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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Wegweisender Ansatz zur wasserfreien Mikrochipfertigung

Die in jedem modernen elektronischen Gerät vorzufindenden winzigen Hochgeschwindigkeits-Computerchips haben nur noch wenig Ähnlichkeit mit ihren noch vor wenigen Jahrzehnten üblichen sperrigen und langsamen Vorgängern. Andere Werkstoffe, neue Designs und neue Fertigungsverfahren haben stetig aufeinanderfolgende Generationen von integrierten Schaltungen mit immer mehr Leistung bei immer geringeren Kosten garantiert. Bahnbrechende EU-finanzierte Forschung trägt nun dazu bei, diesen Trend auch weiterhin fortzusetzen.

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Das Mooresche Gesetz beruht auf der Beobachtung des Intel-Mitbegründers Gordon E. Moore und besagt, dass sich die Zahl der Transistoren auf einem Chip und infolgedessen die Rechenleistung etwa alle zwei Jahre verdoppelt. Und ziemlich genau so verhält es sich seit mehr als einem halben Jahrhundert. Wir tragen schon jetzt mehr Rechenleistung in den Mobiltelefonen in unseren Hosentaschen herum, als noch vor nur ein paar Jahrzehnten in einen der damals hausgroßen Computer hineinpasste. Um aber immer mehr Transistoren auf immer kleineren Raum quetschen zu können - und somit dafür zu sorgen, dass das Mooresche Gesetz auch weiterhin zutrifft -, müssen die Chipentwickler zunehmend innovativ denken, da die Chipbauelemente bis in den Nanobereich schrumpfen. "Querdenken - ohne Wenn und Aber - über den Tellerrand hinaus." Diesem Motto folgte das Copper-Projekt ("Copper interconnects for advanced performance and reliability"), in dem Forscher aus acht Einrichtungen - Unternehmen, Forschungsinstituten und Universitäten - in vier Ländern ein zentrales Problem der Chipfertigung lösten. Im Fortgang dieses Projekts öffneten die Forscher das Fenster zu einem völlig neuen Forschungsgebiet innerhalb der Halbleiterindustrie. Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf die Methoden und Werkstoffe, die dazu verwendet werden, um die Milliarden winziger Transistoren auf einem modernen Mikrochip miteinander zu verbinden, und wurden bei ihren Bemühungen mit 3,15 Millionen EUR Finanzmitteln von der Europäischen Kommission unterstützt. Das Copper-Team entwickelte einen speziellen Prozess, der den Einsatz reaktionsfähiger Metalle als direkte Barriere zwischen den Kupferleiterbahnen und dem Siliziumwafer des Chips ermöglicht, indem nicht wässrige Lösungsmittel anstelle von Lösungsmitteln auf Wasserbasis verwendet werden - was eine echte Weltneuheit in der Halbleiterindustrie darstellt. "Da die Anzahl der Transistoren auf einem Chip zunimmt, wird auch die Länge der Verbindungen zwischen den Transistoren größer. Da die Leiterbahnen einen bestimmten Widerstand aufweisen, verursacht diese Verlängerung eine größere zeitliche Verzögerung in der Kommunikation zwischen den Transistoren - was letztlich die Chipleistung behindert", erklärt Jan Fransaer, Forscher am Fachbereich Metallurgie und Werkstofftechnik (Department of Metallurgy and Materials Engineering, MTM) an der Katholieke Universiteit Leuven in Belgien. Kürzere Verbindungen bedeuten eine verbesserte Chipleistung. Nun allerdings, da die Chipeigenschaften die Größenordnung von 22 Nanometern erreicht haben - und das ist ungefähr 3.000 Mal kleiner als der Durchmesser eines Menschenhaares -, gibt es neue Hindernisse für eine weitere Verkürzung. Das Problem auf den Punkt gebracht Die problematische Seite dieser Frage stellt sich - grob vereinfacht ausgedrückt - in etwa so dar: Bis Mitte der 1990er Jahre war Aluminium das Metall der Wahl zum Auffüllen der Leiterbahndurchkontaktierungen ("Vias", Vertical Interconnect Access), der kleinen Gräben im Silizium, in denen die Elektronen zwischen den Transistoren transportiert werden. Aluminium ist ausreichend leitfähig, um die die Leistung betreffenden Anforderungen der Transistoren zu erfüllen, die per Chip in die Millionen gehen. Und im Gegensatz zu anderen, noch leitfähigeren Metallen wie Kupfer, Silber und Gold dringt es auch nicht in das Silizium ein - ein Prozess, der im Lauf der Zeit letztlich die Schaltung zerstören würde. Da nun die Chips immer kleiner wurden und die Transistoren inzwischen zunehmend nach Milliarden zählen, benötigte man schnellere Verbindungsleistungen. Ein Metall mit noch besserer Leitfähigkeit sollte es sein. Deshalb stellten die Halbleiterhersteller auf Kupfer als Leiterbahnwerkstoff um. Hier musste wiederum etwas getan werden, um das Eindringen von Kupfer in das Silizium zu verhindern. Dieses Problem konnte durch Zugabe einer sogenannten "Diffusionsbarriere" gelöst werden, einer aus einem anderen Metall bestehenden Schicht, die das Silizium vor dem Kupfer schützt. Das Metall Tantal ist eine erstklassige Diffusionsbarriere. So weit, so gut: die Tantaldiffusionsbarriere schützt nun das Silizium vor dem Kupfer in den Leiterbahn-Durchkontaktierungen. Die Abscheidung der Kupferleiterbahnen erfolgt durch "Elektroplattieren" auf elektrolytischem Wege, indem elektrischer Strom durch ein Lösungsmittel geleitet wird, um die Durchkontaktierungen mit Metallionen zu beschichten. Übliches Lösungsmittel ist eine wässrige (z. B. auf Wasser basierende) Lösung. Aber es gibt auch noch ein anderes Problem: Tantal oxidiert in Wasser sofort und so mussten die Hersteller bisher zunächst die Tantaldiffusionsbarriere mit Kupfer beschichten, d. h., eine sogenannte Keimschicht auflegen, die das Tantal ebenso vor dem Wasser schützt, wie das Tantal das Silizium vor dem Kupfer bewahrt. Die Keimschicht wird unter Einsatz eines CVD-Verfahrens (chemische Gasphasenabscheidung, Chemical Vapour Deposition) aufgebracht. "Und warum wir nicht einfach die Keimschicht für den Aufbau der Leiterbahnen nutzen können? Da CVD ein Line-of-sight-Prozess ist: Es wird genügend Kupfer abgeschieden, um das Tantal zu beschichten, aber nicht genug, um durchgehende Leiterbahnen herzustellen. Und so müssen wir noch auf das Elektroplattieren oberhalb der Kupferkeimschicht zurückgreifen, um die Durchkontaktierungen mit ausreichend Kupfer aufzufüllen, um schließlich die Leiterbahnen zu realisieren", erläutert Professor Fransaer. Die Chiphersteller haben somit im Wesentlichen das Matrjoschka-Prinzip auf der Nanometerskala erkundet. "So blöd es auch klingt - die Lösung eines Problems hat ein anderes Problem erzeugt - aber die Lösung hat sich bis jetzt bewährt", gibt Professor Fransaer zu bedenken. Und was hat sich überhaupt geändert? Der Maßstab des Ganzen. Die Kupferkeimschicht ist fünf bis zehn Nanometer dick, so dass diese Schicht - die keinem anderen Zweck dient, als die Tantaldiffusionsbarriere während der Chipfertigung vor Oxidation zu schützen - bei einer Größenordnung von weniger als 22 nm viel zu viel Platz einnimmt. Die Antwort? "Das Lösungsmittel verändern", sagt Professor Fransaer. Die Lösungsmittelfrage lösen Anstelle Wasser zu verwenden, entwickelte das Copper-Projektteam einen innovativen Prozess, in dem nicht wässrige Lösungsmittel wie etwa flüssiger Ammoniak und ionische Flüssigkeiten zum Einsatz kommen. Diese verursachen keine Oxidation am Tantal, so dass ein Elektroplattieren ohne Kupferkeimschicht möglich ist. Daraus resultiert, dass die Leiterbahndurchkontaktierungen kleiner sein können, die Chipgröße weiter reduziert, die Anzahl der Transistoren erhöht und die Chipleistung stark verbessert werden kann. "Elektroplattierung unter Einsatz von flüssigem Ammoniak und ionischen Flüssigkeiten wurde bereits zuvor realisiert, aber wir haben diesen Prozess erstmalig in der Halbleiterindustrie zum Einsatz gebracht", hebt Professor Fransaer hervor. "Diese Technik wird mit Sicherheit dazu beitragen, das Mooresche Gesetz zumindest für ein paar weitere Generationen weiter gelten zu lassen." Das Team untersuchte zwecks Weiterentwicklung des Prozesses verschiedene Wafermaterialien und Elektrolytbestandteile für die nicht wässrige Lösung, erkundete deren physikalische Eigenschaften und setzte Analyse- und Simulationsverfahren ein, um den besten Ansatz zu ermitteln. Vor dem Bau eines Proof-of-Concept-Demonstrators wendeten die Forscher eine Mikromodellierung des Prozesses an. "Wir hatten uns tatsächlich nach Terra incognita vorgewagt. Es war absolutes Neuland. Vor dem Projekt Copper gab es keine einzige wissenschaftliche Veröffentlichung über die Verwendung von nicht wässrigen Lösungen in der Halbleiterindustrie", merkt der Projektleiter an. So überrascht es nicht, dass das Projekt bei den Chipherstellern auf großes Interesse stieß, als das Team auf internationalen Konferenzen die Resultate präsentierte. "Das Interesse war definitiv groß, auch wenn wir nicht sicher sagen können, ob irgendjemand unsere Forschung als eine Grundlage zur kommerziellen Nutzung diesen Prozesses verwendet hat. Gleichwohl denke ich, dass es ist nur eine Frage der Zeit ist, bis man mit dem Einsatz nicht wässriger Lösungen beginnen wird - jetzt, nachdem wir beweisen haben, dass es machbar ist", schätzt Professor Fransaer ein. Obwohl Ammoniak, das unter Druck stehen muss, um flüssig zu bleiben, oder ionische Flüssigkeiten weniger reichlich verfügbar und teurer als Wasser sind, sind die Kosten ihrer Verwendung nach Professor Fransaers Einschätzung im mehrere Milliarden Euro schweren Halbleitersektor eher kein Thema. "Ein Übergang von wässrigen zu nicht wässrigen Lösungen hätte nur einen winzigen Einfluss auf die im Großen und Ganzen entstehenden Kosten", so Fransaer. Was möglicherweise sogar noch bedeutender ist: Die Forschungsarbeit des Teams hat den Forschern außerdem die Augen für andere Möglichkeiten geöffnet; nicht nur für Tantal, sondern auch für andere Metalle und nicht nur im Zusammenhang mit Halbleiteranwendungen. Die Mitglieder des Projektkonsortiums planen beispielsweise ein Folgeprojekt, bei dem Elemente der Copper-Projektforschung zur Arbeit an der Verbesserung der Wärmeableitung bei Leistungselektronik des Typs genutzt werden sollen, der in den derzeit in Europa und anderswo einzuführenden intelligenten Stromnetzen gebraucht wird. "Viele Elemente, auch die sogenannten Edelmetalle, können aus Wasser heraus elektroplattiert werden, aber bei vielen klappt das nicht, etwa bei Aluminium, Silizium, Germanium usw. Wir konnten beweisen, dass bei Einsatz einer nicht wässrigen Lösung auch einige von diesen galvanisiert werden können. Das eröffnet ein völlig neues Spektrum von Anwendungen, die man vorher wahrscheinlich niemals für möglich gehalten hätte", betont Professor Fransaer. Copper erhielt Forschungsmittel innerhalb des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Kommission (RP7). Nützliche Links: - Copper-Website "Copper interconnects for advanced performance and reliability" - Copper-Projektfactsheet auf CORDIS - CORDIS-Website zum Thema Nanoelektronik innerhalb des RP7 Weiterführende Artikel: - Feature Stories - Schnellere Transistoren sorgen für mehr Sicherheit beim Fahren - Europäische Forscher führen Halbleitertechnologie an - EUROPRACTICE geht neue Wege im Mikrochipdesign