Mikrofossilien offenbaren Veränderungen im Südpolarmeer über geologische Zeiträume hinweg
Das antarktische Südpolarmeer ist der Schlüssel zu Abschwächung der Auswirkungen des Klimawandels, da es bis zu 75 % der vom Menschen verursachten überschüssigen Wärme und 40 % des vom Menschen verursachten Kohlendioxids absorbiert. Die wärmeren Strömungen im Südpolarmeer beschleunigen jedoch die Destabilisierung des antarktischen Eisschildes. Zugleich führen die Veränderungen der Meeresströmungen weiter vor der Küste zu extremeren Wetter- und Klimaereignissen in der südlichen Hemisphäre. Wie die ozeanografischen Veränderungen in der Nähe des Eisschildes mit denen vor der Küste zusammenhängen, ist aber noch wenig bekannt. Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts OceaNice wurden Instrumente zur Rekonstruktion der Bedingungen im Südpolarmeer während der Warmzeiten in der geologischen Vergangenheit entwickelt und angewendet. „Die Rekonstruktion, wie sich das Südpolarmeer, der antarktische Eisschild und das polare Klima während geologischer Erwärmungs- und Abkühlungsphasen verändert haben, hilft uns, das System als Ganzes zu verstehen“, sagt Peter Bijl, der Projektkoordinator. Wenn die Untersuchungszeiträume ähnliche atmosphärische CO2-Werte aufweisen, wie sie für dieses Jahrhundert prognostiziert werden, dürften die Ergebnisse die Modellierung künftiger Klimaänderungen im Südpolarmeer (und anderen Regionen) verbessern.
Vergangene Oberflächenbedingungen im Ozean rekonstruieren
Das Team verwendete eine Gruppe von fossilem Plankton, die als Dinoflagellatenzysten bekannt ist, als Indikator für vergangenes Meereis, Temperatur und Auftrieb (Auftauchen von tiefen, nährstoffreichen Gewässern). Die Charakterisierung der heutigen Affinitäten moderner Dinoflagellatenzystenarten (z. B. bevorzugte Temperatur-, Nährstoff- und Meereisbedingungen) hilft Forschenden, auf die Bedingungen in der Vergangenheit zu schließen, unter denen die fossilen Sedimentkernversionen gelebt haben müssen. Fünfzig Jahre weltweiter Meeresbohrungen haben die notwendigen Sedimentkerne für die Analyse fossiler Dinoflagellatenzysten von vielen Orten im Südpolarmeer erbracht. „Vergleicht man die Artenzusammensetzung auf dem modernen Boden des Südpolarmeeres mit den Bedingungen im darüber liegenden Wasser, werden die Vorlieben der einzelnen Arten deutlich. Wir haben dieses Wissen auf die fossilen Überreste in den Sedimentkernen angewandt, die Ebenen fossiler Meeresböden aus vergangenen warmen Klimazonen enthalten. Die darin enthaltenen fossilen Dinoflagellatenzysten verraten uns, welche Meeresbedingungen in diesen warmen Klimazonen geherrscht haben müssen“, erklärt Bijl von der Universität Utrecht, dem Projektträger. Der Schwerpunkt lag auf den Übergängen zwischen Kalt- und Warmzeiten sowie auf der langfristigen Abkühlung des Klimas in den letzten 20 Millionen Jahren. Außerdem wurden die molekularen Überreste einer Gruppe von Archaeen, die ebenfalls in fossilen Meeresbodensedimenten erhalten sind, als zusätzliches Instrument zur Rekonstruktion der vergangenen Meerestemperatur verwendet. Diese Organismen stellen ihre membranspannenden Moleküle je nach der vorherrschenden Temperatur unterschiedlich her. „Diese organischen Proxies bieten eine absolute Paläo-Temperatur der Vergangenheit – eine konkrete Zahl. Mit OceaNice haben wir nachgewiesen, dass Dinoflagellatenzysten auch als Paläothermometer dienen können“, fügt Bijl hinzu. Ein weiteres wichtiges Ergebnis war ein besseres Verständnis dafür, wie sich die Bedingungen im Südpolarmeer zusammen mit denen des antarktischen Eisschildes in den letzten 20 Millionen Jahren tatsächlich verändert haben: die Position der Meeresfronten in Breitenrichtung, die Entwicklung des Temperaturgradienten in Breitenrichtung und die Variabilität der Ozeanzustände während der Kalt- und Warmzeiten.
Die Genauigkeit bei den Prognosen zum Klimawandel erhöhen
Der Beitrag von OceaNice zu einem Systemverständnis des Zusammenspiels von Klimawandel, Ozeanveränderung und Eisschildveränderung verbessert letztlich die Genauigkeit der emissionsbasierten Prognosen zum Klimawandel. Das Team entwickelt derzeit den auf Dinoflagellatenzysten basierenden Proxy durch ein Folgeprojekt weiter, das auf dem westantarktischen Eisschild stattfindet. „Wir werden die Wechselwirkungen zwischen Eis und Ozean während der schwersten Abschmelzereignisse rekonstruieren, um die Folgen der schnellen Süßwassereinbrüche auf die Ozeanographie des Südpolarmeer zu verstehen“, sagt Bijl. „Als nächstes werden wir die Effizienz des Südpolarmeers als Kohlenstoffsenke untersuchen.“
Schlüsselbegriffe
OceaNice, Antarktis, Eisschild, Plankton, Fossil, Klimawandel, Südpolarmeer