Wie lässt sich die Verbreitung von Keimen im Krankenhaus verhindern?
Infektionen, die durch Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und einige Parasiten, insbesondere multiresistente Erreger, ausgelöst werden, stellen weltweit eine immense Bedrohung für die Gesundheit dar. Kommen sie in Krankenhäusern vor, steigt die Sterblichkeitsrate, Patienten leiden und die Kosten für die Gesundheitsfürsorge nehmen zu. Im EU-finanzierten Projekt FLEXPOL (Antimicrobial FLEXible POLymers for its use in hospital environments) wurde nun eine Lösung dafür entwickelt: eine Kombination von Materialien und Oberflächenstrukturen ermöglicht neue Arten der Sterilisation. Das Projektteam hat eine dreischichtige Klebefolie aus Polypropylen (PP) hergestellt, einem Werkstoff, der häufig in Lebensmittelverpackungen zum Einsatz kommt. Projektmanager Maximilian Kosel vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) erklärt die Technologie in einer Pressemeldung auf der Onlineplattform „Open Access Government“ so: „Die Außenschichten der Folie bestehen für maximale Abriebfestigkeit aus einem hochsteifen PP-Material, aber die innere Schicht besteht aus einer PP-Sorte, durch die aktive Substanzen in den Film eingebracht werden können.“ Bei diesen aktiven Substanzen, die kontrolliert abgegeben werden, handelt es sich um ätherische Öle mit hoher antimikrobieller Wirkung aus natürlichen Ressourcen wie Oregano oder Thymian. Die oberste Schicht besteht aus einer Kombination aus Mikro- und Nanostrukturen, die der Lotuspflanze nachempfunden sind, deren Blätter selbstreinigende Eigenschaften haben. Die FLEXPOL-Partner haben das Material so entwickelt, dass sich keine Wasseransammlungen bilden können, sodass Bakterien am Wachstum gehindert werden. „Durch die Kombination von Mikrosäulen und Nanospikes (schwarzes Silizium) ergeben sich sehr große Wasserkontaktwinkel. Die Oberfläche verhält sich dadurch hochgradig hydrophob und es entsteht ein ‚Lotuseffekt‘. Da Bakterien ein Medium brauchen, in dem sie wachsen können, sorgt fehlendes Wasser quasi dafür, dass die Mikroorganismen weder wachsen noch sich auf der Oberfläche ausbreiten können.“ Kosel ergänzt: „Schon bevor die Öle in der Innenschicht dazu kamen wurde nachgewiesen, dass die Struktur allein bereits starke antimikrobielle Eigenschaften besitzt, da sie in einem Test die Zahl von Escherichia-coli-Bakterien (E. coli) innerhalb von 90 Minuten um 90 % senken konnte.“ Das Projektteam geht davon aus, dass weniger Antibiotika zum Einsatz kommen, wenn in Krankenhäusern weniger Infektionen übertragen werden, und somit die gefährlich wachsende Zahl von multiresistenten Bakterien bekämpft wird. Das Material bietet mit seiner guten Widerstandsfähigkeit dauerhaften Schutz auf Oberflächen, die häufig berührt werden, sodass Hygiene und Patientensicherheit garantiert und weniger Desinfektionsmittel nötig sind. Viele Anwendungsmöglichkeiten Das Projekt FLEXPOL ist auf drei Jahre ausgelegt und läuft noch bis Ende 2019. Neben dem Gesundheitswesen sehen die Projektpartner Anwendungsfelder im öffentlichen Nahverkehr, bei Verbrauchsgütern und im Bauwesen. Das FLEXPOL-Material könnte beispielsweise zur Sterilisation von Oberflächen in Bussen oder Flugzeugen genutzt werden oder auch in den öffentlichen Toiletten von Verkehrsdrehscheiben und Flughäfen. Der Projektwebsite zufolge könnten auch Hersteller einer Vielzahl von Produkten vom Smartphone oder Tablet bis hin zu Spielzeug oder Verpackungen von Lebensmitteln und Getränken von der antibakteriellen Folie von FLEXPOL profitieren. Alle im Rahmen von FLEXPOL entwickelten Materialien, Strukturen und Verfahren wurden bereits im Labor getestet. Nach Aussagen des Projektteams steht FLEXPOL kurz vor der Markteinführung. „Eine abschließende Validierung in einer Krankenhausumgebung wird die Wirksamkeit der Folie unter realen Bedingungen nachweisen“, heißt es in der Pressemeldung. Weitere Informationen: FLEXPOL-Projektwebsite
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