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Inhalt archiviert am 2023-03-24

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Käfer – was wir von den Meistern unter den Landwirten lernen können

Angesichts des prognostizierten Bevölkerungswachstums und der Gefahr, die der Klimawandel für anbaufähiges Land darstellt, ist die Frage, wie wir für eine nachhaltig pathogenfreie Landwirtschaft sorgen können, eine der drängendsten Herausforderungen im Bereich der modernen Landwirtschaft. Nun könnte die Studie einer Art von holzbrütenden Käfern tatsächlich Antworten auf diese Frage liefern.

Bestimmte Käferarten betätigen sich seit mindestens 40 Millionen Jahren erfolgreich als Pilzzüchter: sie halten schädliche Bakterien fern und leben in einer langfristigen und nachhaltigen Symbiose mit Pilzen und ihrer Umgebung. Wir Menschen, die sich erst seit gerade einmal 10.000 Jahren dem Anbau widmen, können also noch viel vom Erfolg der holzbrütenden Ambrosiakäfer lernen. Eine Lektion zum Thema nachhaltige Landwirtschaft Ambrosiakäfer leben in sozialen Gruppen in Bäumen und siedeln bei einem Umzug aus ihrem „Elternhaus“ in einen neuen Baum gleichzeitig auch Pilzsporen um. Diese Sporen werden von den Käfern „angepflanzt“ und deren Fruchtkörper später geerntet. Genau wie wir Menschen müssen auch Käfer Schädlingskontrolle betreiben, um ihre Ernte vor Pathogenen zu schützen, und eine nachhaltige und gesunde Umgebung für ihre Pflanzen schaffen. „Das primäre Ziel meiner Forschung war die Gewinnung Erkenntnissen, die für Wissenschaftler und Forscher aus den Bereichen der Forst- und Landwirtschaft relevant sind“, so Dr. Peter Biedermann vom Max Planck Institut für chemische Ökologie in Jena und Koordinator des von der EU finanzierten Projekts FARMING IN BEETLES. „Pathogene Pilze sind nicht nur eine Gefahr für die Nester der Käfer, die ich erforsche. Auch in der vom Menschen betriebenen Landwirtschaft stellen sie ein Problem dar. Daher gewinnen wir mit Einblicken, die wir in den Erfolg der Käfer erhalten, eventuell auch für die Landwirtschaft relevante Erkenntnisse.“ Die Forscher des im Rahmen des Marie-Curie-Stipendiums für europäische Forscher geförderten Projekts, das im März 2015 mit einer Laufzeit von zwei Jahren ins Leben gerufen wurde, konnten bereits neue Ergebnisse verzeichnen. Sie stellten fest, dass die Käfer nicht nur mit einer, sondern mit mehreren Pilzarten in Symbiose leben und diese wahrscheinlich im Rahmen eines bestimmten Rotationszyklus abwechseln – ähnlich der vom Menschen betriebenen Kulturrotation. Bemerkenswert ist auch, dass verschiedene Bakterienarten hierbei offenbar eine wesentliche Rolle spielen, und zwar sowohl bei der Förderung der Fruchtkörperbildung als auch beim Kampf gegen Pathogene. „Eine große Überraschung war auch die Erkenntnis, dass sich der Obstbäume befallende Kleine Holzbohrer – der Ambrosiakäfer, auf den ich mich in meiner Forschung konzentriert habe – hauptsächlich von einem auf einem Stamm basierenden Pilz ernährt, der in ganz Europa verbreitet ist“, so Biedermann. „Auch wir Menschen konzentrieren uns auf einige wenige Kulturvarietäten. Faszinierend war auch die Beobachtung, dass sich diese Symbiose mit Pilzen nur bei Käferarten findet, die in toten Bäumen leben. Käfer, die in lebenden Bäumen brüten, züchten keine Pilze, da diese vermutlich den Baum – ihren Lebensraum – zerstören würden. Das Projekt baute zudem auf der Erkenntnis auf, dass das Wachstum von Pflanzen durch bestimmte Mikroorganismen (Endophyten) gefördert werden kann, die im Pflanzengewebe leben und Pflanzenfresser abwehren. „Je mehr wir über die Rolle der Bakterien in den Pilzgärten der Käfer in Erfahrung bringen, desto besser werden wir vielleicht auch die Rolle der Endophyten in der Landwirtschaft verstehen“, so Biedermann. „Es zeigte sich auch, dass die von Bakterien produzierten Antibiotika offenbar sehr wichtig für die Nester der Käfer sind. Dies lässt hoffen, dass sich unsere Forschungsergebnisse auch auf dem medizinischen Bereich übertragen lassen oder dass sie sogar zur Entdeckung neuer antibiotischer Substanzen führt.“ Anwendung neuer Techniken Nachdem die Forscher die Komplexität der Lebensgemeinschaft der Käfer und Pilze erfolgreich aufzeigen konnten, werden sie sich nun bis zum Abschluss des Projekts im Februar 2017 mit der detaillierten Analyse der Interaktionen zwischen Käfern und Pilzen befassen. „So interessiert uns zum Beispiel, welche chemischen Substanzen in diesem System eine Rolle spielen und welche dieser Substanzen von Bakterien und welche von den Pilzen selbst produziert werden“, erläutert Biedermann. „Auch möchten wir in Erfahrung bringen, welche Bakterienarten sich insgesamt in den Nestern von Ambrosiakäfern finden, und ob dies auf alle Nester dieser Art zutrifft oder ob hier geografische Unterschiede bestehen.“ Darüber hinaus wird sich Biedermann intensiv mit den Parallelen zwischen den Pilzgärten der Käfer und der vom Menschen betriebenen Landwirtschaft befassen, um zu ermitteln, welche Erkenntnisse aus diesen zwei Forschungsbereichen, die bisher getrennt voneinander betrachtet wurden, auf den jeweils anderen Bereich übertragen werden könnten. „Ich möchte erreichen, dass Forscher, die sich der Insektenzucht widmen, und Agronomen zusammenarbeiten und zum Forschungserfolg der jeweils anderen Disziplin beitragen“, so Biedermann. „Ein sehr interessantes Ergebnis wäre hier beispielsweise, wenn wir Pflanzen mit Bakterien versehen könnten, die antibiotische Substanzen bilden, die die Pflanzen vor Schädlingen schützen. Genau das scheint sich nämlich in den Pilzgärten der Käfer zu ereignen.“ Weitere Informationen: Website des Koordinators des Projekts FARMING IN BEETLES CORDIS-Projektwebseite

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