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Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Nanomaterialien zur Konservierung altehrwürdiger Kunstwerke

Professor Piero Baglioni vom NANOFORART-Projekt erklärt, wie sein Team fortschrittliche Nanomaterialien zur präventiven Konservierung von Kunstwerken entwickelt hat.

Gäbe es keine Bücher oder Kunstwerke, würden wir nur wenig über die Vergangenheit wissen. Doch die Zeit vergeht und die Konservierung dieser Beweise aus der Vergangenheit wird immer schwieriger. Könnte sich dies dank des NANOFORART-Projekts ändern? Im Bemühen, die Beschränkungen traditioneller Restaurierungstechniken zu überwinden, hat das Team vielversprechende Nanowerkstoffe entwickelt, die schon bald auf dem Markt sein werden. Für viele Menschen ist der Besuch einer unbekannten Stadt oder eines fremden Landes kaum ohne den Besuch von Kunstmuseen und Ausstellungen denkbar. Einzigartige Kunstwerke sind tatsächlich ein fester Bestandteil von dem, was Kultur und Geschichte so faszinierend macht. Und der Handel mit dieser Kunst ist für die heutigen Volkswirtschaften nicht unerheblich. Allein 2013 generierte der globale Kunstmarkt laut The European Fine Art Foundation etwa 47,42 Milliarden EUR. Das erklärt, weshalb die Konservierung von Kunstwerken zu einem immer wichtigeren Anliegen wird. An den ältesten Kunstwerke nagt der Zahn der Zeit, während traditionelle Restaurierungstechniken große Probleme im Hinblick auf die physikalisch-chemische Kompatibilität mit den in den Artefakten enthaltenen Stoffen und die Toxizität aufwerfen. Die für die Restauration allgemein verwendeten Materialien, wie beispielsweise Beschichtungen aus synthetischen Polymeren oder anorganischen Materialien, haben eine andere Zusammensetzung als die ursprünglichen Bestandteile der Artefakte, wodurch sich deren Haupteigenschaften verändern. An dieser Stelle tritt das Projekt NANOFORART (Nano-materials for the conservation and preservation of movable and immovable artworks) auf den Plan. Das Dreijahresprojekt, das in diesem Monat endet, hat fortschrittliche Nanomaterialien für die präventive Konservierung von Kunstwerken entwickelt. In diesem Exklusivinterview für das Magazin research*eu Ergebnisse gibt Professor Piero Baglioni Auskunft über die Hauptvorteile dieser neuen Produkte, die Fortschritte seines Teams und das erwartete Kommerzialisierungsdatum. Weiterhin führt er aus, was unter Horizont 2020 noch zu erwarten ist. Welche Hauptziele verfolgt das Projekt? Die fehlende physikalisch-chemische Kompatibilität zwischen den Restaurationsmaterialien und den Kunstwerken, sowie die früher übliche Toxizität waren die zwei wichtigsten Aspekte, die uns dazu gebracht haben, das NANOFORART-Projekt vorzuschlagen. Damals arbeiteten wir seit den 1990er Jahren an der Entwicklung wirksamer Konservierungsmethoden und unsere Aktivität war bereits bei Forschern und Restauratoren anerkannt. Unser Hauptziel bestand darin, die im Labor bereits entwickelten und in mehreren Konservierungsworkshops weltweit getesteten Methoden zu verbessern und diese im großen Maßstab verfügbar zu machen. Dazu gehörten Nanomaterialien, die aus physikalisch-chemischer Sicht mit den Bestandteilen der Kunstwerke kompatibel und entweder nicht toxisch sind, oder eine erheblich geringere Toxizität als traditionelle Restaurationswerkstoffe wie etwa Lösungsmittel aufweisen. Worin liegt der innovative Charakter der von ihnen vorgeschlagenen Lösungen? Die fortschrittlichen Nanomaterialien, an denen wir gearbeitet haben, erlauben eine präzisere Kontrolle des Restaurierungseingriffs. So kann etwa eine kontrollierte Reinigung durch die Verwendung von Mikroemulsionen und chemischen Hydrogelen anstelle von traditionellen Reinigungsmethoden durchgeführt werden. Die von uns empfohlenen Ansätze sind zuverlässiger als die traditionellen und erlauben in manchen Fällen auch ein schrittweises und langsameres (sichereres) Herangehen an die Restauration. Insgesamt garantieren die neuen Methoden außerdem die langfristige Stabilität des behandelten Artefakts, was im Gegensatz zu den traditionellen "Schnellbehandlungen" steht, die auch Misserfolg haben können und spätere Eingriffe notwendig machen. Wie erklären Sie den Mangel an Fortschritten in Konservierungstechniken? Um ein Beispiel zu geben, schauen wir uns eine Wandmalerei oder ein Staffeleibild an: Aus dem physikalisch-chemischen Blickwinkel heraus betrachtet hat das Gemälde eine typische geschichtete Struktur, wobei die obersten Schichten das gemalte Kunstwerk ist. Doch die Materialien sind meist porös oder haben eine komplizierte Zusammensetzung — sie können als Verbundmaterialien charakterisiert werden, was bedeutet, dass Werkstoffwissenschaften sowie Kolloid- und Oberflächenwissenschaften zum Einsatz kommen müssen, um diese Materialien zu verstehen und sie eventuell vor möglichen Zersetzungsprozessen zu schützen. Deshalb ist für eine angemessene Behandlung von Konservierungsfragen ein Wissenstransfer aus diesen Gebieten hin zu den Fachleuten notwendig, die aus dem humanistischen und künstlerischen Bereich kommen. Ein solcher Wissenstransfer ist kein geradliniger Prozess. Er benötigt viel Hingabe und strenge Kooperationsmechanismen zwischen vielen verschiedenen interdisziplinären Gruppen und Institutionen. Schon vor NANOFORART gab es solche Interaktionen, doch dienten sie vor allem der Entwicklung fortschrittlicher Diagnosetechniken zur Charakterisierung von Kunstwerken und ihrer Zerfallprozesse. Obwohl diese wesentlich sind, können Diagnostechniken nicht als eine exklusive Methode zur Lösung dieser Aufgabe angesehen werden. Wir könnten die Konservierung des Kulturerbes mit der Medizin vergleichen, wobei die Kunstwerke die Rolle des Patienten spielen: Diagnosetechniken sind grundlegend, um die Krankheit zu verstehen (den Zerfallsprozess), doch müssen diese durch die Entwicklung von Arzneimitteln (modernen Restaurationsmaterialien) ergänzt werden, um den Patienten zu heilen (das Kunstwerk zu restaurieren). Hier liegen die Hauptgründe, weshalb sich die Fortschritte im Bereich der Restaurierungsverfahren dermaßen verlangsamt haben. Welchen Hauptschwierigkeiten sind Sie bei der Entwicklung dieser neuen Materialien begegnet? Wenn man das richtige Wissen hat, gibt es keine größeren Schwierigkeiten bei der Entwicklung von neuen Materialien. Die größte Schwierigkeit ist die Tatsache, dass die Optimierung der entwickelten Materialien zeitaufwendig ist und man ein umfassendes Wissen aus multidisziplinären Bereichen haben muss. Für die zahlreichen Zersetzungsprozesse, die eine große Bandbreite von Kunstwerken betreffen, müssen neue Methoden und Materialien entwickelt werden, deren Formulierung im Hinblick auf die personellen Ressourcen eine große Herausforderung darstellt. Was erwarten Sie im Hinblick auf die Leistung im Vergleich zu bestehenden Techniken? Die neuen Materialien, die wir entwickelt haben, unterscheiden sich erheblich von den traditionellen Methoden. Diese sind auf die Konservierungsaufgabe hin zugeschnitten und nutzen Konzepte und Lösungen aus dem Bereich der fortschrittlichen Werkstoff- und Kolloidkunde und, noch allgemeiner ausgedrückt, aus den Nanowissenschaften. Diese Materialien können die Zersetzungsprobleme lösen und gleichzeitig die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Originalartefakte beibehalten. Das ist für die langfristige Stabilität der behandelten Kunstwerke und ihre Verfügbarkeit für zukünftige Generationen sehr wichtig. Es gibt zahlreiche Beispiele, die belegen, inwiefern traditionelle Materialien Kunstwerke schaden können. Etwa Wandmalereien, die mit Acryl und Vinylpolymeren behandelt wurden, die das Gemälde erheblich geschädigt und in vielen Fällen zum Verlust der bemalten Oberflächen geführt haben. Welches sind die vielversprechendsten Materialien, die Sie entwickelt haben? Das Projekt hat mit Erfolg mehrere neue Materialien für die Konservierung von Kunstwerken hergestellt und wirksam getestet. Davon sind vier recht vielversprechend. Beim ersten handelt es sich um die Dispersion von Kalziumhydroxidnanopartikeln in kurzkettigen Alkoholen für die Festigung von Wandgemälden, Gips und Stein. Diese verstärken die Artefakte, ohne ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften zu verändern. Beim zweiten Material geht es um die Dispersion von Alkalinanopartikeln entweder in kurzkettigen Alkoholen oder Wasser zur pH-Kontrolle beweglicher Kunstwerke wie Papier, Pergament und Leder. Diese Materialien sind extrem nützlich, um die Zersetzung von Manuskripten und Archivschriftstücken bzw. historischen Dokumenten durch Säure oder Oxidation einzuschränken. Wir haben auch nanostrukturierte Reinigungsflüssigkeiten wie Öl-in-Wasser-Mikroemulsionen zur Entfernung von Schmutz und unerwünschten Beschichtungen von Kunstwerken erfunden. Zu den Hauptvorteilen der Verwendung dieser Flüssigkeiten gehört, dass sie im Hinblick auf traditionelle Lösungsmittelmischungen geringere ökotoxikologischen Auswirkungen aufweisen, und sie dennoch sehr effizient reinigen. Schließlich entwickelten wir Container wie etwa chemische Gels für die Abgabe und kontrollierte Freisetzung der Reinigungsflüssigkeiten auf wasserempfindlichen Oberflächen wie Papier, Pergament und Leder. Diese Gels können im Gegensatz zu den herkömmlichen "gelartigen" Verdickern rückstandsfrei auf den Oberflächen der Artefakte aufgetragen werden. Wann wird diese Technologie Ihrer Ansicht nach auf den Markt kommen? Dispersionen von Kalziumhydroxidnanopartikeln zur Festigung von Wandgemälden, Gips und Stein stehen den Restauratoren weltweit bereits unter dem Markennamen Nanorestore® zur Verfügung. Nanopartikel für die Ph-Kontrolle beweglicher Kunstwerke (etwa Papier, Holz und Leinwand) gibt es unter dem Markennamen Nanorestore Paper®; Gels und Mikroemulsionen für die Reinigung von Wand- und Staffeleigemälden wurden unter den Markennamen Nanorestore Gel® and Nanorestore Cleaning® registriert. Diese Technologien werden schon bald verfügbar sein. Welches sind die nächsten Schritte für das Projekt und welche Pläne gibt es nach seinem Ende? Wir stehen immer noch vor einer Lücke bei den Konservierungsstrategien und Materialien für moderne und zeitgenössische Kunstwerke wie Acrylmalereien, Kunststoffskulpturen und zusammengesetzte Werke, die Metall, Textilien, Polymere und andere Materialen enthalten. So verwendeten und experimentierten die Künstler nach 1940 mit Materialien, die sich von jenen, die in den klassischen Künsten verwendet wurden, radikal unterscheiden, weshalb man sie nicht mit den derzeit verfügbaren Methoden konservieren kann. Diese Artefakte unterliegen oft einem extrem schnellen Zersetzungsprozess und es besteht das Risiko, dass ein Teil dieses Erbes in den kommenden einhundert Jahren verloren gehen wird, wenn keine wirksamen Lösungen gefunden werden. Aus diesem Grund schlagen wir ein neues Projekt im Rahmen der Aufforderung zur Vorschlagseinreichung von Horizont 2020 unter der Bezeichnung NANORESTART (Nanomaterials for the REStorartion of the works of modern ART, to highlight the new start with respect to classic art conservation) vor, das sich die Konservierung von modernen/zeitgenössischen Kunstwerken zur Aufgabe macht. Um diese Herausforderung anzugehen, haben wir eine einzigartige Partnerschaft gegründet, in der Forschungseinrichtungen und Werkstoffwissenschaftler gemeinsam mit hochkarätigen Museen, Konservierungszentren und erfahrenen Fachleuten aus dem Bereich der Konservierung moderner Kunstwerke zusammenarbeiten. Auch führende Industriepartner wurden einbezogen, um die Skalierbarkeit des Restaurationsmaterials, das wir entwickeln werden, sowie den Technologietransfer entsprechend den Marktbedürfnissen bereitzustellen.

Länder

Italien