Wie Genom-Editierung zur Heilung der Netzhauterkrankung XLRP beitragen könnte
Einer unter 10 bis 15 000 europäischen Bürgern ist innerhalb der ersten 10 Lebensjahre von der Netzhauterkrankung XLRP betroffen. Diese genetische Störung führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Sehvermögens und manchmal sogar zum vollständigen Erblinden – eine Heilung gibt es nicht. „In 80 % der XLRP-Fälle verursacht eine Mutation im RPGR-Gen einen Proteinmangel oder die Produktion nicht funktioneller Proteine, beide Fälle führen zu einem gestörten Proteintransport in die äußeren Segmente der Photorezeptoren. Dieses Problem führt zu einer ausbleibenden Funktion der Photorezeptoren und zu ihrer nachfolgenden Degeneration“, erklärt Dr. Stieger. XLRP muss auf genetischer Basis behandelt werden. Eine klassische Genadditionstherapie – bei der eine korrekte Kopie der cDNA des Gens in die Photorezeptoren übertragen wird, um das funktionell aktive Protein zu produzieren – wird derzeit im Rahmen verschiedener klinischer Studien untersucht. Die künstliche Steuerung der transgenen Expression und die Erfordernis zur Produktion des Proteins über einen sehr langen Zeitraum hinweg sind zwei wesentliche Hindernisse dieser Technik. Durch Genom-Editierung kann die krankheitsverursachende Mutation in den Photorezeptoren korrigiert und somit eine normale genetische Situation wiederhergestellt werden, sodass über die verbleibende Lebensdauer des Patienten so viel Protein wie erforderlich ist produziert werden kann. Ein ebensolches Verfahren, bei dem die CRISPR-Cas-Methode als neuer Behandlungsansatz Verwendung findet, wird über das Projekt REGAIN (Retinal Gene Alteration in XLRP) von Dr. Stieger untersucht. „Bei XLRP weist eine große Anzahl von Patienten krankheitsverursachende Mutationen in einem einzigen Exon eines Gens auf, dem RPGR-ORF15. Der Austausch des gesamten Exons mit der korrekten Sequenz durch Homologie-gerichtete Reparatur (Homology-Directed Repair, HDR) könnte für viele Patienten ein wirksamer Behandlungsansatz sein. Dies kann über die Induzierung einer oder mehrerer DNA-Doppelstrangbrüche (DNA Double Strand Breaks, DSB) an der Zielstelle erreicht werden, die durch einen von mehreren Mechanismen des zelleigenen Reparaturapparats repariert werden. Die Auswahl des richtigen Mechanismus wird dazu führen, dass die Reparatur genau so durchgeführt, wie wir uns dies zur Behandlung der Erkrankung wünschen.“ Ein langer, lohnenswerter Weg Üblicherweise werden Doppelstrangbrüche über eine fehleranfälligen Reparaturmethode repariert, die als NHEJ (Non-Homologous End-Joining, zu dt.: nicht homologe Endverknüpfung) bezeichnet wird. Die zentrale Herausforderung für Dr. Stieger und sein Team besteht darin, um jeden Preis zu verhindern, dass dieser Reparaturweg aktiviert wird. Vor diesem Hintergrund wird versucht, den Reparaturapparat verstärkt auf HDR oder MMEJ (Microhomology Mediated End-Joining, zu dt.: Mikrohomologie vermittelte Endverknüpfung) auszurichten. „Dies gestaltet sich schwer, lässt sich jedoch über eine temporale Manipulation des Reparaturapparats erreichen“, sagt Dr. Stieger. Die zweite Herausforderung besteht darin, diese Reparatur in vivo in den Zellen der Netzhaut durchzuführen. Die Übertragung aller notwendigen Komponenten in die Photorezeptoren ist keineswegs einfach, aber dennoch von entscheidender Bedeutung. Wenige Monate vor dem Ende des Projekts versucht das Team unter Verwendung viraler Vektoren oder Nanopartikel noch den besten Ansatz zu finden. „Meine ursprüngliche Erwartung war, dass wir eine neue therapeutische Strategie entwickeln würden und die ersten Daten werden dieser Erwartung gerecht. Wir haben noch einen sehr langen und komplexen Weg vor uns, ich denke jedoch, dass sich der Aufwand lohnt“, sagt Dr. Stieger. Die bis dato sicherlich wichtigste Erkenntnis des Projekts ist die Tatsache, dass die DNA-Reparatur in der Retina und höchstwahrscheinlich in allen Zelltypen des Körpers zelltypspezifisch ist. Dr. Stieger ist davon überzeugt, dass diese Beobachtung bei jeder Genom-Editierungsstrategie berücksichtigt werden muss und ebenfalls bei aktuellen Plänen für den Start klinischer Versuche bezüglich bestimmter Formen der Retinitis pigmentosa adressiert werden sollte. In den kommenden Monaten wird sich das Team auf die Steuerung der verschiedenen Reparaturmechanismen der Zelle sowie auf das Finden einer Möglichkeit zur Förderung einer effizienten In-vivo-DNA-Reparatur in Photorezeptoren fokussieren.
Schlüsselbegriffe
REGAIN, XLRP, genetische Störung, Gentherapie, Proteine, Photorezeptoren, CRISPR/Cas, klinische Studie, HDR, therapeutische Strategie