Gehirn inspirierte Navigation für Roboter
Wenn es darum geht, mit exakt instruierten Algorithmen und innerhalb kürzester Zeit große Mengen an Informationen zu verarbeiten, sind uns Computer zweifellos einen Schritt voraus. Bis heute können sie aber mehrdeutige und unvorhersehbare Daten nicht effizient berechnen: Für diese Aufgabe muss der Algorithmus ständig aktualisiert werden, wozu nur das menschliche Gehirn effizient in der Lage ist – immerhin sagt man, es ist 30-mal stärker als der beste Computer-Chip. Eines der besten Beispiele für diese Einschränkung bei Computern ist die Navigation. Während uns unser Gehirn leicht durch sich dynamisch verändernde Umgebungen navigieren kann, schneiden "simultane Lokalisierungs- und Mapping-Systeme" (SLAMS) im Vergleich schlechter ab, vor allem wenn man die enorme Menge an für den Prozess nötigen Berechnungen und Speichervolumina berücksichtigt. "In herkömmlichen Computern läuft ein Großteil dieses Prozesses seriell ab, das heißt, dass der Computer eine Sache nach der anderen macht", sagt Dr. Edvard Moser, Koordinator des EU-geförderten Projekts GRIDMAP (Grid cells: From brains to technical implementation). "Dagegen laufen im Gehirn viele Prozesse zur gleichen Zeit ab und alles ist interaktiv: Wenn in einer Region des Gehirns etwas geschieht, wird dabei berücksichtigt, was zur gleichen Zeit in einer anderen Region vor sich geht." Und genau hier kommt Dr. Mosers am meisten dokumentierte Entdeckung ins Spiel. Im Jahr 2005 entdeckten er und sein Team am Centre for the Biology of Memory (CBM) in Norwegen Gitterzellen, eine Art von Neuronen im Gehirn vieler Tierarten, mit denen sie ihre Position im Raum erfassen können. Die wichtigste Prämisse von GRIDMAP besteht darin, dass dieser Prozess erforscht, in Algorithmen übersetzt und in Maschinen integriert werden kann, um eine hirnähnliche Navigation in komplexen Umgebungen zu ermöglichen. "Wir wollten mehr darüber wissen, wie das Gehirn funktioniert", erinnert sich Dr. Moser. "Angefangen haben wir mit der Erforschung des Gehirns. Dabei sind wir davon ausgegangen, dass seine Prozesse auch in Computern – und vor allem Robotern – verwendet werden könnten. Wenn wir mehr über die Mechanismen der Gehirnnavigation wissen könnten und darüber, welche Arten von Zellen beteiligt sind und wie sie zusammenarbeiten, so unsere Idee, könnten diese Erkenntnisse von Ingenieuren, die künstliche Systeme wie etwa Roboter produzieren, verwendet werden, um in ihren Bemühungen voranzukommen." In der ersten Phase konzentrierte sich das Team auf die Frage, wie die Gitterzellen zusammenarbeiten. "Wenn sich beispielsweise eine Ratte in einem Kasten mit einer Fläche von 2 Quadratmetern bewegt, sind ihre Gehirnzellen möglicherweise an 10 bis 12 verschiedenen Stellen aktiv. Ab hier läuft ein komplexer Prozess ab, an dem viel Physik beteiligt ist. Aber wesentlich ist, dass diese aktiven Zellen miteinander konkurrieren und dass das Aktivitätsmuster ein Ergebnis dieses Wettbewerbs ist. Dieses Resultat setzt sich durch, weil es das stabilste Muster ist", erklärt Dr. Moser. Seit Beginn des Projekts im März 2013 verwendete das Team ein Messwerkzeug, um diesen Prozess besser zu verstehen. Die Forscher zeichneten die elektrische Aktivität von tierischen Gehirnzellen mit Elektronen auf, die laufende elektrische Aktivitäten erfassen, ohne die Zelle zu schädigen. Danach wurden diese Informationen auf einen Computer übertragen, um zu bestimmen, wie die Zellen zusammenarbeiten, um eine Karte der Umgebung des Tieres zu erstellen. "Für diese Arbeit arbeiten wir mit Informatikspezialisten zusammen, um Modelle für diese Funktionsweise zu entwickeln. Bei diesen Modellen handelt es sich im Grunde um Prognosen, also prüfen wir, ob diese Vorhersagen richtig sind, und passen dann, je nach Ergebnis, die Modelle an", sagt Dr. Moser. Vom Gehirn zur Maschine Dieser lange Forschungsprozess, der ursprünglich im August 2016 abgeschlossen sein sollte, wird mindestens ein weiteres Jahr dauern. Dr. Moser und seinem Team wurde vor Kurzem eine einjährige Verlängerung für GRIDMAP genehmigt, was ihnen genug Zeit gibt, die technische Umsetzungsphase erfolgreich durchzuführen. "Wir versuchen zurzeit, Konnektivitäsmuster in Computern zu implementieren, ähnlich wie die, die wir im Gehirn beobachten konnten. Dann wollen wir sehen, ob dies eine robuste Navigation bei Roboter möglich macht. Aber wenn wir genau verstehen wollen, wie das Gehirn funktioniert und wie diese Mechanismen in Maschinen implementiert werden können, liegt noch viel Arbeit vor uns", erklärt Dr. Moser. "Was wir brauchen, ist eine technische Umsetzung einer Situation, bei der ein Roboter sich in einer Umgebung orientieren kann, wo viele unerwartete Dinge passieren. Zum Beispiel muss er eine improvisierte Abkürzung nehmen, um einem Hindernis in einer unbekannten Umgebung auszuweichen. Wir betrachten solche Situationen auch bei Tieren, aber noch ist es schwer herauszufinden. Außerdem ist der Fortschritt in der biologischen Forschung viel langsamer als es die Roboterindustrie vielleicht erwartet. Ich glaube, sich von biologischen Prozessen inspirieren zu lassen, ist der richtige Weg, aber das dauert seine Zeit." Dr. Moser und sein Team haben vor Kurzem damit begonnen, die von ihnen an Gehirnen beobachteten Prinzipien an Computern umzusetzen. Zwar sind die Ergebnisse ihm zufolge bereits vielversprechend, aber er gibt zu, dass der Punkt, an dem GRIDMAP in kommerzielle Produkte übersetzt werden kann, noch lange nicht erreicht ist. Die Forschung wird wohl auch nach Ende des Projekts noch fortgesetzt werden, aber er glaubt, dass sich dies schließlich lohnen wird: Navigation ist eine der Eigenschaften, an denen die Roboterindustrie am meisten interessiert ist, und GRIDMAP schafft mehr Potenzial als jede andere Option.
Schlüsselbegriffe
hirninspirierte Navigation, Robotik, SLAMS