Neue Erkenntnisse über einen oft vernachlässigten Zeitraum in der Geschichte des Islam
Laut den meisten Geschichtsbüchern endete die Blütezeit des Islam Mitte des 13. Jahrhunderts, als die Mongolen den Nahen Osten eroberten. Obwohl die Islamische Welt ihr Goldenes Zeitalter da bereits hinter sich hatte und stetig an Macht verlor, gilt diese Eroberung als das endgültige Aus dieser Ära. Ende der Geschichte. Oder etwa doch nicht? Laut den Forschern des EU-geförderten Projekts IMPACT bedeutete der mongolische Einfluss auf den Nahen Osten bei Weitem nicht nur das Ende des abbasidischen Kalifats in Bagdad. Vielmehr stellt er den Beginn eines langen Zeitalters der Aufklärung dar, in dem muslimische Philosophen den Islam, angesichts der sich grundlegend verändernden soziopolitischen Gegebenheiten, von Grund auf neu definierten. Trotz der wesentlichen sich vollziehenden Veränderungen bleiben die Jahrhunderte ab der Auflösung des abbasidischen Kalifats bis zur Gründung der frühen modernen Regionalstaaten der Osmanen, Safawiden und Moguln einer der am wenigsten erforschten Zeiträume in der Region zwischen dem Nil und dem Amudarja. Auf dieses Bindeglied der Geschichte war das IMPACT-Projekt konzentriert. Gemeinschaftliche Forschungsarbeit Da neben dem Arabischen auch Persisch und Türkisch als Schriftsprache aufkamen, ist weit gefächertes Sprachwissen erforderlich, um die in dieser Zeit verfassten Texte untersuchen zu können, wodurch die Erforschung des 13. bis 16. Jahrhunderts zu einer Herausforderung wird. „Daher werden die meisten Texte aus diesem Zeitraum nicht veröffentlicht, und hier setzt unser Forschungsprojekt an“, sagt Projektleiterin Judith Pfeiffer. „Unser Ziel bestand darin, das aktuell in Europa, dem Nahen Osten und Nordamerika sehr fragmentierte Fachwissen zu konsolidieren.“ Zu diesem Zweck arbeiteten die Projektmitglieder eng mit den Forschern anderer, ähnlicher Projekte zusammen, wodurch oft Experten im Rahmen internationaler Workshops und Konferenzen zusammenkamen. Ein weiteres unserer Ziele bestand darin, mit Nachwuchsforscher zu arbeiten und sie zu motivieren, indem wir sie mit Reisezuschüssen ausstatteten und Forschungsstellen für Postdoktoranden schufen. Durch die Bearbeitung und Übersetzung wichtiger Texte und die Veröffentlichung bedeutender Monografien wurde die Projektarbeit weiter unterstützt. „Dank dieser gemeinschaftlichen Bemühungen ermöglichte das IMPACT-Projekt den beteiligten Forschern, sich für längere Zeit der tiefergehenden Untersuchung eines bestimmten Themas zu widmen, ohne sich mit der akademischen Verwaltung befassen zu müssen“, sagt Pfeiffer. Eine neue Wissensdatenbank Auf Grundlage der Ergebnisse dieser umfassenden Forschungsarbeiten wird nun eine frei zugängliche, vollständig durchsuchbare Datenbank mit quelloffenen Inhalten erstellt. Hier werden zukünftige Forscher erstmals auf einen Schatz von veröffentlichten und unveröffentlichten arabischen, persischen und türkischen wissenschaftlichen Arbeiten aus dem 13. bis 16. Jahrhundert zugreifen können. „Indem wir uns mit den Texten, Autoren und intellektuellen Netzwerken der Region zwischen Nil und Amudarja des 13. bis 16. Jahrhunderts beschäftigten, haben wir Informationen zu einem äußerst wichtigen, jedoch häufig vernachlässigten Teil der Geschichte zugänglich gemacht“, schließt Pfeiffer. „Wir konnten die Lücke zwischen den viel besser erforschten Perioden der islamischen Geschichte – der Blütezeit des Islam und seiner Moderne – erfolgreich schließen. Somit können Wissenschaftler die intellektuelle und politische Geschichte dieses Zeitraums jetzt sowohl in sich geschlossen als auch mit einer holistischen Herangehensweise studieren. Weitere Informationen: Projektwebsite
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Vereinigtes Königreich