Die Rolle des Gesetzes, ökonomischer Narrative und Europas soziale Krise
Das mit einem Marie Skłodowska-Curie-Einzelstipendium geförderte EU-Projekt JUSECON hat den Einfluss der Volkswirtschaft Europas auf die Prinzipien und Praktiken von kodifizierten Rechten untersucht. Die Projektkoordinatorin Prof. Margot Salomon erklärt: „Zu gesetzlich festgeschriebenen Rechten gehören sowohl Menschenrechte als auch die internationalen Rechte der Staaten. Genau diese zwei bilden die Basis der beiden Komponenten unserer Studie: Staatsverschuldung und soziale Rechte.“ Die Doktrin der „sittenwidrigen Schulden“ Ausgehend von dem Gedanken wirtschaftlicher Selbstbestimmung, Souveränität und demokratischer Herrschaft widmete sich ein Teil der Forschung den treibenden Prinzipien hinter dem Konzept der sittenwidrigen Schulden. Untersucht wurden die volkswirtschaftlichen Fehler bei Schulden und Sparmaßnahmen im Europa von heute, und besonders die Rolle internationaler Gläubiger bei der Aushöhlung von Demokratie sowie deren Folgen. „Wir müssen die Unantastbarkeit demokratischer Herrschaft und damit verbundener Prinzipien anschauen, die die Doktrin der sittenwidrigen Schulden befördern, um zu verstehen, was bei der Staatsverschuldung heute falsch läuft“, betont Prof. Salomon. Angewandt auf den Kontext der jüngsten Schulden- und Menschenrechtskrise in Griechenland zeigt die Forschung wie das Konzept sittenwidriger Schulden nicht nur bei Schulden greift, die Diktatoren aufnehmen, sondern auch in Demokratien, wenn internationale Gläubiger indirekt an „feindlichen“ Akten gegen den „demos“, also das Volk, beteiligt sind. Gemeinsam mit Professor Robert Howse wurde kürzlich ein Aufsatz im Sammelband „Sovereign Debt and Human Rights“, Ilias Bantekas und Cephas Lumina (Hrsg.) bei der Oxford University Press veröffentlicht. Der Aufsatz schließt mit Vorschlägen zur Sanierung sittenwidriger Schulden. Sozialpolitik und die Krise Dr. Salomons Forschung beschäftigte sich außerdem mit sozialen Rechten und insbesondere damit, wie Sozialpolitik während einer Krise essenziell zur weiteren kapitalistischen Ausbeutung und Enteignung beiträgt. Weiterhin untersuchte sie, wie das internationale humanitäre Recht im Bereich der sozioökonomischen Rechte dieses Geschehen weiter fördert. Die Studie erscheint 2019. Sie zeigt neue Forschungsmodi für soziale Rechte auf und wendet sie auf die jüngsten Ereignisse in Griechenland und Europa an. Nur dank diesem Ansatz konnten aktuelle theoretische und praktische Probleme erforscht werden, die dem Streben nach Gerechtigkeit in Europa implizit sind. Im Rahmen von JUSECON haben Dr. Salomon und Professor Bruno de Witte einen Workshop organisiert: „Legal Trajectories of Neoliberalism: Critical Inquiries on Law in Europe“. Dort sind Akademiker zusammengekommen, um die Auswirkungen des Neoliberalismus als Ideologie und Praxis an verschiedenen Stellen der rechtlich legitimierten Herrschaft zu diskutieren. Ein Arbeitsdokument zu den Ergebnissen des Workshops wird in den nächsten Wochen veröffentlicht. Prof. Salomon fasst die Bedeutung von JUSECON wie folgt zusammen: „Diese Studie ist multidisziplinär und untersucht die Rolle des Rechts als Mittel zur Durchsetzung von Gerechtigkeit, erkennt aber gleichzeitig an, dass es stark von dominanten ökonomischen Narrativen geprägt ist. Bei dieser Untersuchung geht es um eben diesen Konflikt der Narrative und seine Effekte auf die Gerechtigkeit in Europa.“ Dr. Salomon von der juristischen Fakultät der London School of Economics and Political Science war für die Dauer des Forschungsprojekts Gastforscherin am Robert-Schuman-Zentrum des Europäischen Hochschulinstituts.
Schlüsselbegriffe
JUSECON, sittenwidrige Schulden, Recht, Gesetz, Menschenrecht, Demokratie, Sparpolitik, soziale Rechte, internationale Gläubiger, Kapitalist