Bessere Diagnose psychischer Störungen dank virtueller Realität
Egal bei welcher Krankheit oder welchem gesundheitlichen Problem, eine Diagnosestellung ist für Patienten nie eine sehr angenehme Erfahrung. Bei Verdacht auf eine psychische Störung muss man sich zum Beispiel Scans und allen möglichen Tests unterziehen, um herauszufinden wie der Stand der Dinge ist und welche Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden sollten. Neben der Angst vor dem Ergebnis ist das oft eine unangenehme und stressige Erfahrung. Hier kommt Nesplora Technology and Behaviour mit seinen VR-basierten Bewertungstools für psychische Störungen ins Spiel: Eine Kombination von VR-Brille und Kopfhörern, mit denen der Patient in eine virtuelle Umgebung versetzt wird. Die Reaktion auf Reize und die Fähigkeit, in dieser Umgebung bestimmte Aufgaben zu lösen, liefern unmittelbar eine Diagnose und geben den Medizinern genügend Informationen, um die bestmögliche Behandlungsoption auszuwählen. Gema Climent, CIO bei Nesplora Technology and Behaviour, spricht über die Technologie im Projekt VRMIND („Virtual Reality based Evaluation of Mental Disorders“) und die aktuellen und zukünftigen Vorhaben des Unternehmens. Welche Vorteile hat VR bei der Bewertung von Gehirnerkrankungen? Einerseits erlauben neue Technologien die Bewertung kognitiver Prozesse mit einer Objektivität, die traditionelle Tests mit Zettel und Stift niemals erreichen können. Wir sind uns bewusst, dass wir jeden Moment messen und er für eine spätere Interpretation aufgezeichnet wird. Genauer gesagt ist der Mehrwert von VR ihre ökologische Validität, also die Fähigkeit eines Instruments, den tatsächlichen Zustand eines Patienten im echten Leben widerzuspiegeln. Diese fließt hier in die neuropsychologische Bewertung ein. Indem wir kognitive Funktionen in einer simulierten lebensechten Umgebung evaluieren, können wir präziser voraussagen wie das Gehirn des Patienten funktioniert. Dann können wir die Ergebnisse einer objektiven Evaluation auf eine Umgebung der echten Welt übertragen. Erzählen Sie uns bitte mehr über die verschiedenen Instrumente, die Sie entwickelt haben. Bisher haben wir ein Instrument entwickelt und auf den Markt gebracht, das Aufmerksamkeitsprozesse von Kindern zwischen sechs und 16 Jahren anhand von Aufgaben evaluiert, die in einem virtuellen Klassenzimmer gelöst werden. Dieses Instrument heißt Nesplora Aula. Dann haben wir noch eine Variante davon, Nesplora Aula School, bei dem nicht so sehr die klinischen, sondern die pädagogischen Fragen im Mittelpunkt stehen. Damit sollen die Stärken der Schüler in Sachen Aufmerksamkeit bestimmt werden, um ihren Lernprozess zu unterstützen. Nesplora Aquarium zielt wiederum auf Erwachsene ab, deren Aufmerksamkeitsprozesse und Arbeitsgedächtnis evaluiert werden sollen. In diesem Fall nimmt die Umgebung die Form eines Aquariums an, in dem die Person verschiedene Aufgaben löst. Aktuell entwickeln wir zwei weitere Bewertungsinstrumente für Patienten über 16 Jahren. Mit Nesplora Ice Cream werden durch Übungen in einer virtuellen Eisdiele exekutive Funktionen evaluiert. Im Gegensatz dazu geht es bei Nesplora Suite um die Evaluierung von Gedächtnisprozessen. Dazu wird der Patient in ein Möbelgeschäft versetzt. Inwiefern lassen sich diese Lösungen mit anderen diagnostischen Ansätzen wie zum Beispiel Neuroimaging integrieren oder vergleichen? Um eine Diagnose zu erstellen, arbeitet ein Mediziner normalerweise mit Tests und Kriterien verschiedenster Art. Im Bereich der psychischen Gesundheit können wir je nach der jeweiligen Störung auf neuropsychologische Tests, Techniken des Neuroimaging, eher psychologisch ausgerichtete Tests usw. zurückgreifen. Das Gute an dieser Vielfalt von Techniken ist, dass sie sich gegenseitig ergänzen können. Daraus ergeben sich verschiedene Informationen, mit denen die Diagnose präziser wird. Neuroimaging, um mal Ihr Beispiel aufzugreifen, wird bei Demenz sehr häufig mit neuropsychologischen Tests ergänzt. Das hilft dem Mediziner dabei, den Demenztyp des Patienten zu bestimmen, der sowohl durch das wahrscheinlich betroffene Gehirnareal als auch die kognitiven Funktionen definiert wird, bei denen sich Veränderungen zeigen. Haben Sie die Technologe bereits getestet und wenn ja, welche Ergebnisse haben die Tests geliefert? Alle Instrumente, die wir bei Nesplora Technology and Behaviour entwickeln, haben ein wissenschaftliches Fundament. Wir haben verschiedene Studien durchgeführt, um sie wissenschaftlich zu validieren. Zum einen arbeiten wir mit normativen Untersuchungen, mit denen wir für jede Alters- und Geschlechtergruppe die Normalverteilung bestimmen können. Somit können wir dann die Ergebnisse eines Patienten mit denen seiner Referenzgruppe vergleichen, um herauszufinden, ob er im Durchschnitt liegt oder eben im Gegenteil davon abweicht. Wir haben umfangreiche Stichproben, die bei diesen Untersuchungen belastbare Ergebnisse ermöglichen. Für Nesplora Aula haben wir Skalen für jedes Geschlecht in den folgenden Altersgruppen erstellt: 6-7, 7-8, 9-10, 11-12 und 12-14. Bei Nesplora Aquarium haben wir für jedes Geschlecht drei verschiedene Altersgruppen ermittelt: 16-40, 41-60 und über 61. In beiden Fällen stimmen die gefundenen Ergebnisse mit der Theorie überein. Zum anderen führen wir auch klinische Studien durch, die untersuchen wie trennscharf zwischen verschiedenen Störungen und ihren Subtypen unterschieden werden kann. Bei Nesplora Aula ging es um Patienten mit ADHS und anderen Entwicklungsstörungen des Nervensystems. In Konvergenzuntersuchungen haben wir aber auch versucht, unsere Tests mit anderen zu vergleichen, die bisher als Referenz genutzt wurden. Wir sind noch mitten in der Entwicklung dieser zwei Untersuchungstypen für Nesplora Aquarium, weil dieses Instrument noch sehr jung ist. Wie war das bisherige Feedback aus der Praxis? Es ist wirklich so, dass wir in vielen Fällen eine gewisse Zurückhaltung bei den Fachleuten gespürt haben, neue Technologien in ihren „Werkzeugkasten“ aufzunehmen. Diese erste Hürde entsteht aus einem Mangel an Wissen, aber sobald sie unsere Instrumente kennenlernen, wird das Feedback, das wir bekommen, äußerst positiv. Die häufigsten Kommentare beziehen sich auf die Geschwindigkeit, mit der die Tests angewandt werden und wie leicht das geht. Außerdem ist für unsere Kunden sehr wichtig, dass die Patienten das Instrument gut annehmen, da virtuelle Umgebungen unsere Instrumente attraktiver machen und die Motivation für eine Evaluation steigern. Was sind Ihre Pläne für die Kommerzialisierung? Wir wollen über die professionellen Kanäle der Neuropsychologie, Psychiatrie und Neurologie eine weltweite Demokratisierung unserer Produkte erreichen. Unser Kundensegment liegt im klinischen Bereich, hauptsächlich der Kreis professioneller Neurowissenschaftler, aber auch Krankenhäuser, Pharmaunternehmen, Versicherungsgesellschaften usw. Es gibt noch eine Branche, die die Reichweite unseres Unternehmens extrem erweitern wird, und wir wollen mit neuen Produkten an sie herantreten, die wir bald auf den Markt bringen. Weitere Informationen: Projektwebsite
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