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Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Fahrerlose Flotten auf Testfahrt

Carlos Holguin von der Universität Rom, Projektkoordinator des Projekts CITYMOBIL2, erzählt davon, wie das Projekt den automatisierten Personenverkehr mit Hilfe von außerhalb des normalen Verkehrs ablaufenden, groß- und kleinmaßstäblichen Experimenten in europäischen Städten demonstriert.

Selbstfahrende Autos könnten schon sehr bald Realität sein, aber ist unsere Welt auch tatsächlich bereit, diese Fahrzeuge auf unseren Straßen willkommen zu heißen? Fragen wie diese stehen im Mittelpunkt des CITYMOBIL2-Projekts, das in verschiedenen Orten Europas automatisierte Verkehrssysteme vorstellt, um sie der Kommerzialisierung anzunähern. Hier könnte eine der aufregendsten Technologien, mit denen die Welt seit Jahren liebäugelt, Wirklichkeit werden. Große Veränderungen für die Gesellschaft wären jedoch gleichermaßen das Resultat, wenn das automatisierte Fahren zur alltäglichen Realität würde. Erst einmal ist es immer noch ungewiss, wie die Öffentlichkeit auf eine derart dramatische Veränderung im täglichen Leben reagieren würde. Denn hier müssten die Menschen den Computern in Fragen ihrer eigenen Sicherheit vertrauen. Das autonome Fahren muss außerdem in die breiter angelegten europäischen Pläne hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft eingepasst werden. Es hätte sicherlich Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft, was aber noch schwieriger zu erfassen ist, und zu guter Letzt ist es eine anspruchsvolle Denksportaufgabe für jene Entscheider, die mit der Überwindung der langen Liste von den Einsatz verhindernden juristischen Hindernissen beauftragt werden. Die Beantwortung dieser Fragen braucht mehr als nur Spekulationen und deshalb wurde das EU-finanzierte Projekt CITYMOBIL2 (Cities demonstrating cybernetic mobility) eingerichtet. Das Projekt knüpft dort an, wo im Dezember 2011 das Projekt CITYMOBIL endete, indem der automatisierte Personenverkehr in Städten wie Lausanne, La Rochelle, Mailand, Oristano und Vantaa in groß- und kleinmaßstäblichen, außerhalb des normalen Verkehrs stattfindenden Experimenten demonstriert wird. Zur Flotte von CITYMOBIL2 gehören Shuttles, d. h. Fahrzeuge im Pendelverkehr, die Hindernisse erkennen und angepasst regieren können, sowie mit einem „Fleet supervision and management system“ (FISM) ausgestattet sind, das jedem einzelnen Fahrzeug Aufgaben zuweist. Ausgestattet mit in diesen Versuchen gesammeltem Beweismaterial arbeitet das von Carlos Holguin von der Universität Rom angeführte Team an einer sozioökonomischen Studie zum besseren Verständnis der zukünftigen Rolle des automatisierten Verkehrs, an Lösungen zur Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften und der Erstellung eines Rahmenwerks für die Zertifizierung in Europa sowie Kampagnen zur Schärfung des Bewusstseins der Bürgerinnen und Bürger. Können Sie uns mehr über Ihre Cybercars erzählen? Wie funktionieren sie im Einzelnen? Gleich zu Beginn möchte ich klarstellen, dass es die Bausteine für die Automatisierungstechnologie in Sachen Straßenfahrzeuge bereits auf kommerzieller Ebene gibt. Wie sie zu kombinieren sind und was mit der Technologie hinsichtlich der Verkehrsmittel anzufangen ist, ist ein ganz anderer Punkt, der Aufgabe von CITYMOBIL2 ist. Wir sprechen im Allgemeinen nicht über Cybercars als einzelne Fahrzeuge, sondern eher über „Automated road transport systems“ (ARTS). Wir haben zwei Flotten von ARTS, die jeweils aus sechs Fahrzeugen bestehen. Jedes Fahrzeug ist mit Positionsbestimmung (D-GPS und Laser-Mapping) und Wahrnehmungssystemen (Ultraschall, Laser-Scanner) ausgestattet, wodurch dieses weiß, wo es ist und was in seiner Umgebung, auch in Bezug auf statische und mobile Objekte, vorgeht. Sie sind mit Bordcomputern ausgerüstet, welche die Daten verarbeiten, die Fahrzeugsteuerungsentscheidungen treffen und diese Entscheidungen zur Lenkung sowie zum Motor und zu den Bremsen übertragen. Die Fahrzeuge kommunizieren dann mit einem zentralen System zur Flotten- und Infrastrukturüberwachung und -verwaltung, das Entscheidungen auf Flottenebene trifft und jedem der Fahrzeuge entsprechend der Nachfrage nach Transportleistungen Aufgaben zuweist. Nach welchen Kriterien wählten Sie die Teststandorte aus? Es wurden etliche Kriterien, begonnen bei der Eignung der Transportaufgabe für die ARTS-Flotte über die erwartete Nachfrage, die Sichtbarkeit des Demonstrators bis hin zur Bereitschaft der lokalen Akteure zur Zusammenarbeit, aus qualitativer und quantitativer Perspektive gewichtet, und wir stellten eine Rangliste auf. Am Ende wurden drei Großdemonstratoren, vier kleinmaßstäbliche Vorhaben und vier Vorzeigeprojekte in sechs europäischen Ländern ausgewählt. Was haben Sie bisher aus den Pilotversuchen gelernt? Die ARTS wurden überall mit Begeisterung aufgenommen. In Oristano, dem Ort des bislang einzigen abgeschlossenen Demonstratorprojekts, erklärten 90 % der Nutzer ihr Interesse daran, dass diese Systeme auf Dauer die Massenverkehrsmittel ergänzen sollten. In technischer Hinsicht haben wir mehr darüber gelernt, wie die Navigation zu verbessern ist. So ist es erforderlich, mindestens zwei Positionsbestimmungssysteme zu vereinen, und Hindernisse zu vermeiden, indem feststehende Hindernisse kartiert werden, und der Sicherheitsbereich rund um die Fahrzeuge dynamisch angepasst wird. Die vielversprechendste Lernerfahrung besteht darin, zu sehen, wie die anderen Verkehrsteilnehmer mit den automatisierten Fahrzeugen interagieren. Qualitativ scheint es so zu sein, dass sich die meisten Menschen mühelos an das hohe Sicherheitsniveu des Systems anpassen und ihr Verhalten dementsprechend verändern. Eine spezielle Aufgabe des Projekts wird darin bestehen, dieses Verhalten noch detaillierter durch eine verstärkte Videoverarbeitung zu überwachen, um einen Weg zu finden, nonverbal mit anderen Straßenverkehrsteilnehmern kommunizieren zu können. Stellen Sie sich vor, dass ARTS in Zukunft die Lösungen mit Fahrer ersetzen oder wird es eher auf Zusammenarbeit hinauslaufen? Es wird zukünftig sicherlich einen Mix aus Technologien und Lösungen geben. Kurz- bis mittelfristig werden ARTS-gestützte Verkehrssysteme in speziellen Bereichen betrieben werden und sich langsam in die meisten städtischen Gebiete ausbreiten. Sie werden dabei stets als Ergänzung zu den Nahverkehrsmitteln dienen und taxiähnliche Dienstleistungen anbieten, während die manuell betriebenen Fahrzeuge langsam höhere Funktionalitäten erhalten und von den Autobahnen (die gleichermaßen speziell dafür vorgesehene Infrastrukturen darstellen) in offenere Bereiche expandieren werden. Die Zukunft wird sicherlich noch ganz anders aussehen, aber wir denken, dass es wird die Wirtschaftlichkeit der zukünftigen Verkehrssysteme sein wird, die letztlich das Szenario definieren wird. 5 000 EUR jährlich dadurch einzusparen, dass man kein Auto besitzt, könnte ein gewaltiger Zugewinn an Kaufkraft sein und für die meisten Menschen ziemlich eine gute Motivation darstellen. Kosten, Rechtsvorschriften und die Mängel der heutigen Verkehrsregeln sind große Hindernisse gegenüber der Kommerzialisierung der automatisierten Verkehrssysteme. Wie könnten diese Ihrer Meinung nach überwunden werden? Diese Barriere zu meistern, ist eines der Hauptziele von CITYMOBIL2! Wir haben mit mehreren Verkehrsministerien zusammengearbeitet, und das nicht nur in den Ländern, in denen wir Vorführprojekte zu laufen hatten oder durchführen werden, sondern auch in anderen europäischen Ländern. Ein Teil dieser Arbeit umfasst die Definition eines Vorschlags für ein Zertifizierungsverfahren, das der Öffentlichkeit und auch den Verkehrsbehörden ein Maß an Sicherheit garantieren kann, das dem der Eisenbahnnetze entspricht. Und das wäre mehr als 100-mal sicherer als die Straßen von heute! Dabei geht es nicht nur um die Vermeidung von Verletzungen der Fahrzeuginsassen, sondern auch um die Vermeidung von Unfällen mit Radfahrenden und Fußgängern. Diese Verfahrensweise umfasst die Zertifizierung des automatisierten Straßenverkehrssystems (Automated Road Transport System) zusammen mit der Infrastruktur und würde in speziellen Bereichen der Straßeninfrastruktur zum Einsatz kommen. Auch ganz „normale“ Autos könnten diese Infrastruktur benutzen, sie wären allerdings dazu verpflichtet, die dort herrschenden Regeln zu beachten. Angesichts der Anzahl dieser Fahrzeuge bzw. Technologien, die heute produziert werden, sind die Kosten ein Problem. Da aber immer mehr Systeme eingeführt werden, werden die Kosten sinken. Heutzutage müssen wegen der Kosten große Fahrzeuge realisiert werden. Sinken aber die Kosten, wird es möglich sein, kleinere Fahrzeuge zu fertigen. Worin wird der Beitrag von CITYMOBIL2 in dieser Hinsicht bestehen? CITYMOBIL2 wird diese Zertifizierungsprozedur während seiner Demonstrationen erproben und letztlich ein Zertifizierungsverfahren bereitstellen, von dem wir denken, dass es einen guten Kompromiss für die Straßenverkehrsbehörden und gleichermaßen die anderen Akteure wie etwa die Fahrzeugindustrie darstellt, um alle beim Vorankommen zu unterstützen. Was den Markt betrifft, sind sind die an CITYMOBIL2 teilnehmenden Städte die wahren Innovatoren in Hinblick auf die Kurve zur Technologieübernahme. Sie weisen den Weg zur Einführung der Technik sowie zur Schaffung eines neuen Markts. Was wären die Hauptvorteile von ARTS in Hinsicht auf die Straßenverkehrssicherheit? Betrachten wir die Fahrzeuge, so ist die Straßenverkehrssicherheit in das ARTS-Design eingebettet. Auch die Infrastruktur, die Kommunikationssysteme und vor allem in der Umgebung vorhandene andere Verkehrsteilnehmer werden bereits von der Konzeptphase an berücksichtigt. Die entstehenden Gefahren werden abgemildert, noch bevor überhaupt ein einziges Fahrzeug auf der Infrastruktur erscheint. Hierbei zielen wir auf Sicherheitsniveaus ab, die es im heutigen Straßenverkehrssystem schlicht noch nicht gibt. Wie sehen die weiteren Schritte für das Projekt und nach seinem Abschluss aus? Wir haben bereits die Demonstrationsphase begonnen. Daran wird das Projekt weiterarbeiten. Die nächsten Vorführungen werden in Vantaa (Finnland), Trikala (Griechenland), Sophia Antipolis (Frankreich) and San Sebastian (Spanien) stattfinden. Wir führen auch Vorzeigeprojekte (einwöchige Demonstrationen) in Mailand durch und nehmen am ITS World Congress in Bordeaux und an der TRA in Warschau teil. Es werden mehrere Aufgaben parallel laufen. Die nun gesammelten Daten werden dazu dienen, die Leistung der Systeme in jeder Stadt zu bewerten und zum Projektende einen Quervergleich durchzuführen. Einige Städte haben mit der Planung dauerhafter Systeme nach Projektende begonnen, was aber nicht realisierbar sein dürfte, bis es einen rechtlichen Rahmen gibt. Und so zählen wir darauf, dass sie weiterhin Druck auf die nationalen Regierungen und die Europäische Kommission ausüben. Weitere Informationen sind abrufbar unter: CITYMOBIL2 http://www.citymobil2.eu/en/

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