Wie die „Besitzlosen" die rechtmäßige Bürgerschaft umdefinieren
Untersuchungen der Alltagsaktivitäten von Menschen in der Europäischen Gemeinschaft haben gezeigt, dass der Zugang zu Räumen, in denen Handeln und Anerkennung möglich sind, in starkem Maße von sozialen, nationalen und ethnischen Kriterien abhängt. Die Grundsätze der europäischen Unionsbürgerschaft, dargelegt in der Lissaboner Strategie (im Zusammenhang mit Beschäftigung, sozialer Integration und Teilhabe an der Wissensgesellschaft), sind inzwischen Realität geworden. Allerdings gibt es bei dem formellen Rahmen einer rechtmäßigen Bürgerschaft noch große Hindernisse zu überwinden. Das EU-finanzierte Projekt "Profane citizenship in Europe - Testing democratic ownership in hybrid situations" (PROFACITY) nutzte das Konzept der profanen Bürgerschaft zur Analyse der demokratischen Eigenverantwortung. Insbesondere untersuchten Forscher, ob und wie die Praktiken von Akteuren in Situationen, in denen sie sich mit ihren Fehlern, Handicaps und fehlenden Ressourcen hätten bescheiden müssen, als Alternativen zur rechtmäßigen Bürgerschaft gesehen werden. Auf der theoretischen Ebene wurden Fortschritte erzielt, die nun das Konzept der demokratischen Eigenverantwortung bereichern. Dies ermöglicht ein überarbeitetes Konzept der Betrachtung der Wandlung und dynamischen Umgestaltung der Inhalte einer Bürgerschaft im europäischen Kontext. Die Projektpartner führten qualitative Erhebungen in drei sich überschneidenden Forschungsbereichen durch: Sprachen und Codes, Identitätsbescheinigungen und Tests der Urbanität. Zu den Themen, die in Angriff genommen wurden, gehörten "das Recht, da zu sein" und das „Recht, Rechte zu besitzen". Durch Feldforschungen und in der Rückschau auf alle Forschungsbereiche bestätigten die Forscher, dass in ganz bestimmten Zusammenhängen Experimente mit neuen Formen der Bürgerschaft gemacht werden. Dies ist auf die wichtige Rolle zurückzuführen, die sowohl historische Hintergründe als auch nationale Besonderheiten spielten. Die wissenschaftlichen Ergebnisse wurden über Interpretationen der profanen Bürgerschaft und über die Entwicklung verschiedener Modelle des Konzepts (dynamisch, historisch, performativ und interpretativ) präsentiert. Außerdem erweiterten die Forscher das Wissen über eine profane Bürgerschaft und Übergangsmilieus. Mitglieder des Konsortiums gaben etliche gemeinsame Publikationen sowie ein Buch mit dem Titel "Testing and sensing profane citizenship in Europe" heraus, das in Englisch und Französisch erhältlich ist. Die Anwendung des Konzepts der profanen Bürgerschaft eröffnet eine Reihe von Möglichkeiten und erlaubt neue Ansätze beim Umgang mit drängenden Problemen der Staatsbürgerschaft. Die Forschungsergebnisse und die Projektarbeit im Allgemeinen haben ggf. politische Auswirkungen, da sie neue Konstruktionen der Bürgerschaft und das Entstehen von sogenannten Übergangsmilieus unterstützen, um den beteiligten Akteuren mehr Rechte zu geben. Ein weiteres Gebiet betrifft die Methoden ("Erfassung"), die angewendet werden, um die Forschung zu fördern, wobei jene weniger sichtbaren Aktionen berücksichtigt werden, die zu neuen Formen der Bürgerschaft beitragen.