Projekt-Erfolgsstorys - Anschub für europäische Automatisierung
So kann beispielsweise eine in München stationierte speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) einfach und effektiv mit automatisierten Maschinen in Marseille, Paris und Brüssel kommunizieren. Diese Art zu arbeiten öffnet die Tür zu ganz erheblichen Einsparungsmöglichkeiten, was Kosten und Zeit anbetrifft. IT-Technologien dieser Art haben ihren Ursprung meist in der Welt der Büros. Es hat zwar etwas länger gedauert, bis derartige Lösungen in die Welt der industriellen Automatisierung vorgedrungen sind - der Bedarf an ihnen ist deshalb nicht weniger akut. Europas Anteil am Automatisierungssektor, einem höchst umkämpften globalisierten Markt, wurde 2005 in Bezug auf die Anwendung auf 25% und in Bezug auf die Fertigung von Automatisierungseinrichtungen auf 32% geschätzt. Dies zeigt einen Exportüberschuss der europäischen Automationsprodukte von 7% und unterstreicht Europas führende Rolle. Europa kann sich mit Sicherheit nicht leisten, durch ein Zurückbleiben in technologischen Fragen die marktbeherrschende Position aufzugeben. 2005 wurde speziell zur Behebung dieses Problems ein von der EU mit 11,8 Mio. EUR finanziertes Vierjahres-Projekt ins Leben gerufen. Ziel von "Virtual Automation Networks", kurz VAN, war die Anpassung, Modifizierung und Erweiterung gebräuchlicher Büro-/IT-Lösungen für den industriellen Bereich zur Unterstützung einer wissensbasierten, intelligenten und flexiblen Fertigung. Die Projektpartner unter Führung von Dr. Axel Klostermeyer, Direktor für strategische Projekte und Preise, industrielle Kommunikation bei Siemens, waren von vornherein zuversichtlich, dass das Projekt die globale Position Europas auf dem Gebiet der Automatisierung stärken und festigen würde, indem dringend benötigte Lösungen bereitgestellt werden. Den Standard im Visier Innerhalb des VAN-Projekts konzentrierte man sich auf einen wichtigen Teil eines flexiblen Fertigungsautomatisierungsprogramms: die Kommunikation - und zwar sowohl über Kurz- als auch Langstrecken und zwischen verschiedenen Automatisierungsfunktionen. Das Projekt nahm sich vor, nicht nur innovative Lösungen für dieses Problem zu finden, sondern auch neue Standards in Bezug auf industrielle Umgebungen zu schaffen sowie die existierende Lücke zwischen Bürotechnologien und industrieller Automatisierungstechnik im Wesentlichen zu füllen. "In den 1990ern begann man Feldbusse als Kommunikationsmittel zu nutzen, um eine Maschine mit einer anderen zu verbinden", erklärt Dr. Klostermeyer. "Sie waren ein Mittel, um Signale von einem Controller zum anderen zu senden." Das Ethernet - Sammelbegriff für kabelgebundene Computernetzwerktechnologien für lokale Datennetze (LAN) - wird in Büroumgebungen flächendeckend eingesetzt, aber ihre Anwendung in der Industrie war bisher eher begrenzt. "Das Problem war, dass in den Fabriken mehrere unterschiedliche Standards eingesetzt wurden", betont Dr. Klostermeyer. "Um das Jahr 2000 herum nahm jedoch zwischen mehreren Unternehmen eine Entwicklung seinen Anfang, in dessen Verlauf man versuchte, das Ethernet auch für die industrielle Kommunikation auf Feldebene zu verwenden. Damit kamen bestimmte Fragen, etwa nach der Sicherheit und des Echtzeitbetriebs, auf den Tisch. Dieses Projekt entstand aus eben dieser Nachfrage." Die Projektpartner gingen davon aus, dass durch Zusammenführen etlicher Netzwerkkonzepte ein Durchbruch zum Aufbau eines anwendbaren virtuellen Automatisierungsnetzwerks erzielbar wäre, das in der industriellen Automatisierung zum Einsatz kommen könnte. Zunächst wurden eine unabhängige Analyse und eine Bestandsaufnahme des aktuellen Bedarfs durchgeführt. Dann wurden die Herausforderungen an die Umsetzung und die Chancen, einige gebräuchliche hochmoderne Kommunikationstechnologien zu nutzen, einer eingehenden Betrachtung unterzogen. "Unser Einstieg war, dass das Ethernet überall im Büro verwendet wird. Die Grundidee war, diese IT-Technologien auch für die industrielle Kommunikation zu verwenden." Zwei Pilotversuche folgten. Ein Biogas-Unternehmen in Ostdeutschland, das mehrere einzelne Anlagen betreibt, diente als Versuchsobjekt, um zu sehen, ob das Projekt im verarbeitenden Sektor umsetzbar sein könnte. Zu Versuchszwecken im verarbeitenden Sektor wurde ein Fertigungsbetrieb mit einem Kontrollzentrum in Deutschland und einer automatisierten Roboteranlage in Italien einem Test unterzogen. Vollautomatisch Das VAN-Projekt konnte mit der Entwicklung einer offenen Plattform, die Netzwerke zur schnellen und flexiblen Fertigung integriert, eine beträchtliche Leistung für die europäische Automationsindustrie erbringen. Diese Plattform ermöglicht die Kommunikation zwischen industriellen Anwendungen und Anlagen auf transparente, flexible und schnell zu konfigurierende Weise: Perfekt für das industrielle Umfeld! Außerdem ermöglicht das System fernverteilte Anwendungen, um einander mithilfe von VAN-Namen-Adressierung und -Routing zu finden und um sichere Verbindungen in Echtzeit über drahtgebundene und drahtlose Netzwerke zu gewährleisten, die so kommunizieren, als würden sie sich im gleichen LAN befinden. Die Einführung und Modifikation der ursprünglich aufs Büro ausgerichteten Netzwerke wie Ethernet und WLAN gestatten überdies sowohl die Integration von Büro- und Automationsdomänen innerhalb eines Unternehmens als auch die Fernkommunikation in verteilten Umgebungen (d.h. mit an verschiedenen Standorten befindlichen Anlagen). Das letztgenannte Merkmal erlaubt die Durchführung von technischen Aufgaben per Fernzugriff - so können die Ingenieure Automationsanlagen und -systeme konfigurieren, ohne die eingesetzte Technologie unbedingt kennen zu müssen. "Der Grund, warum wir das Projekt als "Virtual Automation Network" bezeichnet haben, war, dass es tatsächlich virtuell ist. Es sieht so aus, als wäre es ein Netzwerk, während es in Wirklichkeit eine Kombination aus mehreren ist", erklärt Dr. Klostermeyer. Das Projektteam musste nicht alles neu erfinden - man ging zum Beispiel von dem bereits existierenden Profinet, dem offenen und herstellerübergreifenden Industrial Ethernet-Standard (IEC61158 - Type10) aus. Trotzdem stellt die Forschungsarbeit für die industrielle Automatisierungstechnik einen gewaltigen Schritt nach vorn dar. "Kleinere Probleme müssen noch gelöst werden, aber aus Sicht der Forschung wurde ein großer Schritt gemacht, und diese Technologie ist mittlerweile gut etabliert", sagt Dr. Klostermeyer. "Es ist jetzt eher eine Frage der Entwicklung als ein Forschungsthema. Mehrere Dinge, die wir im Laufe dieses Projekts erfunden haben, werden nun in Produkte umgesetzt." Das im Oktober 2009 abgeschlossene VAN-Projekt (http://www.van-eu.eu) war ein integriertes Projekt, das von der Europäischen Kommission unter der Priorität "Technologien für die Informationsgesellschaft" (IST) des Sechsten Rahmenprogramms finanziert wurde. 14 Partner aus vier Ländern bildeten das Konsortium.