Immunreaktionen ein Ansatzpunkt für den Kampf gegen Bluthochdruck?
Trotz umfassender Forschung bleiben die Mechanismen hinter den häufigsten Fällen von Bluthochdruck unklar. Obwohl Therapien zur Verfügung stehen, verbessert sich der Zustand von mehr als 40 % der mit Medikamenten behandelten Patienten nicht. Auch wurden seit Mitte der 1980er Jahre keine neuen Medikamentenklassen zur Behandlung von Bluthochdruck entwickelt. Auf Grundlage der Erkenntnis, dass Mäuse, die keine T-Zellen oder Monozyten hatten, vor schwerem Bluthochdruck und Fehlfunktionen der Niere bzw. der Gefäße geschützt waren, wurde bei der EU-geförderten Forschung im Projekt ImmunoTension ein neuer Mechanismus des Bluthochdrucks untersucht. Dabei wurde der Einfluss von T-Lymphozyten, Monozyten und dendritischen Zellen auf die Erkrankung bewertet. Doch die Relevanz für Bluthochdruck beim Menschen blieb weiter ungeklärt. Darum schwenkte das Projekt ImmunoTension um, mit dem Ziel, diese Wechselwirkung zu definieren. Das Immunsystem, das ein wichtiger Bestandteil des Mechanismus hinter Bluthochdruck zu sein scheint, wurde lange übersehen, da man es in der klassischen Physiologie nicht typischerweise mit der Regulierung des Blutdrucks in Verbindung gebracht hat. Der leitende Forscher Professor Tomasz Guzik erklärt: „Ziel des Projektes war es, bei Patienten mit Bluthochdruck die wichtigsten Veränderungen im Immunsystem festzustellen. Das waren die ersten Studien überhaupt, die Immunität und Entzündungen sowie Bluthochdruck beim Menschen umfassend charakterisiert haben.“ Mit Tests mehrerer Zytokinwerte im Plasma sowie Untersuchungen zur Charakterisierung von Immunzellen mit Hilfe von Flusszytometrieverfahren konnte Prof. Guzik feststellen, wie Immunzellen von Gefäßen und Nieren unter Bluthochdruck angezogen werden. „Wir haben herausgefunden, dass die Bekämpfung von Chemokinen, wie des Chemokins RANTES, als mögliche Therapie geeignet wäre. Wir können dieselben Medikamente benutzen, die bei der Behandlung von AIDS zum Einsatz kommen.“ Aber wie immer gibt es kein Allheilmittel. Bluthochdruck ist eine Krankheit mit komplexer und multifaktorieller Pathogenese, das heißt nicht alle Patienten mit Bluthochdruck zeigen pathologisch die gleiche Beteiligung des Immunsystems. „Wir haben herausgefunden, dass etwa 30 % der Bluthochdruckpatienten einen stark ausgeprägten Immunphänotypen haben“, sagt Prof. Guzik. Um das Ganze noch unübersichtlicher zu machen, werden viele Patienten mit starken Medikamenten behandelt, die das Entzündungsprofil verändern können. Zum Beispiel haben die Forscher herausgefunden, dass Patienten, die ACE-Hemmer bekommen, ein verringertes Entzündungsbild zeigen, was deren positive Wirkung zumindest zum Teil erklären könnte. Die Identifizierung von Immun- oder Entzündungsmechanismen bei Bluthochdruck ist nur der erste Schritt auf dem Weg zu einem erfolgreichen therapeutischen Einsatz oder ihrem Einsatz als Biomarker. „Viele Kardiologen sträuben sich aus Angst vor Nebenwirkungen, spezielle Medikamente für das Immunsystem bei der Behandlung einer Herz-Kreislauf-Erkrankung einzusetzen. Wir müssen also die spezifischen Mechanismen finden, die mit Bluthochdruck verbunden sind und für die Entwicklung sichererer Behandlungsmethoden verwendet werden können.“ Diese Studien deuten darauf hin, dass die Entwicklung von neuen Therapieansätzen, die auf Entzündungen abzielen, machbar ist und in naher Zukunft auf den Weg gebracht werden sollte. „Eine weitere interessante Erkenntnis ist, dass die Bekämpfung chronischer Entzündungsprozesse im Körper – zum Beispiel im Mund (wie Parodontitis, Zahnfleischentzündung) oder auf der Haut (Psoriasis) – bei der Verbesserung der Kontrolle des Blutdrucks bei Bluthochdruckpatienten eine zentrale Rolle spielen könnte. Daraus ließe sich ableiten, dass zum Beispiel Zahnärzte bei der Behandlung von Bluthochdruck mitwirken könnten.“ Prof. Guzik hat außerdem die zusätzliche Genugtuung, dass er seine Forschung zu Ende bringen konnte: dank der EU-Förderung konnte er seine Grundlagenforschung genau in dem Bereich, in dem er Jahre vorher angefangen hat, erstmals klinisch umsetzen. Und seine Arbeit geht weiter. „Das Projekt wird jetzt so weiter entwickelt, dass es sich mit der Frage befasst, ob die gefundenen Moleküle und Subpopulationen von Zellen sich als nützliche therapeutische Angriffspunkte beim Menschen eignen. Ich habe Förderung vom Europäischen Forschungsrat bekommen, um diese Arbeiten fortzusetzen, und das war nur dank der Ergebnisse aus ImmunoTension möglich.“
Schlüsselbegriffe
ImmunoTension, Bluthochdruck, Immunsystem, T-Lymphozyten, Monizyten, dendritische Zellen