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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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ERC Storys - Turbulenzen verstehen: der Schlüssel zur Wettervorhersage

Das Wetter im Sommer spielt weiterhin verrückt und der Klimawandel steht nach wie vor ganz oben auf der politischen Agenda, und so ist das Thema Wetter und Klimaprognose aktueller denn je. Mit Unterstützung von ERC will Professor Sergej S. Zilitinkevich vom Finnischen Meteorologischen Institut (FMI) die herkömmlichen Methoden im Umgang der Physik mit Turbulenzen in Atmosphäre und Ozean überdenken - mit wichtigen Konsequenzen für die Modellierung und die Vorhersage von Wetter und Klima.

Prof. Zilitinkevich zufolge sind "Turbulenzen der Schlüssel zur atmosphärischen 'Maschine'. Wir können Wettersysteme nicht verstehen, solange wir die Zusammenhänge zwischen ihren Teilen nicht verstehen." Fast ein Jahrhundert lang, so Zilitinkevich, war unser Verständnis von Turbulenzen sehr vereinfacht und basierte auf der Annahme, dass sie lediglich aus zwei Teilen bestehen: "mittlere Strömung" (eine geordnete Bewegung, die mittels der klassischen Mechanik analysiert werden kann) sowie "Turbulenzen" (eine chaotische Bewegung, die analysiert mittels statistischer Methoden analysiert werden muss). Dieser Ansatz reicht für technische Anwendungen aus, im Bereich geophysikalischer Turbulenzen - etwa Klima und Wetter - stoßen diese Methoden allerdings schnell an ihre Grenzen. In der Atmosphäre oder im Meer verändert sich die Dichte des Mediums mit der Höhe. Dies führt zu Schichtung, Instabilität und Phänomenen wie der Konvektion. Mithilfe des klassischen Paradigmas ließen sich diese Phänomene nicht zufriedenstellend erklären. Neues Paradigma "Wir erleben gerade eine wissenschaftliche Revolution in diesem Bereich", sagt Prof. Zilitinkevich. "Atmosphärische Turbulenzen lassen sich nun mit drei Teilen beschreiben: dem gleichmäßigen Fluss, den chaotischen Turbulenzen und mit selbstorganisierten Strukturen." Aus Selbstorganisation entstehen langlebige Strukturen wie etwa konvektive Zellen oder Walzen in der Atmosphäre oder dem Meer. Dieser neue Ansatz bedeutet für die Forschung sowie die Modellierung, dass diese drei unterschiedlichen Arten von Bewegungen und ihre Rolle für Energie- und Stoffaustausch in der Atmosphäre und im Meer berücksichtigt werden müssen. "Der Wärmeaustausch zwischen den oberen Ozeanschichten und der unteren Atmosphäre wird durch Turbulenzen gesteuert", erklärt Prof. Zilitinkevich. "Der Großteil der thermischen Energie steckt im Ozean und nicht in der Atmosphäre, aber wir erleben Klima anthropozentrisch als ein Merkmal des oberflächennahen Teils der Atmosphäre, der atmosphärischen 'planetaren Grenzschicht' (planetary boundary layer, PBL)." Mit seinem Projekt PBL-PMES will der Wissenschaftler die physikalischen Theorien für die Modellierung der planetarischen Grenzschichten gründlich überarbeiten. Dies soll nicht nur zu einem besseren Verständnis des Wärmeaustauschs zwischen Land, Meer und Luft führen, es soll auch neue Einblicke in bestimmte Phänomene möglich machen, etwa zu flachen stabilen atmosphärischen PBL, die Smog und Verschmutzung in der Luft über Städten festhalten. Prof. Zilitinkevich geht davon aus, dass seine Forschungen zu radikalen Veränderungen im wissenschaftlichen Verständnis von Wetter und Klima führen und die Erstellung von Prognosemodellen maßgeblich voranbringen werden. "In zehn Jahren werden die Vorhersagen von Wetter und Klima Vorhersagen um ein Vielfaches besser sein als die heutigen", sagt er. "Mikroklimamodelle wie beispielsweise von lokalen Klimaveränderungen aufgrund einer veränderten Bodennutzung werden viel genauer sein." Der neue theoretische Rahmen wird dann in moderne Modelle für die Wetterprognose und die Vorhersage von Luftverschmutzungen umgesetzt. Bis vor kurzem war einer der größten Einschränkungen bei der Wettervorhersage die räumliche Auflösung der Modelle aufgrund der Leistungsstärke von Supercomputern. Aber neue verbesserte physikalische Theorien bedeuten, dass jetzt die Modelle überarbeitet werden müssen. "Wir arbeiten mit einem sehr guten Netzwerk von Anbietern von Wettermodellen in ganz Europa zusammen", sagt Prof. Zilitinkevich. "Bis Ende des nächsten Jahres hoffen wir, am Finnischen Meteorologischen Institut einige praktische Ergebnisse vorweisen zu können - außerdem arbeiten wir mit MétéoFrance und dem Dänischen Meteorologischen Institut zusammen." Darüber hinaus werden auch Astrophysiker herangezogen, um die Theorien zu validieren, was zu neuen Erkenntnissen über Konvektion bei Sternen und der Sonne sowie über Akkretionsscheiben um Schwarze Löcher herum beitragen soll. "Es ist ein großer Erfolg, dass wir endlich zwei neue aufregende Forschungsbereiche zusammenbringen können", so Prof. Zilitinkevich, "eine neue Theorie zu Turbulenzen sowie die Bestrebung, Turbulenzen bei der Klimamodellierung zu berücksichtigen." Einzelheiten zum Projekt: - Leitender Forscher/Leitende Forscherin: Professor Sergej S. Zilitinkevich - Gasteinrichtung: Finnish Meteorological Institute (FMI), Finnland - Projekt: Atmospheric planetary boundary layers: physics, modelling and role in Earth system (PBL-PMES) - ERC-Aufforderung: Advanced Grant 2008 - ERC-Finanzierung: 2,4 Mio. EUR - Projektdauer: fünf Jahre – Prof. Zilitinkevichs PBL-PMES Projektwebsite