EU-Forscher tragen zu einer besseren Luftqualitätspolitik bei
Für die Bürger der EU ist die Luftqualität in den letzten zehn Jahren zu einem vorrangigen Umweltproblem geworden. Obwohl sich die Luftqualität in den letzten 20 Jahren deutlich verbessert hat, ist man immer mehr zu der Erkenntnis gelangt, dass technische Maßnahmen allein nicht ausreichen, um die hohen Standards zu erfüllen, welche die EU-Umweltvorschriften für die Luftqualität vorgeben. Die politischen Entscheidungsträger beschäftigen sich nun auch mit der sozialwirtschaftlichen Dimension der Luftqualitätspolitik, damit diese von den EU-Bürgern allgemein und effektiv akzeptiert wird. Das durch den RP7 geförderte Projekt SEFIRA befasste sich somit in den letzten drei Jahren damit, einige der besten wissenschaftlichen und sozialwirtschaftlichen Ressourcen zu koordinieren, um diese komplexen Themen besser verstehen zu können. Da das Projekt bis Ende Mai 2016 abgeschlossen werden soll, veranstaltete das Projektteam am 20. April 2016 einen abschließenden Workshop in Brüssel, bei dem die Ergebnisse hervorgehoben und den europäischen Interessengruppen präsentiert werden sollten. Wahrnehmung und Bewusstsein zum Thema Luftqualität Die Forscher verfolgten einen transdisziplinären Ansatz, der verschiedenste Fachgebiete wie Ökonomie, Politikwissenschaft, Geologie und Atmosphärenwissenschaften umfasste. Dokumente wurden im Detail untersucht, um zu ermitteln, wie maßgebliche EU-Richtlinien in nationalen und lokalen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität umgesetzt wurden. Anschließend befragten die Forscher 38 Experten aus vier europäischen Ländern, um herauszufinden, welches die wichtigsten Hindernisse für eine vollständige Umsetzung der Politik sind. Schließlich wurden detaillierte Fokusgruppen in vier europäischen Städten (Antwerpen, Mailand, Warschau und Malmö) organisiert, um die tatsächlichen Anliegen und Zukunftsvisionen der Bürger in Bezug auf die Luftqualität verstehen zu können. Die Forscher entdeckten krasse Unterschiede in Einstellung und Bewusstsein: Zum Beispiel zeigten sich die Bewohner von Antwerpen in Bezug auf das Thema sehr aktiv und organisiert. Ihre Bemühungen waren sogar in den lokalen flämischen Medien präsent. Ein derart hohes Maß an Aktivismus konnte in den anderen Städten nicht vermerkt werden. Mithilfe der CAWI-Technik (Computer Assisted Web Interviewing) konnte man im Projekt zudem mehr als 16.000 Einzelinterviews in sieben EU-Mitgliedstaaten (Belgien, Deutschland, Großbritannien, Italien, Österreich, Polen und Schweden) durchführen. Die Teilnehmer wurden nach demografischen Gesichtspunkten sowie nach ihrer Mobilität und ihren Essgewohnheiten gefiltert. Insbesondere mussten die Teilnehmer über 18 Jahre alt sein, umweltverschmutzende Fahrzeuge nutzen und an mehr als vier Tagen pro Woche Fleisch und Milchprodukte konsumieren. Ihnen wurden dann detaillierte Fragen zu ihrer Meinung und Einstellung hinsichtlich verschiedener Umweltthemen gestellt. Die Forscher entdeckten, dass sich Einstellungen und Wahrnehmungen zwischen den einzelnen Ländern, Altersgruppen, Bildungsniveaus und Geschlechtern deutlich unterschieden. Es wurde zum Beispiel gefragt, ob man der Aussage zustimmt, dass ein umweltfreundliches Verhalten nicht die Aufgabe jedes Einzelnen ist, und nur 19 % der österreichischen Teilnehmer und 18 % der britischen Teilnehmer stimmten dieser Aussage zu, wohingegen 30 % der Belgier diese Aussage als richtig erachteten. Ein Viertel der polnischen Teilnehmer stimmten der Aussage zu, dass Umweltschutz kein wichtiges Thema sei, womit der Anteil wesentlich höher lag als in den westeuropäischen Ländern. In Österreich zeigten sich Männer weniger als Frauen bereit, ihre Mobilitätsgewohnheiten zu ändern. Sie waren dagegen bereit, 40 % mehr zu zahlen, als es derzeit der Fall ist (in Form von Steuern, Gebühren usw.), um ihre Gewohnheiten nicht ändern zu müssen. Im Hinblick auf die Ernährungsgewohnheiten waren die Männer in Österreich und Belgien bereit, 65 % mehr als die Frauen zu zahlen, um ihre Ernährung nicht zu ändern. Ein überraschendes Ergebnis aus dem Projekt war, dass besser ausgebildete Teilnehmer bereit waren, 70 % mehr zu zahlen als weniger gebildete Teilnehmer, um ihre Mobilitätsgewohnheiten nicht ändern zu müssen. Politische Auswirkungen und nächste Schritte Im Rahmen des Projekts SEFIRA wurden zum ersten Mal derartige Forschungsmethoden angewandt, um das Thema Luftqualität zu untersuchen. Angesichts der Tatsache, dass die Ergebnisse eine solche Fülle von Ansichten auf Seiten der europäischen Bürger zeigten, argumentieren die Forscher, dass die Politik einen Weg finden muss, um diese individuellen Wahrnehmungen auszugleichen und sie in die technischen Anforderungen und Prioritäten für aktuelle politische Maßnahmen einzubinden. Insbesondere sollte die individuelle Akzeptanz der Umweltpolitik bei der Politikumsetzung berücksichtigt werden. Die Ergebnisse des Projekts wurden von den anwesenden politischen Entscheidungsträgern gut aufgenommen. MdEP Eleonora Evi, Sprecherin während des Workshops und aktives Mitglied des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments, erklärte, dass die Projektergebnisse hochaktuell seien, vor allem vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse wie des Emissionsskandals bei Volkswagen. „Dieses Projekt kommt zur rechten Zeit, um die Diskussion über diese Themen anzuregen, insbesondere da einige Dossiers wie die EU-Richtlinie zur Luftreinhaltung auf dem Spiel zu stehen scheinen“, kommentierte sie. Obwohl das Projekt wird in Kürze beendet sein wird, erklärte das Projektteam, dass es eine weitere Analyse seiner Ergebnisse vornehmen wird und die Forschungsarbeiten zum Thema weitergehen. Insgesamt wollte das Projekt aufzeigen, wie ein derartiger multidisziplinärer Ansatz und die für SEFIRA angewandte Forschung genutzt werden können, um die Gestaltung und Umsetzung politischer Maßnahmen auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene zu verbessern. Weitere Informationen finden Sie auf: Projektwebsite von SEFIRA
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