EU-Projekt bietet Blick auf die Zukunft der Nanotechnologie
Im Rahmen eines von der EU geförderten Projekts wurde eine Serie von Roadmaps veröffentlicht, die einen Überblick über den aktuellen Status und die Zukunft der Nanontechnologie in den drei Schlüsselbereichen Werkstoffe, Gesundheit und medizinische Systeme sowie Energie bietet. In den vergangenen Jahren hat die Nanotechnologie einen wahren Forschungs- und Entwicklungsboom erlebt. Angetrieben wurde er von der Überzeugung, dass Nanotechnologie einen radikal neuen Ansatz in der produzierenden Industrie darstellt. Experten zufolge wird die neue Technologie nicht nur fast alle Branchen sondern auch unseren Alltag revolutionieren - eine Revolution, die kurz bevorsteht. Jede längerfristige Planung sollte sich deshalb an Erkenntnissen orientieren, wie sich die Nanotechnologie in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird und welche Anwendungen besonders wichtig sein werden. NanoRoadMap wird unter dem vorrangigen Themenbereich "Nanotechnologien und -wissenschaften, wissensbasierte multifunktionale Werkstoffe und neue Produktionsverfahren und -anlagen" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) finanziert. Dem NanoRoadMap-Konsortium gehören Forschungsinstitutionen und Industriepartner aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor aus der Tschechischen Republik, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Spanien, dem VK und Israel an. Insgesamt zwölf Roadmaps wurden zu drei Sektorberichten zusammengefasst, von denen jeder einen detaillierten Überblick über die Eigenschaften der entsprechenden Technologie gibt sowie über die Herausforderungen und Hindernisse für aktuelle und künftige Anwendungen. Laut Bericht werden im Laufe der nächsten zehn Jahre in erster Linie Nanomaterialien entwickelt. Nanomaterialien sind neuartige Werkstoffe, deren elementare Strukturgröße im Nanometerbereich liegt. In diesen Größenordnungen zeigen Materialien stark verbesserte oder völlig neue Verhaltensweisen und Eigenschaften. Aufgrund ihrer weiten Verbreitung finden Nanomaterialien in den verschiedensten Lösungen und Märkten Anwendung, von der Katalyse zu Membranen für Brennstoffzellen. Kohlenstoff-Nanoröhren sind derzeit der bekannteste Nanowerkstoff. Angesichts des breiten Spektrums an möglichen Anwendungen, so der Bericht, ist es jedoch fast unmögliche, das Volumen der zünftigen Märkte angemessen präzise zu schätzen. Ein Markt, auf den sich die Nanotechnologie zweifellos stark auswirken wird, ist die Medizin. Der Bericht weist darauf hin, dass die dosierte Verabreichung von Medikamenten und das Targeting von therapeutisch oder diagnostisch relevanten Wirkstoffen bereits recht weit fortgeschritten ist, und dass die Nanotechnologie zunehmend dazu verwendet wird, um Systeme zu schaffen, die es Medikamenten ermöglichen, gezielt bestimmten Regionen im Körper anzusprechen. Die Nanotechnologie wird der Medizin immer stärker personalisierte Behandlungen ermöglichen. Mit Partikeln, die kleiner als 50 oder gar 20 Nanometer sind, können Wirkstoffe oder Wirkstoffträger durch die Wände von Blutgefäßen dringen und so einfach mit den Molekülen auf der Zelloberfläche und im Zellinneren interagieren, und dies oft so, dass sich das Verhalten dieser Moleküle nicht verändert. Doch trotz der gesteigerten Erwartungen, die man für den Einsatz von Nanopartikeln in der Medizin hegt, befindet sich die Technologie noch in den Kinderschuhen. Daher warnt der Bericht auch, dass zunächst mehrere Probleme gelöst oder umgangen werden müssen, bevor man zu tragfähigen Ergebnissen gelangen kann. So muss zum Beispiel die Interaktion zwischen Nanopartikeln und so genannten intrakorporalen Targets noch weiter erforscht werden, damit wir mehr über die komplexen biologischen Prinzipien wissen, die die Wirkung dieser spezifischen Anwendungen steuern. Eine der wichtigsten Herausforderungen, so die Experten in ihrem Bericht, hängt mit möglichen Nebenwirkungen oder potenzieller Zelltoxizität der zur Verfügung stehenden Nanopartikel zusammen. Es muss sichergestellt werden, dass eventuelle Nebenwirkungen nicht stärker sind als der positive therapeutische Effekt eines Medikaments. In dieser Frühphase der Forschung ist öffentliche Unterstützung unerlässlich, heißt es in dem Bericht. Daher sollte über Möglichkeiten nachgedacht werden, wie die Genehmigungsverfahren vereinfacht werden können - selbstverständlich ohne Qualitäts- oder Sicherheitsverlust im Verfahren selbst. Nanotechnologie gilt auch im gesamten Energiebereich als äußerst viel versprechend, da sie von der Produktion über die Übertragung, Verteilung und Umwandlung bis hin zu Nutzung alternative Möglichkeiten der Energiegewinnung, -speicherung und -einsparung bietet. Dem Bericht zufolge spielt die europäische nanowissenschaftliche Forschung trotz der Tatsache, dass sich die Technologie noch im Frühstadium befindet, in wichtigen Bereichen alternativer Energiequellen - Sonnenenergie, Thermoelektrizität, aufladbare Batterien und Superkondensatoren - eine große Rolle. Die europäische Industrie gilt auf verschiedenen Gebieten als durchaus wettbewerbsfähig. Im Bereich nanotechnologische Wärmeisolierung und -leitung zum Beispiel nimmt die europäische Industrie Expertenmeinungen zufolge eine gute oder hervorragende Position ein. Auch in Bezug auf Solarzellen sehen die Experten mehrere europäische Unternehmen und einige Start-ups recht gut positioniert. In den Bereichen aufladbare Batterien und Superkondensatoren gelten europäische kleine und mittlere Unternehmen (KMU) als befriedigend bis gut. Der Bericht warnt aber, dass dies Ausnahmen sind - als Ganzes hinke die europäische Industrie der US-amerikanischen und der südostasiatischen hinterher. Im Bereich Thermoelektrizität sind die meisten Unternehmen, die von den Experten als Vorreiter in der Nanotechnologie genannt werden, in den USA ansässig. Die Wettbewerbsposition der europäischen Industrie hängt auch stark von den Branchen und der Größe einer Firma - Großunternehmen oder KMU - ab. Die Energie-Roadmap zeigt beispielhaft ein Problem, das in allen drei analysierten Sektoren zu finden war: Der nanowissenschaftliche Wissenstransfer von der Hochschule in die Industrie. Angesichts der Tatsache, dass viele Hindernisse in allen drei Sektoren auftauchen, schlägt der Report die Bildung von multidisziplinären Zentren vor. Ihr primäres Ziel sollte der Transfer des Wissens über Materialentwicklung und -anwendung und die universitären Pilotproduktionsstätten sein. Diese Zentren sollten Zusammenarbeit fördern, den Zugang zu modernen Geräten erleichtern, dazu beitragen, die Forschungsergebnisse in Produkte umzuwandeln, die Produktionsprozesse auf Massenproduktion ausweiten und Mitarbeiter schulen. Sowohl die Hochschulforschung als auch die Industrie, allen voran KMU, so der Bericht, würden von solchen Zentren profitieren. Der Bericht empfiehlt zusammenfassend das Folgende: - Grundlagenforschung zum Ausbau des Wissens über das Beziehungsgeflecht Struktur-Eigenschaft-Verarbeitung auf Molekularebene, - Computermodellierung und Simulation auf Nanoebene, - Online-Instrumente für die Charakterisierung, Prozessüberwachung und -steuerung sowie Metrologie, - Entwicklung eines Standard-Regulierungsrahmens und einheitlicher Genehmigungsverfahren, - Identifizierung und Vorentwicklung von Materialien, Anwendungen und Kapazitäten, die den strengen Anforderungen der Massenproduktion genügen, um so das Entwicklungsrisiko zu minimieren, -Skalierung der Produktion, - Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Hochschulforschung und Industrie und Technologietransfer, - Schulung für Nachwuchswissenschaftler und Mitarbeiter, - Reaktion auf die zunehmenden Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltbedenken, - Förderung transparenter Diskussion und die Information aller Beteiligten in Bezug auf die Vorteile und Risiken der Nanotechnologie.
Länder
Zypern, Tschechien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Israel, Italien, Niederlande