FTE Erfolgsstorys – Schaffung der Voraussetzungen für gedankengesteuerte Prothesen
Einige von Lebewesen vorgenommene Handlungen sind angeboren bzw. vorgegeben, wie z. B. Schlucken, Atmen und sogar die Fellpflege. Andere werden im Laufe des Lebens durch Ausprobieren erlernt. Das von der EU finanzierte Projekt "Neural mechanisms of action learning in mouse models" (Neuroaction) untersuchte die neurologischen Veränderungen (in Gehirn, Rückenmark und Nervensystem), die stattfinden, wenn Handlungen durch die Reaktion auf Reize, Tatsachen und Ereignisse erlernt werden. Die Projektergebnisse machen Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen, wie z. B. Parkinson und Chorea Huntington Hoffnungen und bieten jenen, die eine Rückenmarkverletzung erlitten haben, denen Gliedmaßen amputiert wurden oder die andere Behinderungen haben, die Möglichkeit, durch gedankengesteuerte Prothesen ihre Mobilität wiederzuerlangen. Das Neuroaction-Team versuchte herauszufinden, wie das Gehirn verschiedene Handlungen einleitet und ausführt; wie es die Genauigkeit und Geschwindigkeit von Handlungen durch Ausprobieren verbessert und wie das Gehirn lernt, dass bestimmte Handlungen zu bestimmten Ergebnissen und Zielen führen und wie dies zur Herausbildung von Gewohnheiten führen kann. Menschen lernen ursprünglich in einer zielgerichteten Art und Weise, was dann langsam zu einer Gewohnheit wird – ein Beispiel hierfür ist die Autofahrt von der Arbeit nach Hause. Das ist für das Neuroaction-Team besonders interessant im Kontext ihrer Forschungsarbeiten hinsichtlich der Mechanismen, die bei einer Sucht der Suche nach Drogen zugrunde liegen. "Anhand der Ergebnis dieser Forschungsarbeiten werden wir verstehen, wie wir Fertigkeiten automatisieren und Gewohnheiten ausbilden und wie wir im Alltag Entscheidungen treffen", erklärt Dr. Rui Costa, Forscher im Neuroaction-Projekt. "Sie werden uns hoffentlich auch beim Verständnis von Sucht – da viele Suchtdrogen diese Schaltkreise beeinträchtigen – und Zwängen helfen." Das Erlernen neuer Fertigkeiten findet in einem speziellen Teil des Gehirns, dem sogenannten Striatum, statt. Die präzisen Mechanismen und Schaltkreise, auf denen die Rolle des Striatum beim Erlernen und Festigen von Fertigkeiten beruht, sind noch nicht vollständig erforscht. Das Ziel dieses laufenden Projekts besteht darin, ein klareres Bild darüber zu verschaffen, wie sich die molekulare Organisation in diesem Bereich des Gehirns anpasst. Die Ergebnisse zeigten, dass die Synapsen in den Verbindungsbereichen zwischen Striatum und Großhirnrinde (dem Bereich des Gehirns, das für höhere Funktionen des Nervensystems verantwortlich ist) während des Erlernens einer Fertigkeit langfristige "Plastizität" aufweisen – eine notwendige Anpassung bei der Entwicklung und Erhaltung neu erworbener Fertigkeiten. "Wir wollten untersuchen, ob sich die neuralen Schaltkreise, die für unsere automatischen Reaktionen oder Gewohnheiten verantwortlich sind, von den neuralen Schaltkreisen unterscheiden, die unsere zielgerichteten oder absichtlichen Handlungen herbeiführen", sagt Dr. Costa. "Insbesondere wollten wir wissen, ob striatale Schaltkreise neu erworbene und keine automatisierten Handlungen herbeiführen." Das Team fand heraus, dass Schaltkreise, die sich durch das dorsomediale Striatum ziehen – einen Bereich des Stratiums, der an der Auswahl und Bewertung von Handlungen sowie einer wertbasierten Entscheidungsfindung beteiligt ist – viel wichtiger für neue Handlungen sind. Außerdem sind Schaltkreise im dorsolateralen Striatum – einem weiteren Bereich des Striatums, der sich mit Leistung und der gewöhnlichen Ausführung von Fertigkeiten beschäftigt – für automatisierte Fertigkeiten von Bedeutung, wie z. B. die Autofahrt von der Arbeit nach Hause oder das Fahrradfahren. Das Projektteam ist auch davon überzeugt, dass das sich das dorsolaterale Striatum soweit schulen lässt, dass implantierte Prothesen gesteuert werden können. Ihre Erkenntnisse könnten den Weg für die Entwicklung gedankengesteuerter Prothesen ermöglichen, um Menschen mit Rückenmarksverletzungen, Amputationen und anderen Behinderungen wieder zu einer normalen Mobilität zu verhelfen. Darüber hinaus untersuchte Neuroaction mögliche Verbindungen zwischen Störungen im Striatum und in der Großhirnrinde und neurodegenerativen Erkrankungen, wie Parkinson und Chorea Huntington. "Wir haben herausgefunden, dass Zellen, die bei Chorea Huntington und Parkinson absterben, reichlich in Bereichen vorkommen, die für die Automatisierung und Ausbildung von Gewohnheiten verantwortlich sind", erklärt Dr. Costa. Mit speziellen Geräten und Ressourcen führte das Team bei genetisch veränderten Mäusen während der verschiedenen Phasen des Erwerbs von Fertigkeiten Tests der neuralen Aktivität in regionsspezifischen Bereichen des Striatums durch. Von den Tieren lernen Aufgrund der veränderten Genetik der Mäuse konnte sich das Team auf spezifische Schaltkreise konzentrieren, während es die Nutzung von Optogenetik (eine Kombination aus optischen und genetischen Verfahren zur Steuerung der Aktivität einzelner Neuronen – Nervenellen, die in lebendem Gewebe Informationen übertragen) den Forschern ermöglichte derartige Schaltkreise mit großer Präzision zu manipulieren. Die Aktivität dieser Gehirnschaltkreise wurde dann elektrophysiologisch (d. h. durch die Untersuchung elektrischer Eigenschaften biologischer Zellen und Gewebe) überwacht. "Unser Konzept bestand darin, eine Aufgabe zu stellen, bei der die Tiere neue Fertigkeiten erlernen und automatisieren können, und dann die Schaltkreise zu manipulieren, um die neuralen Grundlagen dieser Prozesse zu untersuchen", sagt Dr. Costa. Die ersten Ergebnisse dieser Tests lieferten wichtige Daten zu den Prozessen, die beim Erwerb und der Ausführung von Fertigkeiten ablaufen, sowie zur Entstehung von Schädigungen, wie sie bei neurodegenerativen und psychiatrischen Erkrankungen beobachtet werden können. "Wir fanden heraus, dass tatsächlich verschiedene Schaltkreise den ursprünglichen Erwerb von Handlungen und die Automatisierung dieser Handlungen herbeiführen", fährt Dr. Costa fort. "Außerdem haben wir entdeckt, dass Dopamin aus Neuronen in dem Substantia nigra (Pars compacta) genannten Teil des Gehirns für diese Automatisierung und die Ausbildung von Gewohnheiten von Bedeutung ist." Dopamin ist ein Neurotransmitter, der an der Steuerung des Belohnungs- und Wohlfühlzentrums des Gehirns beteiligt ist, während die Substantia nigra (Pars compacta) eine indirekte Rolle bei der Steuerung der Motorik spielt. Die Arbeit des Projekts wird im Rahmen der Marie-Curie-Maßnahmen, einem von der Exekutivagentur für die Forschung (REA) verwalteten Forschungsfonds, in Höhe von 100 000 EUR und durch ein "Starting Grant" des Europäischen Forschungsrats (EFR) in Höhe von 1 500 000 EUR finanziert. Neuroaction wird Erforschung der Zusammenhänge zwischen neuralen Schaltkreisen und Verhalten im Projekt "Human Brain Project" (HBP) fortsetzen, das als eines der Leitprojekte im Bereich "Künftige und neu entstehende Technologien" angekündigt wurde. Das HBP wird von 2013 bis 2023 laufen. Die Forscher, u. a. auch Dr. Costa, werden damit beauftragt, Daten zu komplexen Systemen im Gehirn zu erarbeiten und Computermodelle dieser Systeme zu erstellen. - Vollständige Bezeichnung des Projekts: Neural mechanisms of action learning in mouse models - Projektakronym: Neuroaction - Website des Neuroaction-Projekts - Projektreferenznummer: 239527 - Name/Land des Projektkoordinators: Dr. José Mário Leite, Instituto Gulbenkian de Ciência, Lissabon (Portugal) - Gesamtprojektkosten: 100 000 EUR - EU-Beitrag: 100 000 EUR - Projektbeginn/-ende: August 2009 bis Juli 2013 - Weitere Partnerländer: Keine