Neues Paradigma bei multiphysikalischen Simulationen
Viele Systeme in der realen Welt umfassen komplexe Wechselwirkungen zwischen Fluiden – Gasen oder Flüssigkeiten – und festen Phasen oder Strukturen. Beispiele dafür sind auf diversen Gebieten wie etwa in der Arzneimittel-, Lebensmittel- und Verarbeitungsindustrie, der Bergbauindustrie, im Bauwesen und in der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen zu finden. Alltägliche Produkte wie beispielsweise erneuerbare Treibstoffe und sogar Kaffee hängen von solidem Wissen über die fundamentale Physik der Prozesse ab, die an ihrer Herstellung beteiligt sind. Simulationen von Mehrkomponentensystemen sind so alt wie die Simulationen selbst. Angesichts der stetig wachsenden Leistung von Supercomputern und dem stärkeren Streben nach wissenschaftlichen Prognosen und konstruktiver Entwicklung verdienen sie jedoch einen Neustart. Die im Rahmen des von der EU finanzierten Projekts AMST (Advanced multi-physics simulation technology) durchgeführten Forschungen schufen einen innovativen Ansatz für multiphysikalische Simulationen. Professor Bernhard Peters von der Universität Luxemburg, Koordinator des Projekts, erklärt, dass „die Erweiterte Diskrete-Elemente-Methode (XDEM) für multiphysikalische und multiskalige Simulationen ihre Wurzeln in der thermischen Abfallbehandlung hat“, die er früher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Deutschland, untersucht hat. „XDEM bildet die Basis einer zukunftsweisenden Simulationsplattform, die Flexibilität und Vielseitigkeit kombiniert, um die nächste Generation von multiphysikalischen und multiskaligen Simulationsinstrumenten einzuführen.“ XDEM erweitert das dynamische Verhalten von granularen festen Materialien und Partikeln, wie es durch die klassische Diskrete-Elemente-Methode beschrieben wird, um das Abschätzen ihres thermodynamischen Zustands. Zusätzlich zum thermodynamischen Zustand jedes Partikels, der Änderungen in der Temperatur und Speziesverteilung aufgrund chemischer Reaktionen und externer Wärmequellen umfasst, werden Spannungs- und Dehnungsfelder vorhergesagt. Professor Peters ergänzt, „dass die neue Simulationsplattform auf der Kopplung verschiedener Vorhersageinstrumente auf Grundlage von Eulerschen und Lagrange-Ansätzen beruht. Der Eulersche Ansatz repräsentiert Simulationsmodelle [unter Berücksichtigung aller Phasen als ein Kontinuum auf makroskopischer Ebene.] Kontinuumsmodelle dieser Art umfassen CFD- (numerische Strömungsmechanik) und Finite-Elemente-Analyse. Andererseits ist der Lagrange-Ansatz für diskrete Phasen geeignet.“ Er stellt fest, dass „die wissenschaftlich fundierte Implementierung der XDEM-Methode von der Entwicklung einer grafischen Benutzeroberfläche begleitet wurde, die als ein Vorprozessor für den XDEM-Löser dient.“ Die AMST-Simulationsplattform wurde dank der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen der Universität Luxemburg und dem deutschen KMU (kleinen und mittleren Unternehmen) inuTech mit einander ergänzendem Expertenwissen in der Simulation von physikalischen Problemen und im Software-Design möglich. Das AMST-Projekt hat eine technologische Lücke geschlossen und zum Voranschreiten der Multiphysikforschung in Europa beigetragen. Eine Simulation des Verhaltens von Mehrkomponentensystemen unterstützt Wissenschaftler und Ingenieure bei der Analyse experimenteller Daten und der Enträtselung der zugrundeliegenden Physik. Anhand dieser theoretischen Erkenntnisse, die das empirische Wissen ergänzen, kann unser Verständnis der Multiphysik um einiges erweitert werden.
Schlüsselbegriffe
Mehrkomponentensysteme, AMST, multiphysikalische Simulationen, Diskrete-Elemente-Methode, DEM, Thermodynamik