Projekt-Erfolgsstorys - Verbesserter Zugang zu High-Tech für Europas Silversurfer
Die Bevölkerung Europas wird immer älter. Die Erfüllung der Bedürfnisse von Senioren konfrontiert europäische Politiker mit vielen Herausforderungen - sozioökonomischen und gesundheitsbezogenen. Allerdings ergeben sich aus dieser Situation auch unerwartete Chancen auf innovative Lösungen und neue Technologien. Beispiel Deutschland: Im bevölkerungsreichsten Land der EU leben rund 82 Millionen Menschen. Bei einer Geburtenrate von lediglich 1,38 Kindern pro Frau ist aber davon auszugehen, dass die Bevölkerung bis 2060 auf 65 bis 70 Millionen schrumpfen wird. Das bedeutet, immer weniger Deutsche im erwerbsfähigen Alter stehen immer mehr Rentnern gegenüber, die Unterstützung benötigen. Hier versprechen technologische Ansätze Hilfe. Das EU-finanzierte Projekt "Vital assistance for the elderly" (VITAL) konnte eine Reihe von Technologien und eine verbindende Plattform für internetbasierende Dienstleistungen und Anwendungen für ältere Nutzer entwickeln. Die Forscher wandten außergewöhnlich viel Zeit und Mühe auf, um die Technik älteren Nutzern zugänglich zu machen, die möglicherweise nicht über grundlegende Computerkenntnisse oder Erfahrungen mit Technologieschnittstellen wie zum Beispiel Tastaturen verfügen. Soweit es die Technik angeht, war klar, dass ältere Menschen durchaus gelassen und routiniert mit dem Fernseher umgehen können: Sie wissen, wie er funktioniert und was er für sie als Informations- und Unterhaltungsquelle zu leisten vermag. So setzte VITAL den guten alten Fernseher als Maßstab dafür ein, wie simpel die zu entwickelnden Tools sein sollten. "Können Sie ein Fernsehgerät bedienen, so sind Sie auch in der Lage, die VITAL-Plattform zu benutzen", betont Dr. Oliver Keller vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das dieses multidisziplinäre europäische Forschungsprojekt koordinierte. Fernbedienung für die Fernbedienung Der Weg zum Erfolg lag für das VITAL-Team in der Verfolgung des Stands der Technik in drei Schlüsselbereichen: für ältere Menschen verbesserte Nutzeroberflächen (d. h. TV und Mobiltelefone), Systeme, die interaktive und personalisierte Informationen und Dienste anbieten, sowie Spracherkennung und natürliche Sprachtechnologien. Das Dreijahresprojekt, das um elf Monate verlängert wurde, um die umfangreichen Test- und Validierungsarbeiten zu beenden, hat nun sein Versprechen eingehalten. Die VITAL-Plattform beinhaltet Anwendungen und Dienstleistungen, ein Nutzer-Endgerät und ein Bedienerterminal, sowie Software, um Nutzeranwendungen und Extras zum Laufen zu bringen, die zum Testen und Betreiben der Anwendungen erforderlich sind. Die entwickelten Dienstleistungen umfassen Hörbücher, Bildung und Unterhaltung (Edutainment) wie etwa Multimedia-Kochsendungen, Peer-to-Peer-Spiele, die soziale Kontakte fördern, eine persönliche Zeitung, die auf die Interessen des Lesers ausgerichtet ist, sowie auch Videokonferenzen. Die Rolle des Vermittlers übernimmt bei all dem das Fernsehen. "Einsamkeit und das Gefühl der Isolation sind die traurigen Begleiter vieler Senioren, besonders wenn sie an Krankheiten leiden, die die Mobilität einschränken", erklärt Dr. Keller. "So stehen die 'sozialen' Anwendungen für weitaus mehr als nur Spaß und Spiele: Sie können eine wichtige Verbindung zu Freunden, zur Familie und den Betreuern herstellen." Auch die nicht unerheblichen Vorteile für in abgelegenen Teilen Europas lebende Menschen - man denke an medizinische Konsultationen mithilfe von Videokonferenzen - seien nicht von der Hand zu weisen, stellt der Projektkoordinator fest. Mit dem einfach zu bedienenden System können alte Menschen länger unabhängig in ihren Wohnungen leben; hier ergibt sich die Möglichkeit von Kosteneinsparungen für das Gesundheitswesen. Typisches Szenario In einem typischen Szenario sitzt eine ältere Person vor dem Fernseher und kann (über Sprachbefehle oder eine Fernbedienung) mit den Dienstleistungen interagieren, die als Symbole auf dem Bildschirm angeordnet sind. Die Anwendungssoftware begleitet den Nutzer dann durch die notwendigen Schritte. "VITAL ist genau genommen ein einfach zu bedienendes und modulares System, das entwickelt wurde, um die Komplexität der in dem System stattfindenden Transaktionen zu verbergen", erklärt Dr. Keller. "Die Ergebnisse der verschiedenen Nutzerversuche waren sehr vielversprechend." Das Feedback von Senioren, die das System über eine längere Zeit interaktiv nutzten, half VITAL, das System an die realen Bedürfnisse dieser speziellen Nutzergruppe anzupassen. Die VITAL-System birgt erhebliches kommerzielles Potenzial - schließlich altert die Bevölkerung, besonders im Westen, immer weiter. Im Jahr 2025 wird der Anteil der über 65-Jährigen in Europa voraussichtlich mehr als 30% erreichen: das entspricht 211 Millionen Menschen. Bis 2050 könnte diese Gruppe schon mehr als 42% ausmachen, was knapp 265 Millionen Bürgern entspricht. VITAL ist nicht die einzige Forschergruppe, die auf der Suche nach besseren, intelligenteren Dienstleistungen für den wachsenden Seniorenmarkt ist, aber die zusätzlichen Anstrengungen, die investiert wurden, um die Plattform einfach bedienbar zu machen und ihr einen funktionalen Fun-Faktor zu geben, sollten sich auf lange Sicht auszahlen. Bei der Gestaltung und Entwicklung des Systems standen zwei Aspekte ganz besonders im Vordergrund. Zum einen hat das Projekt einen sehr modularen Ansatz - innerhalb des VITAL-Systems können neue Dienste sehr schnell und effizient mit den bestehenden Service-Plattformen zusammengeführt werden. Zweitens basiert VITAL auf weltweit akzeptierten Normen (ISO/IEC), wodurch Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Dienstleistungen dramatisch verbessert werden. Das VITAL-Konsortium verfügt über einen soliden Plan, um aus den Resultaten den größtmöglichen Nutzen zu ziehen, einschließlich der Service-Komponente und des Einsatzes auf dem das soziale Netzwerk betreffenden Markt. Meticube, KMU mit engagierter Business-Strategie für Märkte des Gesundheitswesens und "Umgebungsgestützten Lebens" (Ambient Assisted Living, AAL), wird die Markteinführung gemäß diesem Plan leiten. Das VITAL-Projekt erhielt Mittel aus der Initiative "Technologien für die Informationsgesellschaft" (IST) des Sechsten Rahmenprogramms für Forschung. Das Projekt hat gerade seinen Abschlussbericht veröffentlicht, der auf www.ist-vital.org einzusehen ist.