Die „Black Box“ von Rastersondenmikroskopen der nächsten Generation entschlüsseln
Seit der Erfindung des Rastersondenmikroskops im Jahr 1981, das von vielen als das Geburtsjahr der Nanowissenschaft betrachtet wird, gibt es mittlerweile einen prosperierenden Markt für Rastersondeninstrumente. Mit diesen Instrumenten kann auf der Nanoebene Großes erreicht werden. Einzelne chemische Verbindungen können beispielsweise bestimmt, deren Eigenschaften gemessen und deren räumliche Symmetrie genutzt werden. Laut Professor Philip Moriarty, dem Koordinator des EU-finanzierten Projekts ACRITAS, bedeutet diese momentane breite Verfügbarkeit kommerzieller Instrumente, dass die „Rastersondenmikroskopie (SPM) in gewisser Weise zu einem Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden ist.“ Dem Professor zufolge wird die SPM oftmals einfach mit routinemäßiger Bildgebung und Charakterisierung gleichgesetzt, was dazu führe, dass die Technik als „Black Box“ behandelt würde, von deren Funktionsprinzipien, theoretischen Grundlagen und Einschränkungen Benutzer lediglich ein oberflächliches Verständnis hätten. ACRITAS wurde eingerichtet, um diese „Black Box“ über die Förderung disziplinübergreifender Schulungen für und über Innovationen durch junge Forscher zu entschlüsseln. Den Stand der Technik im Bereich der Rastersondenmikroskopie neu definieren Bei der Skizzierung der Ziele der ACRITAS-Forschung erklärt Prof. Moriarty: „Die Rastersondentechnik ist bei vielen Artefakten und experimentellen Herausforderungen anfällig. Dennoch wird diesen Daten oftmals aufgrund eines mangelhaften Verständnisses der zugrundeliegenden Prozesse widerspruchslos vertraut. Ein wichtiges Ziel des ACRITAS-Netzes war die Ausbildung einer neuen Generation an SPM-Forschern, die mit den Unwägbarkeiten der Technik gut vertraut sind.“ Zur Schaffung eines spannenden und herausfordernden SPM-Trainingsumfelds wurden im Zuge von ACRITAS bislang getrennte Gemeinschaften von Rastersondenmikroskopikern und Theoretikern zusammengeführt. Dies waren einerseits Physiker, deren Forschung unter extremen Bedingungen (Ultrahochvakuum, kryogene Temperaturen) durchgeführt wird, und andererseits Teams von Biowissenschaftlern, die sich auf die Wechselwirkung und Regulierung in biologisch relevanten Umgebungen fokussieren. Obwohl die gleichen experimentellen Techniken angewandt werden, war die Kommunikation zwischen beiden Gruppen seit jeher sehr begrenzt. Während Prof. Moriarty den Wert dieser Kooperationsstrategie erklärt, hebt er hervor: „Als Sondenmikroskopiker, deren Forschung von Ultrahochvakuum (UHV)- und Niedertemperaturbedingungen abhängt, können wir viel von unseren Kollegen lernen, die in weitaus weniger reglementierten und weniger toleranten Umgebungen arbeiten.“ Das Gespräch zwischen diesen Gemeinschaften hat zu einer weitaus höheren Anerkennung der zu überwindenden Herausforderungen in Bezug auf die SPM-Instrumente und -Datenanalyse geführt. Die Zusammenfassung von Prof. Moriarty: „Die Zusammenführung beider Gruppen hat zur Schaffung eines einzigartigen Ausbildungsprogramms in einem Gebiet geführt, das die Grundlage für große Teile der Wissenschaft des 21. Jahrhunderts darstellt .“ Die Vorteile des Projekts unter dem Mikroskop Einer der größten Engpässe der SPM-Technik ist deren Abhängigkeit von dem Zustand der Rastersondenspitze, wobei die letzten Atome an der Spitze der Sonde darüber bestimmen, wie das Mikroskop funktioniert. Im Zuge von ACRITAS wurden bereits zahlreiche Erkenntnisse darüber gesammelt, wie die Sonde besser gesteuert, gestaltet und umgestaltet werden kann. Um den Prozess zuverlässiger zu machen, legte das Team allerdings den Grundstein für eine letztliche Automatisierung des Verfahrens. Mithilfe von Maschinenlernen wird damit gerechnet, dass über einen Rastersonden-Controller zwischen guten und schlechten Bildern unterschieden werden kann, ohne dass ein menschlicher Bediener erforderlich wäre. Darüber hinaus sind die wichtigsten Erkenntnisse des Projekts zu den Mechanismen der Proteinfaltung und zu Sonde-Zelle-Interaktionen interessante Themen im Bereich der Biomedizin und Pharmazie. Noch weiter vorausschauend vermutet Prof. Moriarty: „Letztlich könnte man sich die Frage stellen, ob eine dem 3D-Druck verwandte Technologie im Zusammenhang mit Atomen möglich ist?“ Trotz dieser praktischen Vorteile spricht sich Prof. Moriarty im Hinblick auf die Erweiterung der Wissensgrenzen für wissenschaftliche Grundlagenforschung aus, die für sich genommen einen Wert darstelle. Prof. Moriarty schlussfolgert: „Es gibt viele Gründe dafür, Forschung über den kommerziellen und industriellen Nutzen hinaus zu betreiben. Die disziplinübergreifende Natur von ACRITAS bedeutete, dass die Grenze zwischen Biowissenschaft und Physik verschwamm und in diesem Raum finden die echten Innovationen statt.“
Schlüsselbegriffe
ACRITAS, Nanowissenschaft, Rastersondenmikroskopie, submolekular, subatomar, Atom, Mikroskop,