Eine anpassbare, skalierbare und kosteneffektive Lösung zur Prävention urbaner Überschwemmungen
In den Städten Europas gibt es zahlreiche Kanalisationssysteme mit Echtzeitsteuerung. Diese Systeme bestehen aus einem Netz von Sensoren und Steuerungshardware. Die zentralen Steuerungsentscheidungen basieren auf Netzmodellen und Niederschlagsradardaten. Die Systeme weisen hohe Kapitalkosten auf und deren Betrieb setzt umfangreiche Fachkenntnisse voraus. Im Rahmen des EU-finanzierten Projekts CENTAUR (Cost Effective Neural Technique for Alleviation of Urban Flood Risk) wurde ein marktreifes, dezentrales, autonomes System entwickelt. CENTAUR hat gezeigt, dass über bestehende Leitungsnetze zusätzlicher Schutz vor urbanen Überschwemmungen erzielt werden kann.
Einführung intelligenter datengestützter Steuerungsinstrumente
Das CENTAUR-System funktioniert so, dass in einem Überschwemmungsgebiet eine Durchflusssteuerungsvorrichtung in einem Abschnitt des Leitungssystems für die Abwasserentsorgung vorgeschaltet installiert wird, der im Falle einer Überschwemmung des nachgeschalteten Netzes Reservekapazitäten hätte. Die Durchflusssteuerungsvorrichtung wird direkt an einen bestehenden Kanalschacht angebracht und nutzt drahtlose Kommunikation, um dynamisch auf die Wasserstandsmessungen in dem lokalen Abwasserentsorgungssystem zu reagieren. Das System für die Überwachung des Wasserstands erkennt hohe Wasserstände an überschwemmungsanfälligen Orten und die verfügbaren vorgeschalteten Kapazitäten. Der Betriebsalgorithmus kann dann entscheiden, die Durchflusssteuerungsvorrichtung zu schließen und Wasser zu speichern, um den Durchfluss und den Wasserstand an überschwemmungsgefährdeten Gebieten zu reduzieren – damit die Überschwemmungswahrscheinlichkeit minimiert wird. Da das Kommunikationssystem solarbetrieben ist und mit Infrastruktur in der Nähe wie z. B. Laternenmasten verbunden werden kann, ist es sehr agil und somit schnell einsetzbar. Von entscheidender Bedeutung ist, dass das CENTAUR-System ohne strukturelle Veränderungen des bestehenden Abwasserentsorgungs- und Kanalisationssystems betrieben werden kann. Projektkoordinator Simon Tait erklärt: „Urbane Gebiete können von zusätzlichem Schutz vor Überschwemmungen profitieren, ohne dass der Bau kostspieliger neuer Strukturen wie z. B. Speicherbehältern erforderlich ist. Die lokale Fokussierung bedeutet, dass Interventionen mit weniger Finanzmitteln und schnell durchgeführt werden können, ohne auf den Erhalt der großen Kapitalsummen und auf die notwendigen Baugenehmigungen zu warten.“ Ein weiterer wichtiger Vorteil der Technologie ist, dass ihre autonome Gestaltung eine Skalierung ermöglicht, damit zunehmend überschwemmungsgefährdete Orte in einem Netz berücksichtigt werden können. Da jedes System autonom funktioniert, sind diese zu keiner Zeit aufeinander angewiesen; ganz im Gegensatz zu bestehenden Ansätzen mit Echtzeitsteuerung, bei denen häufig die gesamte Systemleistung optimiert wird. „Da CENTAUR datengestützt ist, werden Durchflussentscheidungen auf der Grundlage tatsächlicher Messungen des Wasserstands an dem überschwemmungsgefährdeten Ort und an Orten, die der Durchflusssteuerung vorgeschaltet sind, getroffen, und nicht, wie bei bisherigen groß angelegten Echtzeitsystemen, auf der Grundlage unsicherer Modellprognosen“, sagt Tait. Sowohl die Pilotanlage in Coimbra (Portugal) als auch der Demonstrator in Toulouse (Frankreich) haben bewiesen, dass die Technologie funktioniert. In der Pilotanlage in Coimbra wurden über 60 Stürme reguliert, wobei die nachgeschaltete Durchflussmenge und -tiefe um bis zu 37 % bzw. 19 % reduziert wurde. Der Demonstrator in Toulouse sammelt nach wie vor Daten und dessen Leistung wird derzeit evaluiert.
Flexibilität für die groß angelegte Implementierung
CENTAUR trägt direkt zur Einhaltung der Vorgaben der EU-Hochwasserrichtlinie bei und das internetfähige Visualisierungs-Dashboard nutzt die Möglichkeit, um anzuzeigen, wie das System Bürger und Immobilien schützt. Die lokale dynamische Steuerung von Kanalisationsnetzen bietet zudem das Potenzial für die Steuerung intermittierender Abflüsse aufgrund von überlaufenden Mischkanalisationen in Wasserläufe, um zur Implementierung der Richtlinie über die Aufbereitung von städtischem Abwasser und der Wasserrahmenrichtlinie beizutragen. „In urbanen Gebieten, wenn Kanalisations- und Abwasserentsorgungssysteme versagen, werden immer wieder die gleichen Immobilien überschwemmt. Die schnelle, kosteneffektive CENTAUR-Lösung bedeutet, dass Orten, an denen nur eine geringe Anzahl von Immobilien von Überschwemmungen betroffen sind, jetzt ein effektiver Schutz vor Überschwemmung geboten werden kann“, merkt Tait an. Die KMU-Partner von CENTAUR haben mit der Vermarktung des Systems zu dem über das Projekt anvisierten Zielpreis von unter 100 000 EUR begonnen, dem Kosten von mehr als 1 Mio. EUR für ein kleines zentrales Echtzeitsystem gegenüberstehen. Das Team untersucht derzeit die Einsatzmöglichkeiten des CENTAUR-Systems an mehreren Orten in einem Kanalisations- oder Abwasserentsorgungsnetz im Hinblick auf die flexible, anpassbare Steuerung in einem großen Gebiet. Überdies wird die Verwendung von CENTAUR für ein besseres Management von überlaufenden Mischkanalisationen untersucht, um die Auswirkungen auf das aufnehmende Gewässer zu reduzieren und um herauszufinden, ob die Veränderung des Abwassernetzdurchflusses in Abwasseraufbereitungsanlagen die Kosten für Abpumpen und Aufbereitung (Energie und Chemikalien) senken kann.
Schlüsselbegriffe
CENTAUR, Kanalisation, Abwasser, Überschwemmung, Sensoren, Niederschlag, Radar, hydrodynamisch, Wasser, Abwasserentsorgung, autonom, urban