Enthüllung der Geheimnisse der Tropfenbewegung
Wie bewegen sich Wassertropfen auf Oberflächen? Die Frage klingt einfach, doch tatsächlich ist noch immer nicht ganz klar, welche Kräfte auf sie einwirken. Neue Bestrebungen, Strom aus sich bewegenden Tropfen zu gewinnen, heben die Notwendigkeit hervor, diese Wissenslücke zu schließen. Jetzt hat zum Teil vom EU-finanzierten Projekt DynaMo unterstützte Forschung ergeben, dass die Bewegung der Tropfen nicht nur, wie bisher angenommen, durch die Oberflächenenergie und viskose Reibung – also die Reibung zwischen den einzelnen Wassermolekülen im Tropfen – beeinflusst wird. Anscheinend spielt auch die Elektrostatik eine bedeutende Rolle. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ veröffentlicht. „Bis jetzt ging man davon aus, dass die Oberflächenbeschichtung dafür verantwortlich ist, wie sich der Tropfen auf einer Fläche bewegt – also die ersten paar Moleküllagen“, sagt Prof. Hans-Jürgen Butt vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Deutschland in einer Pressemitteilung auf „Phys.org“. Es war bekannt, dass dies gemeinsam mit der viskosen Reibung innerhalb eines sich bewegenden Tropfens die Fortbewegung des Tropfens beeinflusst.
Beweise für eine fehlende Kraft
Doch ein einfaches Experiment der Forschenden zeigte, dass die Bewegung der Tropfen anhand dieser Kräfte allein nicht genau bestimmt werden kann. Das erste Anzeichen, das sie beobachteten, waren unterschiedliche Geschwindigkeiten auf Oberflächen mit gleichen Beschichtungen, aber Substraten mit unterschiedlicher Leitfähigkeit und Dicke. Die Wassertropfen bewegten sich auf Goldoberflächen mit einer Einfachbeschichtung aus Perfluor-Dodecanethiol oder Teflon schneller als auf Oberflächen aus Siliziumdioxid (SiO2) mit einer Beschichtung aus Perfluoro-Octadecyltrichlorosilan. Das zweite Anzeichen war, dass die Fortbewegungsgeschwindigkeit von mehreren Tropfen auf einer bestimmten Oberfläche von der Tropfenanzahl abhängt, also von vorherigen Abläufen auf der Oberfläche. Der 50. Tropfen auf einer Platte aus SiO2 mit Perfluoro-Octadecyltrichlorosilan-Beschichtung ist zum Beispiel schneller als der erste. Was könnte also die fehlende Kraft sein? „Ich habe die Tropfen auf verschiedenen Substraten gefilmt, aus ihrer Bewegung Geschwindigkeitsprofile und Beschleunigungsprofile erstellt, die bereits bekannten Kräfte herausgerechnet und daraus wiederum die Kraft kalkuliert, die wir bislang noch nicht im Blick hatten“, erklärt die Erstautorin der Studie, Xiaomei Li, Doktorandin am Max-Planck-Institut für Polymerforschung. Anhand ihrer Beobachtungen folgerte das Team, dass die fehlende Kraft Elektrostatik sein muss. Die berechnete Kraft stimmt mit einer elektrostatischen Kraft überein, die die Forschenden in einem früheren Modell beschrieben haben. „Indem wir die experimentellen Ergebnisse mit diesem numerischen Modell vergleichen, können wir zuvor verwirrende Tropfenbahnen erklären“, sagt Prof. Stefan Weber vom gleichen Institut. Rutschen zuvor neutrale Tröpfchen über einen Isolator, können sie sich elektrisch aufladen. Auf einem elektrisch leitenden Substrat dagegen gibt der Tropfen seine Ladung umgehend wieder an das Substrat ab. „Die elektrostatische Kraft, die zuvor niemand im Blick hatte, hat also einen großen Einfluss: Sie muss für Wasser, wässrige Elektrolyte und Ethylenglykol auf allen getesteten hydrophoben Oberflächen berücksichtigt werden“, fasst Weber zusammen. Die Ergebnisse der durch DynaMo (Dynamic charging at moving contact lines) unterstützten Studie könnten die Kontrolle der Tröpfchenbewegung in vielen Anwendungen verbessern angefangen vom Drucken über die Mikrofluidik oder das Wassermanagement bis hin zu Tröpfchen-basierten Minigeneratoren. Weitere Informationen: DynaMo-Projekt
Schlüsselbegriffe
DynaMo, Wasser, Tropfen, Oberfläche, Kraft, Bewegung, Elektrostatik, Substrat