Fahrzeugbau der nächsten Generation ist bereits angekommen
Da die Themen erneuerbare Energien, Klimawandel und CO2-Emissionen vordringliche Priorität für das 21. Jahrhundert besitzen, sucht die Industrie nach ganz neuen Wegen, um diese Herausforderungen zu meistern. Ein äußerst vielversprechender und unlängst übernommener Ansatz zur radikalen Eindämmung von Luftverschmutzung und Emissionen durch Transportfahrzeuge besteht darin, Autos und sogar Flugzeuge aus sehr viel leichteren Legierungen herzustellen. Auf diese Weise würden die erforderlichen Kraftstoffmengen und die Fertigungskosten erheblich reduziert werden, was diese Fahrzeuge umweltfreundlicher als jemals zuvor dastehen ließe. Eine besondere EU-finanzierte Initiative, die faktisch neu patentierte Materialien zur Unterstützung dieses Ziels entwickelt hat, war das Projekt LOCOLITE (An industry system enabling the use of a patented materials processing technology for low cost forming of lightweight structures for transportation industries). Im Rahmen des von einem Team des Imperial College London, Vereinigtes Königreich, angeführten Projekts hat man eine kostengünstige, für komplex geformte Fahrzeugverkleidungsteile geeignete Fertigungstechnologie für hochfeste Aluminiumlegierungen unter Einsatz einer patentierten Technologie mit der Bezeichnung Solution-Heat treatment, cold-die Forming & Quenching (HFQ) entwickelt. „Im Vergleich zu den heute üblichen Aluminiumkarosseriestrukturen für Personenkraftwagen, die konventionell gefertigt werden, könnten die Fertigungskosten um 30 bis 40 % sinken“, sagt Professor Jianguo Lin, einer der Projektpartner vom Imperial College London. „Zudem könnten die Konstruktionskosten für ein neues Fahrzeugmodell um 25 bis 35 Millionen EUR gesenkt werden, da viele Kleinteile zu einer Komponente kombiniert werden können.“ Die Zahlen sind beeindruckend und sprechen für sich: Neueste Studien haben eine Gewichtsreduzierung bei den Bauteilen von bis zu 55 %, je nach Qualität der ausgewählten Aluminiumlegierungen, ergeben. Das wiederum resultiert in Abhängigkeit von Modell und Marke in Kraftstoffeinsparungen zwischen 20 und 25 % und der Eindämmung der Kohlendioxidemissionen (CO2) von bis zu 35 %. Auch Elektrofahrzeuge profitieren in Form einer um bis zu 35 % größeren Reichweite, was ihre kommerzielle Umsetzbarkeit mehr als je zuvor unterstützt. Getrieben vom unmittelbaren Interesse der Automobilhersteller wurde die Technologie von dem britischen Metallumformungsspezialisten Impression Technologies Ltd. übernommen, einem Spin-off-Unternehmen von der patentierten Technologie, welche die weltweit erste HFQ-Produktionslinie, gebaut von AP&T (Schweden), einrichtete. „Die Kommerzialisierung hat bei Nischenherstellern in Großbritannien wie Aston Martin und Lotus Cars begonnen, um die Vorteile der Technologie vor Ort zu demonstrieren“, merkt Professor Lin an. Der nächste Schritt im Kommerzialisierungsprozess ist die Fertigung der neuartigen, kostengünstigen und emissionsarmen Teile für Premiumfahrzeuge wie etwa Audi, BMW, Jaguar und Mercedes. „Wir arbeiten nun daran, gewährleisten zu können, dass die Technologie für diese Marken in den nächsten 2 bis 3 Jahren eingesetzt wird“, sagt Professor Lin. Er fügt hinzu, dass man davon ausgeht, dass die weiterführende Kommerzialisierung populäre Autos, d. h. Fahrzeuge der Klasse C und D, in weiteren 5 bis 7 Jahren erreichen wird. Neben der Fahrzeugindustrie bekundeten auch die Hersteller von Lastkraftwagen, Bussen, Zügen und Flugzeugen Interesse. Bei Lieferwagen, Bussen und Oberleitungsbussen dürften die Kraftstoffeinsparungen bis zu 20 % erreichen, während die Reduzierung der CO2-Emissionen 30 % erreichen sollte, was den Weg hin zu einem umweltfreundlicheren öffentlichen Verkehr und umweltverträglicher Logistik ebnet. Auch für den Luftfahrtsektor werden große Materialeinsparungen erwartet. „Uns gelang die Herstellung spezieller Flugzeugteile, bei denen wir die Fertigungskosten verglichen mit den heutige gängigen Technologien, bei denen 95 bis 97 % des Materials der Bearbeitung zum Opfer fällt, um mindestens das Fünffache reduzieren könnten.“ Auch der Elektroniksektor zeigte jüngst starkes Interesse an HFQ-Aluminium, wobei man hier vor allem an Gehäuse für elektrische und elektronische Geräte wie beispielsweise Mobiltelefone denkt. „Wir erwarten, dass die Anwendungen in diesen Branchen innerhalb der nächsten zwei Jahre auftauchen werden“, teilt Professor Lin mit. Neben der reduzierten Luftverschmutzung durch Fahrzeuge und sinkenden Fertigungskosten sind auch Einsparungen zu verzeichnen, die sich aus dem Recycling ergeben. „Aluminium kann ohne Weiteres recycelt werden und es wird zum Recycling nur etwa 5 % der im Vergleich zur Gewinnung des ursprünglichen Aluminiums erforderlichen Energie gebraucht“, stellt Professor Lin fest. „Wird recyceltes Aluminium eingesetzt, könnten die Materialkosten um einiges gesenkt werden.“ Dank HFQ-Technologie steht die Verkehrsmittelproduktion an der Spitze eines grünen Paradigmenwechsels, dem schon bald weitere Industriezweige folgen werden.
Schlüsselbegriffe
Automobilherstellung, Fahrzeugbau, Aluminiumlegierungen, Warmumformen, Lösungsglühen, HFQ, Lösungs-Wärmebehandlung, Kaltumformen und Quenching