Ein innovatives Ultrakurzzeit-Röntgenverfahren
Deutsche Forscher versuchen derzeit, mithilfe einer neuartigen, kompakten Quelle für harte Röntgenstrahlen wichtige Fragen der Strukturbiologie zu klären. Bis heute konnten Elektronenstrahlen mit ultrakurzer Pulslänge, die in der wissenschaftlichen Bildgebung zu vielerlei Zwecken angewendet werden, nur mit teuren Geräten mit hohem Energiebedarf erzeugt werden, die in etwa so groß sind wie ein PKW. Ein Forschungsteam am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA entwickelte nun ein Gerät von der Größe einer Streichholzschachtel, das sowohl in der akademischen Welt als auch in der Industrie eine ganze Reihe neuer Anwendungen ermöglichen könnte. Im Rahmen des EU-geförderten Projekts AXSIS (Attosecond X-ray Science: Imaging and Spectroscopy) nutzt das DESY-Team dieses Gerät nun in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg als Photoinjektor für einen Frei-Elektronen-Attosekundenlaser, der ausreichend kompakt ist, um ihn auf einem Schreibtisch betreiben zu können. Mit diesem zeichnen sie kurze Sequenzen chemischer, physikalischer und, vor allem, biologischer Prozesse auf. Das Leben ist niemals statisch, und viele der wichtigsten Reaktionen in der Chemie und Biologie werden durch Lichteinstrahlung ausgelöst und laufen, so die Forscher, in winzigsten Zeiträumen ab. Diese Reaktionen wurden mit hoher zeitlicher Auflösung analysiert, in erster Linie mithilfe Ultrakurzzeit-Laserspektroskopie – doch damit wird die gewaltige Komplexität der Vorgänge allerdings auf einige wenige Reaktionskoordinaten reduziert. Revolutionierung unseres Wissens Das AXSIS-Team entwickelte unter der Leitung von Franz Kaertner, Professor für Physik an der Universität Hamburg, Verfahren für serielle Attosekunden-Kristallografie und -Spektroskopie, mit denen die ultraschnell ablaufenden Prozesse auf atomarer und elektronischer Ebene vollständig beschrieben werden können. Die Forscher sind der Ansicht, dass dieses neue Verfahren unser Verständnis von Struktur und Funktion auf atomarer und molekularer Ebene revolutionieren und dazu beitragen wird, die Geheimnisse der grundlegendsten chemischen und biologischen Prozesse zu lüften. Bei dem Verfahren wird eine vollständig kohärente Attosekunden-Röntgenquelle eingesetzt, die auf kohärenter inverser Compton-Streuung durch einen Freie-Elektronen-Kristall basiert und im Rahmen des Projekts entwickelt wurde. So werden die Strahlungsschäden minimiert, die durch die starke Röntgenbestrahlung entstehen, die erforderlich ist, um Diffraktionssignale erfassen zu können. Optimierung der Instrumente Das Team nutzt diesen Vorteil zudem, um die gesamte Instrumentierung für die Messung grundlegender Werte – der Lichtabsorption und der Übertragung der Anregungsenergie – zu optimieren. Dies umfasst auch die Röntgenpulsparameter in Zusammenhang mit den Proben und der Kristallgröße sowie fortschrittliche Röntgendetektoren. Das übergeordnete Ziel besteht darin, mithilfe der neuen Möglichkeiten einige der grundlegenden Probleme der Biologie zu untersuchen, etwa die Dynamik der Lichtreaktionen, des Elektronentransfers und der Proteinstruktur während der Photosynthese. Die AXSIS-Forscher veröffentlichten ihre Erkenntnisse kürzlich in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Optica“. Das Projekt erhielt EU-Fördermittel in Höhe von rund 14 Mio. EUR und soll im Juli 2020 abgeschlossen werden. Weitere Informationen: CORDIS-Projektseite
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