Adipöse berücksichtigen bei Wahl der Portionsgröße seltener die nächste Mahlzeit
Die Entscheidung, was wir essen, wie viel wir essen und wann wir essen, ist mit vielen gegensätzlichen Bedürfnissen und Folgen verbunden. Daher ist das Treffen gesunder Entscheidungen oft schwierig, und Adipositas bleibt in Europa auch weiterhin ein ernstes gesundheitliches Problem – fast jeder sechste Erwachsene in der EU und mehr als 20 % im Vereinigten Königreich werden als adipös eingestuft (Eurostat). Eine schlechte Ernährung wird durch viele Faktoren bedingt, die von kulturellen, sozialen, kognitiven und familiären Einflüssen bis hin zu genetischen und epigenetischen Eigenschaften reichen. Dank einer Studie, die an der Universität Bristol (einem Konsortiumsmitglied) durchgeführt wurde, erkannten die Forscher eine weitere wichtige Eigenschaft: Personen mit einem hohen Body-Mass-Index (BMI) von 30 oder mehr tendieren dazu, den voraussichtlichen Zeitpunkt der nächsten Mahlzeit außer Acht zu lassen, wenn sie die Größe ihrer Portion bestimmen, wohingegen Menschen mit niedrigerem BMI dies tendenziell nicht tun. „Die zeitliche Koordinierung und Planung von Mahlzeiten ist bei der Erforschung von Adipositas von besonderer Bedeutung. Diese Erkenntnisse sind interessant, da sie erstmals vor Augen führen, dass bei der Planung der Mahlzeiten manche Informationen ausgeblendet werden und dass Menschen mit Adipositas beim Treffen ihrer Entscheidungen hierfür anfällig sein könnten“, sagte Annie Zimmerman, Doktorandin und Hauptautorin der Studie. In der Psychologie ist beim Umgang mit Geld ein Phänomen bekannt, bei dem etwas immer unwichtiger erscheint, je weiter es in der Zukunft liegt. Nun konnten die Forscher jedoch erstmals beobachten, wie als adipös eingestufte Menschen Informationen über den Zeitpunkt zukünftiger Mahlzeiten vernachlässigten und eher impulsiv handelten, wobei sie zukünftige positive wie negative Konsequenzen ausblendeten. Die Probanden wurden gebeten, sich an einem Computer mit einigen Aufgaben auseinanderzusetzen und beispielsweise eine Portionsgröße auszuwählen, nachdem sie informiert wurden, wie viel später die nächste Mahlzeit folgen würde (dieser Zeitraum konnte bis zu acht Stunden betragen). „Die Ergebnisse stehen mit der Vorstellung in Einklang, dass die Wahl zu großer Portionen damit verbunden ist, nur die Gegenwart zu berücksichtigen und die Konsequenzen der Entscheidung auszublenden. Diese neue Erkenntnis könnte dazu beitragen, zu erklären, warum Übergewicht mit in unregelmäßigen Abständen erfolgenden Mahlzeiten in Verbindung steht. Dies könnte wiederum zu gezielten Maßnahmen führen, um eine vorausschauende Planung von Mahlzeiten zu fördern“, betonte Zimmerman. Anhand dieser Ergebnisse können die hinter unseren ernährungsbezogenen Entscheidungen stehenden Prozesse genauer verstanden werden. In einer Welt, in der ernährungsbedingte Erkrankungen wie Adipositas um sich greifen und unsere Entscheidungen von zahlreichen Faktoren abhängen, wird es immer wichtiger, der Politik passende Modelle zu Essgewohnheiten bereitzustellen. Neben der Vertiefung des Wissens über die Faktoren, die unsere Nahrungswahl beeinflussen, ist es jedoch auch wichtig, „die Rolle, die das Ausblenden von Mahlzeiten beim Essverhalten spielt, sowie die Zusammenhänge mit Adipositas zu verstehen, wozu wir ein komplexes Modell entwickeln müssen“, erklärte Zimmerman. Das Projekt NUDGE-IT wird im Dezember 2018 abgeschlossen, wurde mit knapp 9 Millionen EUR gefördert und bezieht international führende Experten verschiedener Disziplinen ein, um innovative Mittel zu entwickeln, um die bei ernährungsbezogenen Entscheidungen ablaufenden Prozesse besser zu verstehen und die Gesundheitspolitik mit prädiktiven Modellen zu unterstützen. Weitere Informationen: Projektwebsite
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