ERC Storys - Neue Polymere - so stark wie Seide
Seidenraupen, die bereits 3500 Jahre vor dem Beginn unserer Zeitrechnung in China domestiziert wurden, haben im Lauf der Geschichte immer eine wichtige Rolle in gespielt. Aus Seide fertigte man hoch geschätzte Stoffe; der florierende Handel mit diesen Kostbarkeiten und der kulturelle Austausch entlang der Seidenstraße sind zur Legende geworden. Heute ist der weltweite Markt für Seide mehr als 100 Mrd. € wert. Im Rahmen des Projekts "Silks as Biomimetic Ideals for Polymers" (SABIP) widmet man sich der Untersuchung dieser natürlich vorkommenden Fäden. Das Ziel der Forschung sind eine verbesserte Seidenproduktion und die Erweiterung des Wissens über die Eigenschaften von Seide bis hin zur Entwicklung moderner Industriepolymere. Projektleiter Professor Vollrath von der Oxford University erklärt dazu: "Es gibt verschiedene Arten von Seide, die etliche Tierarten wie etwa Seidenraupen, Seidenspinnern und Spinnen produzieren. "Seide von Spinnen hat sich im Laufe der Evolution auf die Aufnahme von Aufprallenergie spezialisiert, während Kokonseiden eher einen Verbund ergeben müssen." Das Projekt untersucht die chemische Zusammensetzung und die genetischen Grundlagen der verschiedenen Seiden mittels "Biomining" und studiert die Zusammenhänge mit deren mechanischen Eigenschaften. "Biomining wird uns bei der Entdeckung neuer Seiden mit interessanten Materialeigenschaften und Gensequenzen unterstützen, während wir bei deren Untersuchung neue Prinzipien der Biopolymergestaltung entdecken werden", zeigt sich Professor Vollrath zuversichtlich. "Wir verstehen bereits, was eine gute Seide ausmacht und kennen die chemischen Signale, die mit der Qualität der Seide korrelieren", fährt er fort. "Seiden bestehen aus einem Proteintyp mit der Bezeichnung Amyloidfibrillen. Wasser hält das Molekül im Inneren des Tiers in einem vorübergehend stabilen Zustand und verhindert, dass sich die Proteine vernetzen. Wird die flüssige Seide extrudiert, verschwindet das Wasser und die mobilen Proteinmoleküle verbinden und falten sich mehr oder weniger dicht, so dass die Seidenfäden fest und für Pilze und Bakterien unverdaulich werden. Seide braucht die richtige Kombination aus Ordnung und Unordnung: zu viel Ordnung macht sie spröde, bei zu wenig Ordnung ist sie nicht ausreichend fest. Spinnen kontrollieren die mechanischen Eigenschaften der Seide über den Extrusionsprozess, Das macht es ihnen wiederum möglich, ihre Netze auf die Umgebungsbedingungen und die Art der zu jagenden Beute abzustimmen." Diese Mechanismen haben sich bei verschiedenen Tieren unabhängig voneinander entwickelt: einige Seidenspinner haben sogar vergleichbare DNA-Sequenzen wie Spinnen. Versteht man diese Prozesse, rückt die Entwicklung künstlicher Polymere, bei denen die Eigenschaften der Seide wie die großartige Festigkeit und Haltbarkeit nachgeahmt werden, in greifbare Nähe. "Es sieht so aus, als ob die Seidenproduktion etwa tausend Mal energieeffizienter als die Herstellung synthetischer Kunststoffe ist", berichtet Professor Vollrath, "und wir beginnen zu verstehen, wie man sich von Seide Inspirationen für neue, effektivere künstliche Polymere abgucken kann." Das Projekt setzt überdies molekulare Modelle ein und will so das Verständnis der Forscher für die gesammelten Daten verbessern. "Wir modellieren das Ganze von den Anfangsgründen an", erklärt Professor David Porter, der gleichmaßen an SABIP mitarbeitet. Dieser Ansatz ermöglicht es dem Team, die Prüfbedingungen zu optimieren und so tiefere Einblicke zu gewinnen. Bislang haben sich die Forscher auf Seidenraupen konzentriert, aber Seidenraupen spinnen ihre Seide und es ist schwierig, diesen Prozess zu untersuchen. Andererseits erzeugen Spinnen geradlinige Seide, die unter kontrollierten Bedingungen gesponnen, gesammelt und untersucht werden kann. Professor Vollrath bestätigt, dass "es uns erst die ERC-Finanzhilfe für etablierte Forscher gestattete, diese verschiedenen Projektelemente miteinander zu verknüpfen. Die großzügige Finanzierung ermöglichte unser Team." Die Forschergruppe arbeitet überdies an einer Kommerzialisierung ihrer Technologie und Resultate. "Wir sind mit europäischen Unternehmen im Gespräch, die Seide in Textilien, biotechnischen Anwendungen und medizinischen Implantate einsetzen, denn Seide ist biokompatibel und sogar als biologisch abbaubare Variante realisierbar." Zu den weiteren potenziellen Anwendungen zählt die Schaffung von Seide produzierenden Industriesektoren in neuen Regionen wie etwa Afrika, wobei eine Anpassung lokale Falterarten und einheimische Bäume vorzunehmen ist. - Quelle: Professor Fritz Vollrath - Projektkoordinator: University of Oxford, Vereinigtes Königreich - Projekttitel: Silks as Biomimetic Ideals for Polymers - Projektakronym: SABIP - Website von Professor Fritz Vollrath - RP7 Förderprogramm (ERC-Aufruf): Advanced Grant 2008 - Finanzierung durch die EK: 2,3 Mio. EUR - Projektdauer: fünf Jahre