Modelle künstlicher zellulärer Signalwege
Bislang wurde mit biochemischen und molekularbiologischen Methoden gearbeitet, womit in zellulären Signalwegen aber nur spezifische einzelne Signalwegkomponenten untersucht werden konnten. Mit den neuen Omics-Technologien wie Genomik und Proteomik sowie der Systembiologie kann die Signalgebung jedoch inzwischen aus einem ganzheitlicheren Blickwinkel betrachtet werden. Um die an Signalkaskaden beteiligten molekularen Maschinen zu erforschen, müssen deren Architektur und Interaktionen im Detail darstellbar sein. Oft bereiten die geringe endogene Abundanz und Gewebeheterogenität bestimmter Proteine Probleme bei der Extraktion, Aufreinigung und Strukturanalyse. In der Forschung wird daher häufig auf die rekombinante Produktion und Aufreinigung in heterologen Wirtszellsystemen zurückgegriffen, was jedoch häufig ein beeinträchtigtes, unphysiologisches Verhalten der untersuchten Proben zur Folge hat. Die meisten pharmazeutisch vertriebenen Medikamente zielen bei der Behandlung von Krankheiten auf Signalkaskaden ab. Die Arbeitshypothese des EU-finanzierten Konsortiums SynSignal lautete daher, dass Signalsysteme mit neuartigen Methoden der synthetischen Biologie einfacher untersucht werden können, um spezifische Probleme bei der Produktentwicklung auszuräumen. Ein synthetischer Ansatz zur Analyse von Signalsystemen „Synthetische zellulare Signalschaltkreise gelten als analog zu elektronischen Schaltkreisen“, erklärt Projektkoordinator Dr. Imre Berger. „Dadurch wird das System für das Engineering zugänglich.“ Die Projektpartner von SynSignal entwarfen und konstruierten einzelne Signalbausteine und bauten sie in vitro zu synthetischen Kaskaden zusammen, die den natürlichen Prozessen sehr ähnlich sind. „Jede Komponente des Schaltkreises, die durch eine DNA-Sequenz mit definierter Struktur und Funktion kodiert wird, ist physikalisch durch kompatible modulare Bausteine austauschbar“, fährt er fort. Die Werkzeuge für die DNA-Assemblierung und Proteinproduktion zeichneten sich durch breites kombinatorisches Potential aus und waren auf verschiedene Arten von Signalwegen anwendbar. Schwerpunkt für die Projektpartner war die Signalgebung, die nach der Aktivierung von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren initiiert wurde, einer großen und „heißen“ Familie von Membranproteinen, die an vielen physiologischen Prozessen wie Geschmacks- und Geruchswahrnehmung beteiligt sind. Vor allem aber können diese Synthesewege als Screening-Plattformen für neue Medikamente zur Behandlung von Krankheiten wie Krebs und Diabetes dienen. Mittels Massenspektrometrie und Kryo-Elektronenmikroskopie wurden zudem neuartige miniaturisierte bioanalytische Methoden etabliert. Mechanistische Modelle und Softwarepakete vereinfachten die Analyse von Signalwegen und das Design entsprechender synthetischer Signalschaltkreise, die natürliche Funktionen nachahmen. Auslesestrategien bieten einzigartige Vorteile für die Molekülforschung und ebnen nun Wege für die Entwicklung neuer Geschmacks-, Duft- und Nährstoffbestandteile. Anwendung des Instrumentariums für synthetische Signalwege Insgesamt entwickelte SynSignal innovative Plattformen und Materialien für die synthetische Biologie, um die Art und Weise der Produktion von und Forschung an neuen Produkten und Medikamenten zu verändern. „SynSignal-Plattformen werden die Effizienz steigern, mit der essentielle Signalwege, die zelluläre Prozesse regulieren, modifiziert, moduliert und unterbrochen werden können“, erläutert Dr. Berger. Die Kosten für die Produktentwicklung und der Zeitrahmen bis zur Marktreife neuer Produkte kann damit ebenfalls reduziert werden, was völlig neue Möglichkeiten für die Entwicklung neuer potenter und effizienter Therapeutika eröffnet und Fortschritte in der industriellen Biotechnologie und anderen milliardenschweren Märkten befördert. Die mit SynSignal verfolgte Politik der offenen Innovation ermöglicht den Zugang europäischer pharmazeutischer und industrieller Biotechnologieunternehmen zu den SynSignal-Technologien für die Wirkstoffforschung. Dies wird nicht nur die Forschungstätigkeit in den Biowissenschaften beschleunigen, sondern auch Wettbewerbsvorteile auf globaler Ebene bringen. Mit der Entwicklung von Signalwegen außerhalb des pharmazeutischen Sektors, etwa in der Aroma- und Ernährungsindustrie, können die generierten Werkzeuge auch über biomedizinische Prozesse hinaus angewendet werden. Mit Blick auf die Zukunft erwartet Dr. Berger „ein großes Potenzial für die synthetische Biologie, um eine große Anzahl von Schlüsselbereichen von großer sozioökonomischer Bedeutung zu transformieren, etwa umweltfreundliche Technologien sowie Arzneimittelforschung und -herstellung.“
Schlüsselbegriffe
SYNSIGNAL, Signalgebung, Signalweg, synthetische Biologie, Kaskade