Interessengruppen schaffen gemeinsam altersgerechte Umgebungen in ganz Europa
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entscheidet sich vor allem durch das physische und soziale Umfeld, ob Menschen ihre Gesundheit, Unabhängigkeit und Autonomie bis ins hohe Alter bewahren können. Daher wurden im Jahr 2005 das Programm „Age-Friendly Cities“ ins Leben gerufen und Leitlinien ausgearbeitet; 2006 folgte das globale Netzwerk altersgerechter Städte und Gemeinden (Global Network of Age-Friendly Cities and Communities; GNAFCC). Zwar werden in ganz Europa immer mehr Pilotprogramme für altersgerechte Umgebungen aufgenommen, diese sind jedoch oft von sehr begrenztem Umfang. Das Projekt AFE-INNOVNET (Thematic Network on Innovation for Age-Friendly Environments) wurde von Julie Wadoux von der AGE-Plattform Europa geleitet und sollte zur Umsetzung des WHO-Konzepts für altersgerechte Umgebungen beitragen, insbesondere zur Entwicklung städtischer Umgebungen, in denen Menschen mit Demenz besser berücksichtigt werden. Was sind Ihrer Ansicht nach die sichtbarsten Erfolge des Projekts? Erstens konnten wir mithilfe des AFE-INNOVNET-Themennetzwerks die Europäische Innovationspartnerschaft für aktives und gesundes Altern (EIP-AHA) unterstützen, insbesondere die D4-Aktionsgruppe für altersgerechte Umgebungen. Dies erreichten wir, indem wir mehr Interessengruppen einbezogen, die uns – z. B. über Webinare und Workshops – den Austausch bewährter Vorgehensweisen ermöglichten, und indem wir Methodiken entwickelten, um ältere Menschen auf lokaler Ebene besser zu inkludieren und Initiativen für altersgerechte Umgebungen zu beobachten und zu beurteilen. Zweitens wurde der Konvent zum demografischen Wandel durch das AFE-INNOVNET-Themennetzwerk überhaupt erst möglich. Einer der großen Vorteile des Konvents besteht darin, dass er sich an wichtige, bereits bestehende Initiativen und Prozesse anpasst und diese fördert, um zu vermeiden, dass Arbeiten doppelt ausgeführt werden, und um europäischen Interessengruppen eine gemeinsame Plattform zu bieten. Vollwertige Konventsmitglieder können nun eine Mitgliedschaft für das globale Netzwerk altersgerechter Städte und Gemeinden der WHO beantragen und gleichzeitig die „Dublin Declaration 2013“ unterzeichnen. Drittens ermöglichte das Projekt Städten und Regionen, Erfahrungen auszutauschen und auch über den Rahmen des Projekts hinaus engere Beziehungen aufzubauen. Auch ohne übermäßig idealistisch zu sein, fanden wir damit zu einem grundlegenden europäischen Wert zurück: der grenzübergreifenden Zusammenarbeit an wichtigen Problemen, die alle Städte und Regionen in der EU betreffen. Wie wählten Sie die Mitglieder für das Konsortium aus? Bei den wichtigsten Konsortiumsmitgliedern, also den Leitern der Arbeitsgruppen, handelte es sich tatsächlich um Organisationen, mit denen wir bereits unter EIP-AHA zusammenarbeiteten. Dies war ein sehr vorteilhafter Ausgangspunkt, da wir wussten, dass diese Partner die gleichen Ziele verfolgten und bereits ein eingespieltes Team bildeten. Zudem mussten wir weitere Städte und Regionen in das Projekt einbeziehen, da laut dem Aufruf mindestens sieben Städte und drei Regionen beteiligt sein müssen. Die Herausforderung bestand dabei darin, Teilnehmer aus verschiedenen Teilen Europas zu finden und sowohl kleine und mittlere lokale sowie regionale Behörden als auch große einzubinden. Darüber hinaus sollten einerseits Städte und Regionen mitwirken, die bereits erfolgreich altersgerechte Umgebungen herstellen konnten, andererseits jedoch auch Teilnehmer, die sich in Zukunft mehr mit diesem Problem befassen möchten. Im Lauf des Projekts profitierten wir von Kontakten, die wir auf Veranstaltungen wie den EU Open Days oder durch das Europäische Jahr 2012 für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen knüpfen konnten, sowie vom bereits bestehenden globalen Netzwerk altersgerechter Städte und Gemeinden der WHO. Insgesamt waren 18 EU-Länder vertreten. Wie konnten Sie den Zugang zu bestmöglichen Verfahren anschließend weiter verbessern? Wir verfolgten verschiedene Ansätze. Zunächst erstellten wir ein Online-Repositorium für bewährte Vorgehensweisen. Das Tool ist sehr einfach zu bedienen, einige Suchkriterien sind auf das Land des Suchenden abgestimmt, und die acht Bereiche entsprechen denen, die im WHO-Konzept für altersgerechte Städte beschrieben sind. Auch der Umsetzungsstatus der Praktiken wird aufgeführt (als „abgeschlossen“, „im Gange“ oder „geplant“). Zudem wurden innerhalb der zweijährigen Projektlaufzeit 10 Webinare organisiert, bei denen verschiedene Partner kurz ihre Initiativen vorstellen und ihre Erfahrungen beschreiben sollten. Des Weiteren veranstalteten wir fünf Workshops in Belgien, Italien, den Niederlanden, Irland und Polen, auf denen sich die Teilnehmer persönlich treffen und Präsentationen halten konnten, sowie Exkursionen und vier Konsortiumstreffen. Auf der Abschlusskonferenz des Projekts, die von der WHO und der Europäischen Kommission kofinanziert und von 120 Teilnehmern besucht wurde, wurde letztendlich der Konvent zu demografischen Wandel gegründet. Was sind Ihrer Ansicht nach die Hauptgründe dafür, dass in Europa nicht stärker in Innovationen in Bezug auf Demenz investiert wird? Dies hat viele verschiedene Ursachen, die sich schwer zusammenfassen lassen. Zahlreiche Akteure müssen einbezogen werden, die Endnutzer zeichnen sich durch ganz unterschiedliche Bedürfnisse aus, und auch verschiedene Finanzierungsquellen spielen eine Rolle. Jeder dieser Aspekte muss gesondert behandelt werden, da unterschiedliche Probleme und Hebelwirkungen festzustellen sind. Im Gesamtkontext möchte ich auch auf folgendes aufmerksam machen: Es mangelt an Mitteln und Methodiken, um Investitionen zu leiten; das öffentliche Budget wird zwischen isoliert arbeitenden Bereichen und unterschiedlichen Behörden aufgeteilt; Demenz und das Altern werden zu oft ausschließlich aus medizinischer Sicht diskutiert, jedoch muss das gesamte Umfeld berücksichtigt werden, in dem die betroffenen Menschen leben; und abschließend ist das Thema Demenz noch immer stigmatisiert. Diese Probleme hindern Interessengruppen daran, einen sinnvollen, auf den Erkrankten ausgerichteten Ansatz zu verfolgen und dessen kognitive Beeinträchtigung bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen zu berücksichtigen. Der letzte Punkt stellt das größte Problem dar, doch seine Lösung würde sowohl die Lebensqualität von Menschen mit Demenz als auch die des Pflegepersonals verbessern und letztendlich das öffentliche Budget entlasten. Können Sie mehr darüber erzählen, welche Erfolge der Konvent bis zum Abschluss des Projekts bereits verzeichnen konnte? Der Konvent wurde im Januar 2016 unter belgischem Recht offiziell als juristische Person gegründet. Bei ihm handelt es sich nun um eine formale Vereinigung mit 140 Mitgliedern, von denen ein Drittel in lokalen und regionalen Behörden besteht. Der erste Vorstand wurde im Januar gewählt und entwickelt derzeit ein konkretes Arbeitsprogramm, das in den kommenden Jahren umgesetzt werden soll. Heute bietet der Konvent seinen Mitgliedern eine Plattform für Wissensaustausch und Kontaktpflege: Durch ihn konnten sich einige Mitglieder EU-geförderten Projekten anschließen. Außerdem wird im Rahmen der Europäischen Woche der Regionen und Städte im Oktober 2016 eine Debatte organisiert, und im Dezember 2016 werden Konventsmitglieder aktiv am „Second Innovation Summit on Active and Healthy Ageing“ teilnehmen. Die Konventsmitglieder arbeiten auch eng mit dem globalen Netzwerk für altersgerechte Städte und Gemeinden der WHO zusammen und werden dessen Ausbreitung auf EU-Ebene unterstützen. Wir erwarten darüber hinaus, dass der Konvent aktiv zu kommenden EU-Projekten beitragen wird, darunter ein Projekt, in dem ein Auszeichnungssystem entwickelt und implementiert werden soll, durch das innovative Lösungen belohnt werden, welche die Lebensqualität älterer Menschen wesentlich verbessern. AFE-INNOVNET Gefördert unter CIP Projektwebsite
Länder
Belgien