40 Jahre alte Daten geben Aufschluss über die Seismologie des Mondes.
Schon mal was von Mondbeben gehört? Ohne die Apollo-Seismometer hätte die wissenschaftliche Gemeinschaft das wahrscheinlich auch nicht. Und dieser wissenschaftliche Wert ist 1977 nicht einfach verschwunden. Im Jahr 2011 erhielten die Wissenschaftler wertvolle Informationen über den Kern des Mondes, indem sie moderne Computertechnologie auf die Apollo-Seismometerdaten anwandten. Drei Jahre später konnten Physiker anhand derselben Daten herauszufinden, wie man Gravitationswellen erkennt – kleine Verzerrungen der Raumzeit, die Einstein 1916 vorhergesagt hatte, die aber niemand zuvor beobachten konnte. Prof. Heiner Igel von der Ludwig-Maximilians-Universität sagt dazu: „Die Tatsache, dass Apollo-Seismometer zum ersten Mal vor fast einem halben Jahrhundert eingesetzt wurden und wir ihre Daten immer noch verwenden, zeugt davon, dass die Ingenieure damals fast alles richtig gemacht haben.“ Natürlich waren die Apollo-Seismometer – so wie man es auch von jedem anderen 40 Jahre alten Stück Technik erwarten würde – alles andere als perfekt. Durch ihre eingeschränkte Bandbreite und ihr unbeständiges Abtastintervall wären sie beispielsweise für aktuelle oder zukünftige Raumfahrtmissionen nutzlos. Ein besseres Verständnis dieser Einschränkungen ist entscheidend, wenn wir jemals zum Mond zurückkehren oder zum Mars reisen wollen, da es dabei helfen würde, die Grenzen dessen, was man aus den Daten des Apollo-Seismometers lernen kann, zu erweitern. Genau darum ging es im Projekt SEISMO unter der Leitung von Professor Igel. Da die Arbeit mit solchen alten Daten für Seismologen recht ungewöhnlich ist, sollte mithilfe der Umgebungsgeräusch-Tomographie ein genaueres Modell der Mondkruste und des Mantels erstellt werden. Das Projekt wandte die jüngsten Fortschritte in der vollständigen Wellenformmodellierung der Streuung auf planetarer Ebene auf die Mondkruste an und erforschte völlig neue Wege für die planetare Seismologie. „Wie auf der Erde kann uns die Seismologie viel über das Innere eines Planeten oder Mondes sagen“, erklärt Prof. Igel. „Der Mond wurde in seiner ganzen Geschichte von Meteoriten getroffen. Im Gegensatz zur Erde gibt es hier keine Vorgänge wie Regen oder Verwitterung, um Oberflächenschäden zu reparieren, daher bleibt er stark zerklüftet. Wenn wir wollen, dass zukünftige Missionen erfolgreich sind, brauchen wir so viele Informationen wie möglich darüber, wie sich seismische Wellen auf dem Mond ausbreiten.“ Es war keine leichte Aufgabe, diese Informationen zu besorgen. Die von den Apollo-Seismometern gesammelten seismischen Daten wurden zunächst auf digitalen Magnetbändern mit Zeitstempeln aufgezeichnet, die den Zeitpunkt des Signalempfangs auf der Erde darstellen. Später wurden sie in das SEED-Format (Standard for the Exchange of Earthquake Data) übertragen. Das Team von Prof. Igel stellte jedoch während des Projekts fest, dass es einige zeitbedingte Probleme mit den ursprünglichen SEED-Dateien gab. „Wir haben die mittelfristigen Daten in das SEED-Format reimportiert und über IRIS (Incorporated Research Institutions for Seismology) zur Verfügung gestellt. Es gibt viele Lücken in den Daten, die durch Signalverlust oder Geräteprobleme verursacht werden, so dass wir das einzulesende Signal als kontinuierliche Aufzeichnung rekonstruiert haben, mit Lücken innerhalb der seismischen Spur, wo nötig. Die neuen Dateien werden eine wertvolle Quelle für die Analyse der Struktur des Mondes sein", erklärt Prof. Igel. Seit dem Ende des Projekts im Januar 2018 ist Prof. Igel damit beschäftigt, Apollo-Daten für zwei neue Projekte zu nutzen. Weitere sind bereits geplant. „Wir verwenden das von der ETH Zürich neu entwickelte Modellierungswerkzeug Salvus, um stark streuende Oberflächen zu modellieren. Indem wir verschiedene mögliche Modelle der Mondoberfläche schaffen, lernen wir mehr über die Struktur des Mondes. Wir erstellen Seismogramme aus unseren Modellen und vergleichen sie mit den Apollo-Daten“, sagt er. Ein weiteres Nebenprojekt ist die Betrachtung unterirdischer Mondbeben, die in einer Tiefe von etwa 800 km unter der Mondoberfläche auftreten. Prof. Igel untersucht, wie stark diese Beben gebündelt sind, indem er mehrere Minuten der Seismogramme von jedem Ereignis vergleicht.
Schlüsselbegriffe
SEISMO, Apollo, Mond, Kruste, Seismologie, Seismometer, seismische Wellen, Aufnahmen