FTE-Erfolgsstorys - Produktgestaltung: ein komplexes Miteinander
Die Herstellung mikroelektromechanischer Systeme (MEMS) ist ein gewaltiger und komplexer Prozess, zu dem zuweilen hunderte verschiedene Schritte gehören, die jeweils von einem Dutzend oder noch mehr Parametern wie etwa verschiedenen Drücken, Temperaturen und Werkstoffverbunden usw. gesteuert werden. Die Wünsche und der Bedarf der Kunden spielen eine Schlüsselrolle dabei, welche MEMS und mit welchen Spezifikationen entwickelt werden. Beispielsweise in der Autoindustrie ist ein ganzes Spektrum mikroelektromechanischer Systeme wie etwa mikrokleine Beschleunigungsmesser zum Auslösen von Airbags oder die Fahrzeuge in der Spur haltende Sensoren im Einsatz. Bei ihnen werden jeweils elektrische und mechanische Funktionen mit Hilfe winziger eingebetteter, in Siliziumwafer eingeätzter Computer kombiniert. Nur ist diese "Ehe" der elektromechanischen und der Mikrochip-Technologie nicht immer glücklich. Die ingenieurwissenschaftliche Seite hat traditionell mit der Welt der sichtbaren beweglichen Teile zu tun. Aber mit dem Fortschritt im Mikrocomputerbereich und in der Elektronik wollen wir eine MEMS-bezogene Produktgestaltung (Product Engineering, PE) und Entwurfsautomatisierung (Electronic Design Automation, EDA), die mit den Entwicklungen in der Mikro- und Nanotechnologie verflochten werden kann. Diese Beziehung ergebe eine Art Henne-und-Ei-Problem, wie Kai Hahn, ein Experte des Fachgebiets von der Universität Siegen (Deutschland), zu bedenken gibt. Denn im Gegensatz zur Produktausgestaltung bei integrierten Schaltungen, erfordert die inhärente Struktur bzw. die sogenannte "dritte Dimension", die zur Gestaltung mikroelektromechanischer Systeme nötigt ist, möglichweise umfassende Veränderungen der Technologieparameter. Um dieses Problem zu beheben, ist ein tiefgehendes Verständnis des gesamten Produktgestaltungsprozesses für Mikro- und Nanotechnologien und mikroelektromechanische Systeme unerlässlich. Und das konnte noch keiner vorweisen … bis jetzt zumindest. Großartiger Start ... und noch besserer Zieleinlauf Das EU-finanzierte Corona-Projekt entwickelt den ersten integrierten Gestaltungsablauf unter Berücksichtigung der Prozessentwurfsstufen von der Produktidee bis zur Fertigung - mit besonderem Akzent auf dem End-to-End-Bedarf der Kunden und der kleinen MEMS-Hersteller in der Wertschöpfungskette. "Als Corona 2008 an den Start ging, gab es keine speziell dafür vorgesehene Produktgestaltungsmethodik für Mikro- und Nanotechnologien. Es gab kaum Werkzeuge für dieses Hightechsegment, so dass wir hier unsere Chance sahen", erklärt Dr. Hahn, ein wichtiger Forscher des Konsortiums. Mit Partnern, welche die Schlüsseletappen entlang der MNT-PE-Kette repräsentieren, hatte Corona einen Vorsprung gegenüber den konkurrierenden Forschungsgruppen. Die Initiative profitierte außerdem von einem früheren europäischen Projekt mit dem Titel Promenade, in dessen Rahmen Software zur Unterstützung der Gestaltung von MEMS-Fertigungsabläufen erstellt wurde. Das Team führte die Arbeit von Promenade weiter und verknüpft seine neue Methodik und die neuartigen Werkzeuge mit aktuellen kommerziellen Standards, so dass Mikro- und Nanotechnologie-Produktgestaltung von Corona nutzerfreundlicher wird. "Das war wichtig, da der Kunde der einzige ist, der die genauen Produktspezifikationen wirklich kennt und innerhalb des Produktgestaltungsprozesses Go/No-Go-Entscheidungen treffen kann", bekräftigt Dr. Hahn. Mission erfolgreich abgeschlossen Corona konnte alle Hauptziele erreichen: eine Methodik für alle MNT-PE-Designprozessstufen, die Methodik unterstützende Software, Middleware und Anwendungen sowie in der Realität angesiedelte MEMS-Demonstrationen. "Die von unseren Partnern XFAB (Erfurt), ITE (Warschau), ELMOS (Dortmund), Theon (Athen) und Cambridge University durchgeführten Demos bestätigten das Konzept von Corona und waren sehr hilfreich bei der Verbesserung unserer Methoden und Werkzeuge", bestätigt der Forscher. Die Vermarktung mehrerer von Corona ausgehender Werkzeuge ist im Gange. Insbesondere konnte der Projektpartner Coventor (Paris) seinen cleveren Design-Simulator ("SEMulator3D") kommerzialisieren. Ein weiterer Partner, Process Relations (Dortmund), entwickelte "XperiDesk" zur Verwaltung einer Vielzahl von Aufgaben bei der Gestaltungszusammenarbeit, von der Idee bis zum Rapid-Prototyping. Mittlerweile sind mehrere Prototypen wie die von Hochschulpartner ITE entwickelte "Hedoris"-Plattform und die "ProcessRecommender"-Suite der Universität Siegen Gegenstand weiterer Forschung. Auch der "Electronic Product Engineering Flow Manager" wird von seinen Schöpfern bei der Firma ELMOS intern eingesetzt. Projektkoordinator IVAM stellt seine Beziehungen als Industrieverband der Mikro- und Nanotechnologien für einen guten Zweck zur Verfügung und teilt die Resultate aus Corona den Mitgliedsunternehmen mit. Die breite Öffentlichkeit kann überdies in einem Buch, das Springer 2012 veröffentlichen wird, über die Erkenntnisse und Methoden des Projekts nachlesen. - Vollständige Bezeichnung des Projekts: "Customer-oriented product engineering of micro and nano devices" - Projektakronym: Corona - Corona-Projektwebsite - Projektreferenznummer: 213969 - Name/Land des Projektkoordinators: Universität Siegen, Deutschland - Gesamtprojektkosten: 4 355 139 EUR - Beitrag der EK: 2 999 EUR - Projektbeginn/-ende: Juli 2008 bis Juni 2011 - Weitere Partnerländer: Polen, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Griechenland, Niederlande