Wie passen sich eigentlich Mikroorganismen an ihre Umgebung an?
Man hat schon lange vermutet, dass sich Mikroorganismen an ihre jeweilige Umgebung anpassen können. Das gilt insbesondere für die im Boden lebenden Mikroorganismen, wo Mineralkörner angegriffen werden müssen, um metallische Nährstoffe zu extrahieren. Da jedoch verschiedene Mineralien unterschiedliche Zusammensetzungen an Metallen aufweisen und einige schwerer als andere auszulaugen sind, handelt es sich für einen Mikroorganismus um ein völlig anderes Szenario, ob er in dem einen oder anderen Bodentyp lebt. Um mehr über diese vermutete Anpassungsfähigkeit zu erfahren, überprüften die im Rahmen des EU-finanzierten Projekts Bio-Strategies arbeitenden Forscherinnen und Forscher, ob Mikroorganismen ihre Angriffsstrategie auf Basis der Mineralien verändern, auf denen sie leben. Kann ein Mikroorganismus von der Säureabsonderung zur Sekretion von an Metallen haftenden Molekülen wechseln? Und können sie auf Grundlage anfänglicher Erfolge die Intensität ihres Angriffs verändern? Diese Fragen wollte das Projekt beantworten. Bedeutende Erkenntnisse Nach einer Versuchsreihe gelangten die Forschenden zu zwei wichtigen Schlussfolgerungen. Zuerst entdeckte man, dass sich Mikroorganismen auf die Teile der Mineralkörner konzentrieren, wo sie am leichtesten auszulaugen sind. „Bei den Mineralien mit Schichtstruktur wie beispielsweise Glimmer befand sich der schwächste Punkt an der Kante der Plättchen“, berichtet Projektforscher Dr. Javier Cuadros. Zweitens beobachteten die Forscher, dass einer der bei den Experimenten eingesetzten Mikroorganismen – eine Pilzart – die Intensität des Angriffs in Abhängigkeit vom angegriffenen Mineral veränderte. Im Extremfall waren der Oberfläche des Mineralvermiculits sämtliche Metalle außer Silizium entzogen worden. „Wir nehmen an, dass der Grund für diesen sehr intensiven Angriff die Suche des Pilzes nach Kalium war, von dem es im Vermiculit nur sehr wenig gibt“, erklärt Cuadros. Diese Erkenntnisse sind wichtig, da sie beweisen, wie Bakterien und Pilze die Lokalisierung von Nährstoffen erfassen und auf diese Informationen reagieren können. Auch die Abhängigkeit der Mikroorganismen von überlegenen Lebensformen wie etwa Pflanzen kann so besser demonstriert werden. Tatsächlich widmete man einen Teil des Projekts der Untersuchung, ob die durch das Bakterium und den Pilz ausgelaugten Metallnährstoffe im Folgenden den Pflanzen zur Verfügung stehen, die auf demselben Boden wachsen. Die ersten Resultate, die darauf hinweisen, dass dies der Fall ist, bedeuten letztlich, dass nicht in Symbiose mit Pflanzen lebende Mikroorganismen gleichermaßen über ihre mineralienauslaugende Aktivität den Nährstoffbedarf von Pflanzen decken. „Wir haben Grund zur Annahme, dass die Vernetzung zwischen mineralischen Böden, mikrobiellen und pflanzlichen Gemeinschaften enorm weitreichend und äußerst komplex ist“, sagt Cuadros. „Offenbar erstreckt sich diese Vernetzung auch auf Tiere und schließt den Menschen mit ein, aber wir müssen uns Schritt für Schritt voranarbeiten, um die komplizierten wechselseitigen Abhängigkeiten in vollständigen Ökosystemen aufzudecken.“ Ein felsenfestes Vermächtnis Cuadros zufolge wird der grundlegende Beitrag des Projekts sein Anteil an der Definition der Koevolution von Gestein und Leben auf der Erde sein. „Leben formt Gesteine und Gesteine formen die biologische Aktivität“, fügt er hinzu. „Dieses Projekt zeigt uns ein Beispiel dafür, wie die Mineralmatrix, in der die Mikroorganismen leben, deren biologische Evolution zu verschiedenen Ernährungsstrategien hin fördert.“
Schlüsselbegriffe
Bio-Strategies, biologische Strategien, Mikroorganismen, Anpassungsfähigkeit, mineralisches Umfeld, Evolution, Entwicklungsgeschichte