen und gleichzeitig ein ambitioniertes Ergebnis anzuvisieren. Um beiden Regionen bei diesem Vorhaben zu helfen, beabsichtigt das Konsortium von EULAC Focus die Gestaltung eines Maßnahmenplans und einer Reihe von Empfehlungen unter Berücksichtigung der Natur der EU als politische Instanz mit Kompetenzzuständigkeiten. „Die EU kann nicht alles machen, und das meiste, was sie machen kann, ist ,introspektiv‘. Das heißt, wir müssen unsere Herangehensweise verändern, und anstelle über die kulturellen, wissenschaftlichen und sozialen Dimensionen von Beziehungen zwischen der EU und den lateinamerikanischen und karibischen Staaten zu diskutieren, sollten wir – mit einer Einstellung der ambitionierten Bescheidenheit – darüber nachdenken, wie wir der Kultur-, Wissenschafts- und Sozialpolitik der EU eine Dimension in Richtung der EU und der lateinamerikanischen und karibischen Staaten verleihen könnten“, schlussfolgert Prof. Torrent.
Schlüsselbegriffe
EULAC Focus, LAC, Mercosur, EU, Partnerschaft, Freihandelsabkommen, Kultur, Wissenschaft, sozial, biregionale Gipfel