Neue RNA-Diagnostik zur zuverlässigen Vorhersage von Diabetes
Körperliche Betätigung ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Säulen der Diabetesprävention, doch ihre Wirksamkeit kann von Person zu Person unterschiedlich sein. Die Ergebnisse des Projekts METAPREDICT beleuchten nicht nur die genetischen Mechanismen hinter diesen Unterschieden, sondern legen möglicherweise auch den Grundstein für die zukünftige Diabetesprävention – ein Programm, dass an unseren individuellen molekularen Aufbau angepasst ist. Diabetesverbände auf der ganzen Welt heben die Bedeutung körperlicher Aktivität als Vorsorgemaßnahme gegen Diabetes seit langer Zeit hervor, und das aus guten Grund. Zu den Vorteilen zählen eine bessere körperliche Verfassung, ein tieferer Lipidspiegel, ein geringeres Risiko für Herzkreislauferkrankungen, eine geringere Verbreitung von Adipositas und ein besseres physiologisches Wohlbefinden. Doch was diese Verbände ebenso betonen, ist die Tatsache, dass Sport auch mit einem Risiko verbunden ist, und dass Sport nur dann in Betracht gezogen werden sollte, wenn die Vorteile diese Risiken überwiegen. Letztere Feststellung wirft eine grundsätzliche Frage auf: Woher wissen wir, ob und welche Art von körperlicher Betätigung gut für uns ist? Sicherlich wäre es hilfreich, diese Frage zu beantworten, bevor der Patient mit sportlicher Ertüchtigung beginnt, doch derzeit wissen wir noch zu wenig über die Ursachen abträglicher oder ausbleibender Reaktionen auf Sport. Die Wissenschaftler des EU-finanzierten Projekts METAPREDICT (Developing predictors of the health benefits of exercise for individuals), die bereits belegten, dass sich die Insulinempfindlichkeit bei 30 % aller Patienten trotz Ausdauertraining nicht verbessert, sorgen nun mit der Entwicklung einer neuen RNA-Diagnostik für Aufsehen. Mit diesem Verfahren können Unterschiede bei der Reaktion auf körperliche Betätigung vorhergesagt und möglicherweise das Diabetesrisiko eines Patienten eingeschätzt werden, indem individuelle Trainingspläne an den molekularen Aufbau des Patienten angepasst werden. Prof. Jamie Timmons, Chief Scientific Officer bei Projektpartner XRGenomics, hebt den Wert der Projektergebnisse und deren Potential zur Entwicklung der Präventionsprogramms des 21. Jahrhunderts hervor – das genau an die Gene des Patienten angepasst sein wird. Ihr Projekt ist auf der Beobachtung begründet, dass Ausdauertraining bei manchen Menschen nicht wirksam ist. Wie kommt das? Das ist in der Tat eine bemerkenswerte Beobachtung. Bei etwa 20 % aller Menschen, die vollständig beaufsichtigt an drei bis fünf Tagen pro Woche trainierten, konnten wir keine Veränderung der aeroben Kapazität feststellen. Diese Beobachtung konnte außerdem im Rahmen der neuen Studie METAPREDICT HIT (High Intensity Training) wiederholt werden, in der bei jedem Patienten eine von drei Übungsmodalitäten angewendet wurde. Personen, deren Kondition sich nicht verbesserte, absolvierten später ein intensiveres Training auf dem Fahrrad und atmeten stärker, was jedoch nicht dazu führte, dass die Mitochondrien in ihren Muskeln mehr Sauerstoff verbrauchten. Als wir die Mechanismen hinter dieser ausbleibenden Verbesserung der Kondition erforschten, stellten wir zunächst fest, dass sich bei Menschen, deren aerobe Kapazität sich nicht verbessert, bestimmte Gen-Expressions-Programme zum Wachstum der Blutgefäße nicht aktivieren. Anschließend demonstrierten wir in einem neuen von Lauren Koch entwickelten Modell, dass, wenn gezielt nach guten oder schlechten aeroben Fitness-Reaktionen auf sportliche Übungen selektiert wird, dasselbe Muster ausbleibender Matrixremodellierung reproduziert werden kann, das bei Menschen auftritt, deren aerobe Kapazität nicht zunimmt. Dies bezieht sich auf Veränderungen bei der SMAD-Signalgebung und Matrixremodellierung, genau wie wir bei den menschlichen Probanden festgestellt haben. Die Frage bleibt, warum? Warum verbessert sich die aerobe Kapazität nicht, und wie kam es zur Selektion dieses verbreiteten genetischen Phänotyps beim Menschen? Wir könnten etwa spekulieren, dass bei diesem Phänotyp auch in Tumoren weniger Blutgefäße wachsen, was einen Vorteil darstellen könnte. Dies ist jedoch eine Hypothese, mit der wir uns auseinandersetzen können, sobald wir eine gute Diagnostik für diesen Phänotyp entwickelt haben. Was konnten Sie noch durch Ihre Studien zur Reaktion von Patienten auf Sport erfahren? Das METAPREDICT-Projekt befasste sich mit deutlich mehr als nur mit Personen, die nicht auf Ausdauertraining ansprechen. Insgesamt untersuchten wir drei verschiedene beaufsichtigte Trainingsprogramme (HIT; klassisches, intensives Ausdauer- und Krafttraining), an denen über 1.000 Menschen beteiligt waren. Darüber hinaus untersuchten wir über 40.000 Insulinproben in Prof. Rooyackers' Labor, und wir entwickeln derzeit eine RNA-Diagnostik für Muskel- und Leber-Insulinresistenz und dafür, wie jede der drei Übungsmodalitäten die Insulinempfindlichkeit (sowie die aerobe Kapazität und den Blutdruck) verbessert oder nicht verbessert. Bis heute konnten wir zeigen, dass HIT im Durchschnitt äußerst wirksam zur Verbesserung der kardiovaskularen Gesundheitsbiomarker ist, und das bei weniger als 15 Minuten tatsächlicher Übungsdauer pro Woche. HIT war tatsächlich effektiver als aktuelle öffentliche Gesundheitsrichtlinien, die empfehlen, bei mittlerer Intensität mehr als 150 Minuten pro Woche zu trainieren. Wie kann Diabetes in einem Szenario vorgebeugt werden, in dem Sport keine Lösung darstellt? Ein wichtiges Prinzip bei Risikofaktoren, die sich auf die Lebensweise beziehen, ist, dass jeder gesundheitliche Biomarker für die langfristige Gesundheit eines Menschen eine eigene Rolle spielt. So erreicht man mit Sport möglicherweise keine verbesserte Kondition, jedoch eine Senkung des Blutdrucks und eine geringere Insulinresistenz. Doch welche der drei Arten von Training funktioniert am besten eine bestimmte Person? Und wie oft sollte diese idealerweise trainieren? Die Beantwortung dieser Fragen zählt zu den langfristigen Zielen des METAPREDICT-Projekts. Sobald wir die Entwicklung unserer RNA-Diagnostik abschließen, können wir erforschen, wie wir Menschen Trainingsprogrammen zuordnen, die genetisch am besten zu ihnen passen. Ein kleiner Prozentsatz jedoch (der weltweit immer noch eine große Anzahl von Menschen bedeutet!), wird bei drei Trainingstagen pro Woche seine aerobe Kapazität nicht verbessern, keine Veränderung der Insulinempfindlichkeit aufweisen und möglicherweise sogar einen höheren Blutdruck haben. Sollten diese Menschen dann bevorzugt pharmakologisch behandelt werden? Das ist gut möglich. Sollten sie seltener Sport treiben? Auch dies ist möglich. Worüber wir hier besprechen, ist die Zukunft der präventiven Gesundheitsversorgung. Konnten Sie Biomarker finden, die darauf hinweisen, welche Lebensweise zu einem Patienten passt? Wir könnten Prototyp-Biomarker aus RNA mithilfe von Ansätzen für maschinelles Lernen für eine Reihe klinischer Prototypen erstellen, und wir werden diese Arbeit im Jahr 2016 fortsetzen. War dies schwer zu erreichen? Das Projekt war sehr anspruchsvoll und mit zahlreichen logistischen Problemen verbunden. Es war sehr schwierig sicherzustellen, dass alle klinischen Einrichtungen das Projekt motiviert und engagiert fortführten, und abschließend haben einige wenige Personen innerhalb des Konsortiums sehr viel Zeit für die Analyse aufgewendet. Ich würde zukünftigen ähnlichen Projekten definitiv empfehlen, ausreichende Ressourcen auf die Datenverwaltung und Rechenkapazität zu verwenden, da die erzeugten Daten von überwältigendem Umfang sein können. Glücklicherweise haben wir inzwischen gute Fortschritte erzielt und werden nun mehrere Patente einreichen und im Jahr 2016 mehrere Arbeiten publizieren. Was waren die anderen Hauptziele Ihres Projekts? Ich denke, bei solch einem Projekt ist es ein großer Erfolg, alle klinischen Daten zu sammeln und die Laboranalyse angemessen durchführen zu lassen. In diesem Sinne war der wichtigste Erfolg, eine vollständig qualitätsgeprüfte neuartige Datenbank für sportliche Übungen zu erhalten. In den letzten Monaten entwickelten wir die ersten Prädiktoren für den metabolischen Status, und dies wird nach Abschluss des Projekts natürlich unsere größte Errungenschaft darstellen – eine neue Herangehensweise an die metabolische Physiologie für das 21. Jahrhundert, wenn Sie so wollen. Was sind Ihre Pläne, nun da das Projekt abgeschlossen wurde? Wir konzentrieren uns derzeit auf Patentanträge und Publikationen. In dieser Hinsicht wird das Projekt noch einige Jahre weiterbestehen, und natürlich benötigen wird dazu weitere Finanzierung. In den USA hat das National Institute of Health bereits eine neue Finanzierung von 100 Mio. USD bewilligt, um eine sechsjährige Studie mit denselben Zielen wie METAPREDICT auf den Weg zu bringen. Diesem Thema wir also eindeutig eine hohe Bedeutung beigemessen. Wie werden Ihre Forschungsergebnisse letztendlich den Patienten zugutekommen? Das METAPREDICT-Projekt war sowohl Grundlagenforschung als auch translationale Forschung, daher konzentrierten wir uns permanent darauf, Erkenntnisse zu sammeln, die für Patienten oder die präventive Medizin von Nutzen sind. Wir verfolgten einen radikal anderen Ansatz und suchten nicht mehr nach einzelnen „Master-Regulatoren“ für komplexe physiologische Vorgänge oder versuchten, Mechanismen in Zellen oder Mäusen zu isolieren. Stattdessen akzeptierten wir, dass die tatsächliche Biologie beim Menschen von stochastischer Natur ist und dass zahlreiche molekulare Marker gleichzeitig wirken und jede Art von physiologischer Reaktion in ihrer Gesamtheit bestimmen. Das bedeutet, nach variablen Molekülen zu suchen. Nach Molekülen, welche die Unterschiede zwischen verschiedenen Menschen erklären, nicht nach Molekülen, die bei allen Menschen gleich reguliert werden. Aktuell haben wir ein großes Problem mit Typ-2-Diabetes. Diese Erkrankung wird teilweise durch Adipositas gefördert, teilweise durch Inaktivität, doch auch durch Faktoren, die meiner Ansicht nach unklar bleiben oder nicht medizinisch sind. Ein wichtiger Aspekt von Diabetes ist, dass Leber und Muskeln nicht mehr auf Insulin reagieren. Dieser Parameter wird tatsächlich jedoch selten gemessen, da dies sehr arbeits- und kostenintensiv ist. In den nächsten Jahren wünschen wir uns einen einfachen Bluttest, der eine Art „Frühwarnsystem“ für Insulinresistenz darstellt, sowie Leitlinien zu dem Thema, wie Risikofaktoren für Diabetes am besten begegnet werden kann. Weitere Informationen finden Sie auf der: METAPREDICT-Projektwebsite
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