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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Gridgestütztes "Google" zur Bekämpfung neurologischer Krankheiten

Grid Computing - eine Form des verteilten Rechnens - wird schon länger von Physikern und Astronomen verwendet, um schnell und effizient mit riesigen Datenmengen zu rechnen. Und nun befindet es sich auf dem Sprung in die Welt der Biomedizin. Die Forscher kamen in den Genuss von EU-Fördermitteln und konnten Hunderte von Computern vernetzen, um die Suche nach Therapien für neurologische Krankheiten wie etwa Alzheimer zu unterstützen. Sie nennen ihr System das "Google der Gehirn-Bildgebung".

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Im Rahmen des Neugrid-Projekts konnte die europaweite Grid-Computing-Infrastruktur neue Pfade der Erforschung von degenerativen neurologischen Erkrankungen und anderen Krankheiten eröffnen, und gleichzeitig das Versprechen schnellerer und genauerer klinischer Diagnosen am einzelnen Patienten einlösen. Die mit 2,8 Millionen EUR Finanzmitteln von der Europäischen Kommission eingerichtete Infrastruktur wurde im Laufe von drei Jahren von Forschern in sieben Ländern entwickelt. Hauptziel war es, den Neurowissenschaftlern die Möglichkeit zu verschaffen, MRT-Untersuchungen - Kernspintomografien - an Gehirnen von Alzheimerpatienten wirklich schnell und effizient analysieren zu können. Die Arbeit der Wissenschaftler konnte allerdings auch dazu beitragen, die Tür für den Einsatz des Grid-Computings bei der Erforschung anderer neurologischer Erkrankungen und in vielen anderen Bereichen der Medizin aufzustoßen. "Neugrid ging an den Start, um einen sehr realen Bedarf zu befriedigen. Die Neurologieabteilungen in den meisten Krankenhäusern haben keinen schnellen und unkomplizierten Zugang zu technisch ausgereiften MRT-Analyseressourcen. Sie müssen die Ärzte jedesmal, wenn die Auswertung einer Untersuchung ansteht, in andere Labors schicken. Und so dachten wir uns: warum sollten wir nicht die Ressourcen zu den Forschern bringen, anstelle die Forscher zu den Ressourcen zu schicken?", erklärt Giovanni Frisoni, Neurologe und stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des IRCCS Fatebenefratelli, dem italienischen Nationalen Zentrum für Alzheimer und Geisteskrankheiten in Brescia. Die Arbeit von fünf Jahren in zwei Wochen Das von David Manset von MaatG in Frankreich und Richard McClatchey von der University of the West of England in Bristol geleitete Neugrid-Team legte den Grundstein für die Grid-Infrastruktur. Man begann mit fünf verteilten Knoten von jeweils 100 Kernen (CPUs), die über Grid-Middleware miteinander verbunden und mittels einer einfach zu bedienenden Web-Browser-Schnittstelle über das Internet zugänglich sind. Zum Testen der Infrastruktur setzte das Team Bilddatensätze der Alzheimer-Neuroimaging-Initiative in den Vereinigten Staaten ein, der größten öffentlichen Datenbank von MRT-Scans von Patienten mit Alzheimer-Krankheit und leichteren kognitiven Störungen ("Mild cognitive impairment"). "Im Rahmen von Neugrid ist es uns gelungen, die größte rechnerische Herausforderung zu meistern, an der man sich jemals in den Neurowissenschaften versucht hat: Wir extrahierten 6.500 MRT-Untersuchungen von Patienten mit unterschiedlichen Graden kognitiver Beeinträchtigung und analysierten diese innerhalb von zwei Wochen", wie Dr. Frisoni, der leitende Forscher des Projekts, betont, "auf einem normalem Computer hätte das ganze fünf Jahre gedauert!". Obwohl die Alzheimer-Krankheit etwa die Hälfte aller Menschen im Alter von über 85 Jahren betrifft, bleiben Ursachen und Verlauf immer noch weitgehend im Dunklen. Weltweit leiden mehr als 35 Millionen Menschen an Alzheimer und diese Zahl wird voraussichtlich bis 2050 auf über 115 Millionen ansteigen, da die Weltbevölkerung unaufhaltsam altert. Patienten mit Frühsymptomen können sich nur schwer an die Namen von Personen und Orten sowie nicht lange zurückliegende Ereignisse erinnern; sie tun sich schwer mit dem Lösen einfacher mathematischer Probleme. Da das Gehirn degeneriert, verlieren die Patienten in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung völlig die Kontrolle über die geistigen und körperlichen Funktionen - sie brauchen dann rund um die Uhr Betreuung. Die als Teil des Neugrid-Projekts durchgeführte Analyse der MRT-Untersuchungen sollte den Forschern dabei helfen, wichtige Einblicke in einige der großen Fragen rund um diese Krankeit zu gewinnen: Welche Bereiche des Gehirns bauen zuerst ab? Welche Veränderungen gehen im Gehirn vor sich, die als Biomarker für die Erkrankung dienen könnten? Und welche Sorte Arzneimittel könnte wirken, um eine Progression zu verlangsamen oder zu verhindern? Neugrid baute auf der Forschungsarbeit zweier vorhergehender EU-finanzierter Projekte auf: Mammogrid, das die Einrichtung einer Grid-Infrastruktur zur Analyse von Mammografiedaten zum Ziel hatte, und AddNeuroMed, in dessen Rahmen nach Biomarkern für Alzheimer gesucht wurde. Das Team wird nun in einer Reihe von Folgeprojekten seine Arbeit weiterführen. Ein erweitertes Grid und ein neues Paradigma Neugrid for You (N4U), eine direkte Fortsetzung von Neugrid, baut auf der Grid-Infrastruktur auf, und wird sie mit Hochleistungsrechensystemen (High Performance Computing, HPC) und Cloud-Computing-Ressourcen zusammenführen. Mit 3,5 Millionen EUR Finanzmitteln von der Europäischen Kommission wird das Projekt außerdem die Nutzerdienstleistungen, Algorithmusweitergabe und Datensätze erweitern, um ein virtuelles Labor für Neurowissenschaftler zu etablieren. "In Neugrid haben wir die Grid-Infrastruktur aufgebaut, mit der technische Herausforderungen wie die Interoperabilität der Core-Computing-Ressourcen gemeistert und die Skalierbarkeit der Architektur gewährleistet werden. In N4U werden wir uns auf die dem Nutzer zugewandten Seite der Infrastruktur, insbesondere die für die Forscher zur Verfügung stehenden Services und Tools, konzentrieren", sagt Dr. Frisoni. "Wir wollen damit versuchen, die Nutzung der Infrastruktur für die Forschung so einfach und unkompliziert wie nur irgend möglich zu machen", fährt er fort, "der Lernprozess sollte nicht viel schwieriger als beim Erlernen des Benutzung eines iPhones ausfallen!" N4U will überdies die Grid-Infrastruktur von den anfänglich fünf Computing-Clustern durch Verbindungen mit CPU-Knoten an neuen Standorten erweitern. Dazu gehören 2.500 CPUs, die vor kurzem in Paris in Zusammenarbeit mit der französischen CEA (Commissariat à l’énergie atomique et aux énergies alternatives) und in Partnerschaft mit "Enabling Grids for E-science Biomed VO", einer biomedizinischen virtuellen Organisation, hinzugefügt wurden. Eine weitere Folgeinitiative, outGRID, soll die Neugrid-Infrastruktur mit ähnlichen Grid-Computing-Ressourcen vereinen, die in den Vereinigten Staaten vom Laboratory of Neuro Imaging an der University of California, Los Angeles, und der CBRAIN-Gehirnbildgebungs-Forschungsplattform gebildet werden, die von der McGill University in Montreal, Kanada, entwickelt wurde. Vor kurzem veranstaltete die Internationale Fernmeldeunion (ITU), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, einen Workshop, um diese Bemühungen zu unterstützen. Dr. Frisoni ist überdies auch der wissenschaftliche Koordinator des DECIDE-Projekts, das an der Entwicklung klinischer Diagnoseinstrumente für Ärzte arbeiten wird, die auf der Neugrid-Grid-Infrastruktur aufgebaut sind. "Es gibt ein paar wichtige Unterschiede in der Verwendung von bildgebenden Datensätzen über das Gehirn für die Forschung und für die Diagnose", erklärt er. "Die Forscher vergleichen viele Bilder miteinander, wohingegen die Ärzte eher daran interessiert sind, Bilder von einem einzelnen Patienten mit einer größeren Anzahl von Datensätzen zu vergleichen, um möglichst eine Krankheit zu diagnostizieren. Darüber hinaus sind die von den Forschern verwendeten Datensätze anonym, während die Aufnahmen von einem einzelnen Patienten dies nicht sind und somit der Schutz von Patientendaten zum Problem wird." Das DECIDE-Projekt wird sich diesen Fragen widmen, um die Grid-Infrastruktur zur Unterstützung der Ärzte bei der Behandlung ihrer Patienten einzusetzen. Wenngleich der Hauptschwerpunkt all dieser neuen Projekte in der Anwendung des Grid-Computing in den Neurowissenschaften liegt, betont Dr. Frisoni, dass dieselbe Infrastruktur, die Architektur und diese Technologien zum Einsatz kommen könnten, um neue Forschung - und neue, effizientere Diagnosewerkzeuge - auf anderen Gebieten der Medizin zu ermöglichen. "Wir helfen mit, den Grundstein für ein neues Paradigma der gridgestützten medizinischen Forschung zu legen", so Frisonis Bilanz. Neugrid erhielt Forschungsmittel innerhalb des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Union (RP7). Nützliche Links: - Website "A grid-based e-infrastructure for data archiving/communication and computationally intensive applications in the medical sciences" - Neugrid-Projektfactsheet auf CORDIS - Website "Expansion of NeuGRID services and outreach to new user communities" - Projektfactsheet NeuGRID for you auf CORDIS - Website "A worldwide e-infrastructure for computational neuroscientists" - outGRID-Projektfactsheet auf CORDIS Weiterführende Videos: - NeuGRID - outGRID Weiterführende Artikel: - Feature Stories - Wie offene Daten und E-Infrastrukturen Ökosysteme schützen - Arbeit an europaweiter Grid-Infrastruktur erreicht nächste Stufe