00:00:00:00 - 00:00:39:24
Abigail Acton
Sie hören CORDIScovery. Herzlich willkommen zu dieser Folge von CORDIScovery. Ich bin Abigail Acton und begrüße Sie. Wussten Sie, dass ein Akazienbaum, wenn Antilopen an seinen Blättern naschen, Ethylen ausstößt, das anderen Akazien in der Nähe als Alarmsignal dient? Das Gas kann sich 45 Meter weit ausbreiten. Innerhalb einer halben Stunde spülen die Bäume, die das Signal empfangen, ihre Blätter mit sehr bitteren Tanninen, damit sie den Antilopen weniger gut schmecken.
00:00:40:01 - 00:01:00:07
Abigail Acton
In hohen Konzentrationen können diese Tannine sogar tödlich wirken. Die meisten von uns konzentrieren sich auf das, was wir sehen, berühren, fühlen oder hören können. Wir können uns gegenseitig hören. Wir wissen, dass eine Art von Kommunikation stattfindet, wenn ein Hund bellt, aber wir sind uns weniger der um uns herum stattfindenden Interaktionen bewusst, die wir nicht wahrnehmen. Denken wir lieber noch einmal darüber nach.
00:01:00:09 - 00:01:27:12
Abigail Acton
Blattschneiderameisen legen fleißig Pilzgärten an, Hummeln nehmen winzige Mengen an Elektrizität auf, die von Blüten abgegeben werden. All das ist Teil eines unsichtbaren Gewebes aus Wechselwirkungen, die sich überall um uns herum entfalten. Und vielleicht können wir innerhalb dieses miteinander verknüpften Netzes etwas bewirken. Könnten beispielsweise die Warngase von Getreidekulturen, die von Schädlingen befallen werden, zu einem gezielteren Pestizideinsatz führen?
00:01:27:14 - 00:01:51:06
Abigail Acton
Willkommen zu dieser Folge von CORDIScovery, in der wir mit Daniel Robert, Professor für Bionanowissenschaft an der School of Biological Sciences der Universität Bristol im Vereinigten Königreich, die kaum wahrgenommene Vielschichtigkeit der Welt feiern. Daniel erforscht, wie Insekten auf schwache elektrostatische Felder reagieren, eine bisher nicht erwartete Form der Interaktion zwischen Pflanzen und ihren Bestäubern. Hallo, Daniel.
00:01:51:09 - 00:01:52:21
Daniel Robert
Hallo. Ich freue mich, hier sein zu dürfen.
00:01:52:23 - 00:02:11:20
Abigail Acton
Sehr schön, dass Sie da sind. Ted Turlings arbeitet an der Université de Neuchâtel in der Schweiz als Professor für chemische Ökologie. Turlings Team enträtselt, wie sich Pflanzen gegen Insektenangriffe verteidigen und wie sich spezialisierte Insekten entwickelt haben, wobei die Hoffnung besteht, dass neue, nachhaltige Methoden der Schädlingsbekämpfung entwickelt werden können. Hallo Ted.
00:02:11:22 - 00:02:12:24
Ted Turlings
Hallo, es ist schön, hier zu sein.
00:02:13:05 - 00:02:28:11
Abigail Acton
Schön, dass Sie da sind. Als außerordentlicher Professor für Ökologie und Evolution an der Universität Kopenhagen in Dänemark interessiert sich Jonathan Shik besonders für Ameisen, ihre Koexistenz mit anderen Arten und wie sie in verschiedenen Umgebungen überleben, die vom Klimawandel betroffen sind. Hallo Jonathan.
00:02:28:13 - 00:02:29:18
Jonathan Shik
Hi. Schön, hier zu sein.
00:02:29:22 - 00:02:49:19
Abigail Acton
Schön, Sie zu sehen. Daniel, ich wende mich zuerst an Sie. Im Rahmen des Projekts ElectroBee wurde das erste Beispiel für Elektrorezeption in einem nichtleitenden Medium untersucht, das uns bekannt ist: Hummeln können die schwachen elektrischen Felder, die entstehen, wenn sie sich einer Blüte nähern, erkennen und diesbezüglich dazulernen. Können Sie uns etwas mehr darüber berichten, was Elektrorezeption eigentlich ist, Daniel?
00:02:49:24 - 00:03:25:04
Daniel Robert
Ja, natürlich. Nun, Elektrorezeption bezeichnet die Fähigkeit von Organismen, elektrische Felder und sämtliche Ladungen zu erkennen. Sie wird seit gut 60 Jahren an Haien und Rochen, normalerweise an Wassertieren in einem leitfähigen Medium, also Wasser, erforscht. Es ist recht gut nachvollziehbar, wie das Ganze funktioniert. In einer nichtleitenden Umgebung wie Luft, in der bekanntlich die meisten Arten leben, darunter auch sehr viele Arthropoden, wurde dies jedoch nie berücksichtigt.
00:03:25:06 - 00:03:31:22
Daniel Robert
Also nahmen wir die Herausforderung an und fragten uns: Okay, wenn es im Wasser geschieht, könnte es dann auch in der Luft existieren?
00:03:31:24 - 00:03:40:02
Abigail Acton
Faszinierend. Absolut genial. Und was haben Sie konkret unternommen, um festzustellen, ob es tatsächlich der Fall ist? Erzählen Sie mir ein wenig mehr über die Experimente, die Sie im Zuge von ElectroBee durchgeführt haben.
00:03:40:07 - 00:04:06:00
Daniel Robert
Wir erkannten erstmalig, dass etwas Elektrisches vor sich ging, als wir uns zunächst einfach YouTube-Videos ansahen und dies dann im Labor reproduzierten, indem wir den Pollen beobachteten, wie er buchstäblich von den Blüten zu den Hummeln springt, und einige Studierende aus verschiedenen Richtungen im Labor dabei waren. Einige kamen aus der Physik, andere aus der Biologie, wir alle haben uns das angeschaut, und ein Physikmensch hat gesagt: Schaut doch mal, die fallen nicht!
00:04:06:00 - 00:04:30:01
Daniel Robert
Die Pollen fallen nicht zufällig. Sie bewegen sich geradeaus. Entsprechend dieser netten kleinen Kurve, die auf dem Video zu sehen ist, gibt es ein elektrisches Feld. Von da an dachten wir uns: Okay, es kann gut sein, dass die gesamte Materie im Universum aufgeladen ist und dass die Ladungen nicht nur auf der Erde und zwischen Hummeln und Blumen herrschen, wir also die elektrostatischen Ladungen zwischen Hummeln und Blüten untersuchen müssen.
00:04:30:03 - 00:04:51:04
Daniel Robert
So haben wir Experimente durchgeführt, bei denen wir die Hummeln vor die Wahl gestellt haben, zu einer bestimmten Art von Blume zu gehen, die wir im Labor aufgestellt haben, die am Anfang sehr künstlich war, und eine war tatsächlich mit Elektrizität und etwas Zucker ausgestattet, und die war andere ohne Strom und ohne Zucker. Und wir haben die Frage gestellt: Können sie lernen? Können Hummeln den Unterschied zwischen den beiden lernen?
00:04:51:06 - 00:04:56:05
Daniel Robert
Und siehe da, das war einer dieser Überraschungsmomente, dass sie den Unterschied tatsächlich erkennen konnten.
00:04:56:11 - 00:05:13:13
Abigail Acton
Wunderbar. Und wie wurde das sichtbar? Ich meine, zum einen, wie haben Sie die Menge an elektrostatischer Energie gemessen, die von den Pflanzen ausgeht? Zudem denke ich, dass wir über dasselbe reden, was passiert, wenn wir in der Nähe eines Kathodenstrahlfernsehers stehen. Falls sich noch jemand daran erinnern kann. Ich verrate hier mein Alter; jedenfalls würden Ihnen die Haare auf den Armen zu Berge stehen.
00:05:13:13 - 00:05:17:24
Abigail Acton
Oder man denke an einen Luftballon auf einem Kindergeburtstag, der am Kopf gerieben wurde. Wir sprechen von dieser Art von elektrischer Ladung, nicht wahr, Daniel?
00:05:18:03 - 00:05:20:19
Daniel Robert
Das genau ist es. Das sind sehr schwache Felder.
00:05:20:19 - 00:05:33:00
Abigail Acton
Ja, ganz genau. Schwache Felder und unsichtbar. Erzählen Sie mir bitte mehr darüber, wie Sie tatsächlich gemessen haben, wie viel Ladung von den Blüten abgegeben wurde. Und Sie sagten außerdem, dass es die Hummeln gelernt haben. Wie konnten Sie sehen, dass das geschehen ist? Wie haben Sie überprüft, ob sie gelernt hatten?
00:05:33:00 - 00:06:06:15
Daniel Robert
Eine der Herausforderungen bestand natürlich darin, diese Felder sichtbar oder messbar werden zu lassen. Denn sie sind zwar klein, aber sie sind messbar. Das Problem bestand darin, dass es keine Kamera, kein Mikrofon oder etwas Derartiges zur Messung elektrischer Felder gibt. Was jedoch messbar ist, ist die Wirkung eines Feldes, also die Wirkung, die das Feld auf ein Objekt ausübt. Wir kürzen also den ganzen Beweis ab und sagen: Okay, geben wir einer Hummel Unterschiede in den elektrischen Feldern vor und lassen wir sie durch assoziatives Lernen erlernen, ob sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die Zuckerquelle findet.
00:06:06:17 - 00:06:29:24
Daniel Robert
Wenn ein elektrisches Feld an dieser bestimmten Blume anliegt, könnten wir anhand des Verhaltens der Hummel messen, ob sie dieses Feld wahrnehmen kann oder nicht. Und natürlich haben wir in einem Kontrollexperiment alles herausgenommen, von dem wir wussten, dass es in diesem speziellen Flugbereich vorkommt. Wir haben alle elektrischen Felder ausgeschaltet und gezeigt, dass Hummeln, die gelernt hatten, die Zuckerquelle zu finden, das Vorhandensein eines Feldes berücksichtigen.
00:06:30:01 - 00:06:44:18
Daniel Robert
Wenn das Feld nicht da war, waren sie nicht in der Lage, eine Zuckerquelle zu finden, obwohl sie es eigentlich wussten, denn sie gehörten zu den lernenden Hummeln. Das Gute an den Hummeln ist, dass ihnen etwas beigebracht werden kann und sie dann im Grunde getestet werden können, ob sie sich erinnern, aber auch, ob sie immer noch die Quelle des gewünschten Zuckers finden können.
00:06:44:22 - 00:06:46:07
Daniel Robert
Und das haben wir getan.
00:06:46:09 - 00:06:52:18
Abigail Acton
Wunderbar. Ich habe auch gehört, dass Sie sie einmal durch Reifen haben fliegen lassen. Können Sie uns bitte ein wenig erklären, warum Sie die Hummeln durch Reifen fliegen lassen?
00:06:52:23 - 00:07:17:16
Daniel Robert
Ja, natürlich. Wir wollten quantitativ erfahren, welche Art von Ladung die Hummeln aufweisen. In den 70er und 80er Jahren war berichtet worden, dass Hummeln positiv geladen sind. Das gab uns zudem einen kleinen Hinweis darauf, dass es tatsächlich eine elektrostatische Wechselwirkung geben würde, wie bei dem Ballon, den Sie vorhin erwähnten. Eine Möglichkeit, Elektrizität oder Elektrostatik kontaktlos zu messen, ist mithilfe eines Reifens oder Rings aus Kupfer.
00:07:17:20 - 00:07:40:01
Daniel Robert
Und wir konnten die Hummeln auch darauf trainieren, durch Reifen zu fliegen. Das mussten wir tun. Und das hat uns viel Spaß bereitet. Wenn die Hummel als geladenes Objekt durch den Reifen fliegt, induziert sie einen kleinen Strom, und wenn wir diesen Strom in Pikocoulomb messen, einer von uns verwendeten, eher unüblichen Einheit, können wir sicherstellen, dass die Hummel eine Ladung in Richtung Blume abgibt.
00:07:40:03 - 00:07:59:21
Daniel Robert
Aber wir haben natürlich auch gemessen, dass die Blume auf diese Ladung reagiert. Das wird technisch als Spiegelaufladung bezeichnet. Was dabei passiert, ist, dass, wenn die Biene zum Beispiel mit fünf Ladungen zur Blume kommt, dann diese Blume minus fünf Ladungen ansammeln wird. Es wird also ein Plus-Minus-Spiel geben, bei dem die Blume nicht
00:07:59:22 - 00:08:05:04
Daniel Robert
passiv bleibt. Sie wird tatsächlich dieses elektrostatische Spiel mit der Hummel spielen. Wow!
00:08:05:04 - 00:08:11:01
Abigail Acton
Es findet also eine direkte Interaktion zwischen den beiden statt. Großartig, Daniel. Warum? Worin besteht der Nutzen?
00:08:11:04 - 00:08:39:04
Daniel Robert
Genau das war die Schlüsselfrage, denn wir dachten: Okay, der Pollen springt von einer Blüte zu einer Hummel. Das hat ja auch schon Aristoteles so gesehen. Darüber gibt es erste Berichte aus dieser Zeit. Für uns war es jedoch wichtig, dass wir sahen, dass die Hummeln mit den Blüten interagierten und die Blume ihren elektrischen Status in Abhängigkeit vom Besuch der Hummel änderte, was uns auf die Idee brachte, dass es nicht nur eine Interaktion gab, sondern dass die Hummel auch davon wusste.
00:08:39:06 - 00:09:18:23
Daniel Robert
Und das war eine grundlegende Frage. Wissen die Hummeln über das Vorhandensein dieser Felder Bescheid? Kurz gesagt: Die Idee lautete, dass, wenn die Blüte ihren elektrischen Status ändert, es durchaus sein kann, dass nicht alle Blumen gleich elektrostatisch sind, wenn eine Hummel über eine Wiese fliegt. Und wenn Blumen, die von Hummeln besucht wurden, eine andere Elektrizität oder ein anderes elektrostatisches Niveau aufweisen, dann verschafft das den Hummeln, wie wir es im Labor nachgeprüft haben, die Information, dass diese Blüte reifer an Nektar oder Pollen ist und dass sich die Bemühungen der Hummeln bei der Futtersuche nicht wirklich lohnen, denn Zeit ist für Hummeln kostbar.
00:09:19:01 - 00:09:29:23
Daniel Robert
Und wir konnten nachweisen, dass die Hummeln, wenn sie zwischen vielen Blumen unterwegs sind und einige einen anderen Status haben, dies sofort erkennen und versuchen, diese Blüten zu meiden, aber später zurückkehren.
00:09:30:00 - 00:09:46:03
Abigail Acton
Das ist fantastisch. Das ist fantastisch. Natürlich könnte ich mir vorstellen, dass Sie sofort auch an andere Insekten gedacht haben. Ich denke zum Beispiel an nächtliche Bestäuber, die mit Sinnen jenseits von Farbe und Sehkraft arbeiten, vielleicht Motten, Nachtfalter und so weiter? Die abendlichen Bestäuber, die nachts unterwegs sind, betreiben sie diesen Prozess?
00:09:46:03 - 00:10:16:00
Daniel Robert
Ja, natürlich. Das war Gegenstand eines kleinen Forschungsabstechers. Innerhalb des Projekts ElectroBee haben wir den Rahmen abgesteckt, um zu sehen, zu was andere Bestäuber in dieser Hinsicht in der Lage sein könnten. Damit sage ich natürlich nicht, dass alle Insekten und alle Blüten dasselbe tun. Wir wissen, dass es eine große Vielfalt gibt, aber wir konnten messen, dass auch einige Motten elektrostatisch aufgeladen waren, während einige von ihnen, wie etwa die Schwärmer, die sehr schnell fliegen und eine sehr hohe Geschwindigkeit erreichen, sich nicht so stark aufladen.
00:10:16:02 - 00:10:37:15
Daniel Robert
Es gibt sozusagen auch ganz andere Varianten. Manche haben völlig andere Tricks auf Lager. Aber wir glauben, dass Blüten im Allgemeinen etwas tun müssen, um von den Bestäubern besucht zu werden. Dafür verwenden sie gute Gerüche, gute Farben, gute Strukturen. Und wir möchten noch hinzufügen, dass sie auch über ein sehr verlockendes elektrisches Feld verfügen müssen.
00:10:37:15 - 00:10:39:24
Daniel Robert
So seltsam es auch zunächst erscheinen mag.
00:10:40:01 - 00:10:52:05
Abigail Acton
Das ist einfach absolut wunderbar. Es ist wirklich eine eigene Welt im Verborgenen, nicht wahr? Und unglaublich komplex. Sehen Sie noch weitere Beispiele, Daniel? Zum Beispiel Raubtier-Beute-Interaktionen anstelle der Bestäuber und Pollen.
00:10:52:08 - 00:11:17:18
Daniel Robert
Tatsächlich, das gibt es. Ich meine, wir haben uns auf die Bestäubung konzentriert, da wir das Phänomen dort zuerst beobachtet haben und es uns in den Sinn kam. Aber jetzt sind wir noch einen Schritt weiter gegangen. Tatsächlich ist es einem meiner Studenten, Sam England, gelungen, mit diesem Reifensystem, von dem ich vorhin sprach, die Ladung von Raubwespen wie der Gemeinen Wespe und auch einer Wespe in Costa Rica aufzuzeichnen, indem er diese Reifen vor Wespennestern platzierte.
00:11:17:22 - 00:11:36:11
Daniel Robert
Dazu muss man mutig sein. Dann konnten wir messen, dass eine Ladung vorhanden war. Zudem hat er auch Raupen vermessen, und wir haben beobachtet, dass Raupen eher zu einem defensiven Verhalten neigen und bei diesem defensiven Verhalten bleiben. Das ist sozusagen das elektrische Äquivalent zum Flug einer Wespe, denn sie weisen ein elektrisches Feld auf.
00:11:36:11 - 00:11:56:13
Daniel Robert
Wir konnten das in der Tat mit Elektroden aufzeichnen. Wenn wir in Abwesenheit von Wespen dieses elektrische Signal durch die Luft, die nicht leitend ist, zu den Raupen abgeben, bleiben sie tatsächlich in diesem Verteidigungsmodus und fangen an zu zappeln und von den Blättern zu springen. Sie zeigen alle möglichen dramatischen oder zuweilen auch weniger dramatischen Verhaltensweisen.
00:11:56:13 - 00:12:21:16
Daniel Robert
Wir glauben nun, dass Raupen die Anwesenheit ihrer Jäger durch das elektrische Feld wahrnehmen, das sich zwischen ihnen und dem Fressfeind aufbaut. Ob das jedoch auf alte Raupen und Wespen übertragbar ist, kann ich nicht sagen. Aber für diejenigen, von denen wir mindestens drei Beispiele beobachtet haben, auch in den Tropen, können wir feststellen, dass es nun einen neuen Kanal zwischen Beute und Räuber gibt, der durch unsere Forschung verdeutlicht wurde.
00:12:21:19 - 00:12:38:16
Abigail Acton
Das ist einfach wunderbar. Ich denke schon. Ich arbeite sehr gern an diesen Podcasts, und dabei werde ich regelmäßig an ein vages Gefühl der Arroganz erinnert. Wir scheinen immer zu glauben, dass wir alles wissen, was vor sich geht, und dann schlagen wir eine neue Seite auf und plötzlich stehen wir vor einer ganzen Welt von Dingen, die wir vorher gar nicht so genau betrachtet haben. Ich danke Ihnen vielmals.
00:12:38:16 - 00:12:43:01
Abigail Acton
Das war eine faszinierende Erklärung. Hat jemand eine Frage an Daniel? Ja, bitte. Ted. Fahren Sie fort.
00:12:43:14 - 00:13:03:00
Ted Turlings
Daniel, Sie haben uns erklärt, dass die Hummeln durch die elektrische Ladung der Blüten feststellen können, welche Blüten ihnen am meisten Pollen oder Nektar liefern. Eröffnet dies den Blüten nicht die Möglichkeit zu betrügen, indem sie ihre Ladung manipulieren?
00:13:03:05 - 00:13:14:05
Abigail Acton
Ich mische mich hier einfach ein, weil ich denke, dass das eine wunderbare Frage ist. Und, Daniel, ich habe mich das eigentlich auch gefragt. Können sich zum Beispiel Wespen maskieren? Was ich meine: Spielen die Lebewesen und die Pflanzen damit? Denn es muss das Ganze ja schon seit Jahrtausenden geben.
00:13:14:07 - 00:13:51:09
Daniel Robert
Ich denke schon. Ich meine, dass das eine ausgezeichnete Frage ist, denn wir wissen, dass, sobald es sich um Signale zwischen verschiedenen Organismen handelt, diese so unterschiedlich sein können wie es eine Pflanze und eine Wespe oder eine Raupe nun einmal sind. Es gibt einen gewissen Spielraum für die Übertreibung von Merkmalen, aber auch für das Tarnen der Wahrheit. Wir denken, dass Blüten, die von der sogenannten Blütenstetigkeit profitieren, bei der der Pollen zur Blüte derselben Art zurückkehren muss, mit Bestäubern, die tatsächlich Tag für Tag bei derselben Art von Blüte bleiben, es nicht nötig haben zu lügen.
00:13:51:10 - 00:14:12:16
Daniel Robert
Es gibt jedoch andere Blüten, die kurzlebiger sind, die sich öffnen und vielleicht sogar ein wenig geschüttelt werden müssen oder selbstbestäubend sind. Oder der Pollen hat eigentlich eine sehr viel höhere Spezifität und kann es sich leisten, woanders zu sein, und dann wieder zum Zuge kommen; auch das ist möglich. Was Ted meint, ist, dass manche Blüten vielleicht nicht auf die gleiche Weise reagieren.
00:14:12:20 - 00:14:28:05
Daniel Robert
Leider haben wir noch kein Beispiel gefunden, aber die Idee wäre, dass es sich so verhält. Vielleicht dient die Elektrizität nur dazu, Anziehungskraft auszuüben, und nachzuahmen, was gute, attraktive Blüten ausmacht. So wie all die Blüten eine gute Farbe und einen guten Duft aufweisen, könnten sie eben auch einen guten elektrischen Geschmack haben. Wenn Sie so wollen.
00:14:28:09 - 00:14:48:13
Abigail Acton
Fabelhaft! Ich danke Ihnen vielmals! Das war ausgezeichnet, Daniel, ich weiß das wirklich zu schätzen. Ted, ich wende mich jetzt an Sie. Eigentlich tun mir die Raupen langsam leid, und die Zuhörerschaft wird jetzt erfahren, warum. Im Rahmen Ihres Projekts AGRISCENTS wurde ein neuartiges Erkennungsgerät entwickelt, das interpretieren kann, wann eine Pflanze Geruchsstoffe abgibt, die darauf hinweisen, dass sie angegriffen wird.
00:14:48:15 - 00:14:53:15
Abigail Acton
Ted, wie sind Sie auf die Rolle flüchtiger Chemikalien bei biotischen Wechselwirkungen aufmerksam geworden? Berichten Sie bitte.
00:14:53:17 - 00:15:13:24
Ted Turlings
Ja, das ist schon lange her, als ich mit meiner Promotion an der University of Florida begann. Ich erhielt die Aufgabe herauszufinden, wie Raupen fressende parasitäre Wespen, die der von Daniel beschriebenen Wespe ähneln, diese Raupen finden und dann ihre Eier darin ablegen.
00:15:14:01 - 00:15:45:20
Ted Turlings
Und nach einigen Verhaltenstests habe ich festgestellt, dass sie tatsächlich Pflanzengeruchsstoffe nutzen, um Raupen zu finden, die sich von einer Pflanze ernähren. Und bei genauerer Untersuchung haben wir herausgefunden, dass die Pflanzen auf den Raupenbefall reagieren, indem sie einen ganz bestimmten Geruchsstoff produzieren, der dann die Wespen anlockt. Das Faszinierende an diesem Geruchsstoff ist, dass es sich nicht nur um eine mechanische Beschädigung handelt, die diese Raupen verursachen, sondern dass etwas Spezielles in den oralen Sekreten und im Speichel vorhanden ist.
00:15:45:21 - 00:15:59:05
Ted Turlings
Wenn die Raupen von den Pflanzen erkannt werden, fangen sie an, neue und flüchtige Verbindungen zu synthetisieren, die sie dann ausstoßen. Und dieser Mix aus flüchtigen Stoffen lockt dann diese Wespen an.
00:15:59:09 - 00:16:12:21
Abigail Acton
Das ist einfach umwerfend. Wirklich gut. Können Sie uns ein wenig mehr darüber berichten? Ich weiß, dass Sie Experimente durchgeführt haben, bei denen die Pflanzen nicht unbedingt von der Raupe beschädigt wurden, aber die Wespe trotzdem kam. Erzählen Sie mir ein wenig mehr über die Experimente, die Sie durchgeführt haben.
00:16:13:02 - 00:16:42:12
Ted Turlings
Ja, sicher. Wir haben dann faktisch herausgefunden, dass diese oralen Sekrete in diesem Zusammenhang wichtig waren. Wir haben die Pflanzen selbst mechanisch beschädigt und festgestellt, dass die Emissionen an flüchtigen Verbindungen wesentlich geringer ausfielen, wenn die geschädigten Stellen nicht mit Raupenspeichel bestrichen wurden. Und mehrere dieser Verbindungen, wie sie normalerweise als Reaktion auf den Raupenbefall ausgestoßen werden, wurden nicht emittiert. Auf diese Weise konnten wir die Bedeutung dieser oralen Sekretion nachweisen.
00:16:42:12 - 00:17:03:00
Ted Turlings
Dann haben wir einen Bioassay entwickelt, bei dem wir sogar Pflanzen inkubieren konnten. Wir haben mit Maispflanzen gearbeitet, die wir am Stängel abgeschnitten und einfach in eine Lösung mit oder ohne Raupenspeichel gelegt haben. In der Folge sahen wir nach einigen Stunden einen enormen Unterschied in den von den Pflanzen abgegebenen flüchtigen Stoffen, selbst wenn die Blätter nicht beschädigt waren. Ja, sicher.
00:17:03:02 - 00:17:13:23
Abigail Acton
Wie faszinierend ist das denn? Auf jeden Fall. Das ist zweifellos absolut faszinierend, aber haben Sie auch eine Vorstellung von einer Anwendung, die aus diesem Wissen hervorgehen könnte?
00:17:14:03 - 00:17:39:16
Ted Turlings
Ja, genau darum geht es innerhalb des Projekts AGRISCENTS. Danach zu suchen. Die Idee lautete, dass, wenn die Wespen in der Lage sind, Pflanzen mit Raupenbefall zu erkennen, auch wir dazu in der Lage sein müssten. Und ob, wenn ihr Geruch spezifisch genug ist, vielleicht sogar anhand des Geruchs, den die Pflanze abgibt, zu erkennen ist, welches Insekt an der Pflanze frisst.
00:17:39:18 - 00:17:54:02
Ted Turlings
Es gibt feine Unterschiede bei den verschiedenen Raupenarten, aber auch bei anderen Insekten und sogar bei Krankheitserregern wie Bakterien und Pilzen, die Pflanzen aufspüren und die Pflanzen dazu bringen, bestimmte Geruchsstoffe zu erzeugen.
00:17:54:07 - 00:18:09:02
Abigail Acton
Und diese Geruchsstoffe, welche die Pflanzen produzieren: Sind sie systematisch, um sich selbst zu schützen, wie zum Beispiel in Bezug auf die Raubwespen? Oder werden sie einfach nur als Notsignale ausgesendet, ohne dass die Pflanze sozusagen ein Ziel verfolgt? Verfolgt jede von ihnen ein Ziel?
00:18:09:06 - 00:18:32:01
Ted Turlings
Ja, sicher. Was die ursprüngliche Funktion war, ist ein bisschen schwer zu bestimmen, aber wir sehen auch, wie Sie zu Beginn dieses Podcasts erwähnten, die Option, dass Pflanzen miteinander über diese Geruchsstoffe interagieren. Das ist eine der möglichen Funktionen. Ich verwende das Wort Kommunikation nur ungern, denn es könnte auch einfach nur ein „Lauschangriff“ sein.
00:18:32:01 - 00:18:40:20
Ted Turlings
Lassen Sie es mich so ausdrücken: Eine benachbarte Pflanze kann den Geruchsstoff wahrnehmen und erkennen, dass es sich um eine Raupe handelt,
00:18:40:22 - 00:18:42:00
Abigail Acton
oder eine andere Art von Problem.
00:18:42:00 - 00:19:11:04
Ted Turlings
Eine Herausforderung. Ja, sicher. Und dann fangen sie an, sich auf diesen möglichen Angriff vorzubereiten. Das können sie auch tun, indem sie ihre Reaktionen in Bezug auf die Produktion von Abwehrstoffen oder auch die Erzeugung dieser Geruchsstoffe erhöhen, um die natürlichen Feinde der Pflanzenfresser anzulocken. Wir konnten das ziemlich gut erforschen, und wir haben herausgefunden, dass Krankheitserreger und Insekten ganz unterschiedliche Geruchsstoffe auslösen, und dass wir das tatsächlich wahrnehmen können.
00:19:11:04 - 00:19:34:18
Ted Turlings
Wir haben jetzt mehrere Sensoren erprobt, mit denen diese Gerüche in Echtzeit erkennbar sind. Letztlich gilt als Ziel, diese Sensoren beispielsweise auf einem Fahrzeug zu installieren, das durch ein Maisfeld fährt und an einzelnen Pflanzen riecht, um den landwirtschaftlichen Betrieben in Echtzeit Rückmeldung zu geben, wo es ein Problem gibt.
00:19:34:18 - 00:19:45:11
Ted Turlings
Und es ist sogar vorstellbar, dass dann mit demselben Fahrzeug etwas angewendet wird, um diesen Schädling zu töten, logischerweise Pestizide, und wir suchen auch nach weiteren Optionen.
00:19:45:17 - 00:19:46:16
Abigail Acton
Welche zum Beispiel, Ted?
00:19:46:22 - 00:20:05:11
Ted Turlings
Eine der Möglichkeiten ist die Untersuchung von Nematoden, winzig kleinen Würmern, die Insekten innerhalb von ein oder zwei Tagen töten, da sie Parasiten der Insekten sind. Und wir haben jetzt eine Formulierung entwickelt, die wir direkt in die Maispflanze, das Zentrum einer Maispflanze mit Nematoden, injizieren können. Und es funktioniert tatsächlich.
00:20:05:15 - 00:20:23:08
Abigail Acton
Ist das so? Funktioniert das? Das ist gut, denn ich muss zugeben, ich misstraue der Welt der Nematoden etwas, denn ich war in diesem Sommer chronisch von Schnecken geplagt und habe zwei oder drei Mal Nematoden angewendet, und die Schnecken schienen sich nicht wirklich daran zu stören. Ich hoffe deshalb, dass Ihre Nematoden wirksamer sind als die, die ich verwendet habe.
00:20:23:08 - 00:20:40:08
Ted Turlings
Wir haben tatsächlich auch mit Schneckennematoden gearbeitet, aber sie töten viel, viel langsamer. Das kann tatsächlich Wochen bis Monate dauern, bis sie ihre Schnecken töten. Für den Falle der Raupen gilt, dass sie angegriffen und innerhalb von zwei Tagen getötet werden. Okay. Mit nur ein oder zwei Nematoden tötet man sie auf der Stelle.
00:20:40:11 - 00:20:51:09
Abigail Acton
Wow! Okay. Geht also doch. Liebe Gärtnerinnen und Gärtner: Setzen Sie die Schneckennematoden weiter ein. Es wird nicht sofort funktionieren. Ich danke Ihnen vielmals. Super. Haben wir noch Fragen an Ted? Das wurde ausgezeichnet erklärt. Vielen Dank. Ja, bitte. Daniel.
00:20:51:15 - 00:21:14:17
Daniel Robert
Das ist spannend. Das ist wirklich großartig, weil hier klar wird, was Ted dort macht. Diese versteckten Aspekte, ob es Kommunikation ist oder einfach ein „Abhören“. Ich denke, das es letztlich völlig egal ist. Denn es gibt so viele verschiedene Komplexitäten. Aber ich habe mich gefragt, Ted, ob wir wissen, dass es viele Raupen gibt, die giftig werden, wenn sie sich entscheiden, Pflanzen zu fressen, um Fressfeinde abzuschrecken.
00:21:14:19 - 00:21:39:06
Daniel Robert
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Toxizität, also der Ungenießbarkeit dieser Raupen, und der Art und Weise, wie sie diese verschiedenen Substanzen absondern können, die für sie gleichermaßen tödlich sein könnten? Gibt es da ein doppeltes Spiel in der Art, dass es einigen Raupen tatsächlich gelungen ist, durch den gleichen Prozess der Toxifizierung nicht nur abschreckend zu sein, sondern auch abwehrend gegenüber allem, was für sie negativ ist?
00:21:39:12 - 00:22:06:23
Ted Turlings
Ja. Spezialisierte Insekten sind in der Lage, die Abwehrstoffe der Pflanzen zu binden. Und diese Spezialisten haben Wege gefunden, diese Verbindungen dort selbst zu detoxifizieren. Wir haben vor kurzem eine wissenschaftliche Arbeit über einen Käfer veröffentlicht, bei dem sich die Larven von den Wurzeln und die erwachsenen Tiere von den Blättern ernähren, und diese erwachsenen Tiere sind in der Lage, die Abwehrstoffe verschiedener Pflanzen, verschiedene Toxine, zu binden.
00:22:07:00 - 00:22:24:03
Ted Turlings
Bisher war nicht bekannt, dass sie tatsächlich mehrere verschiedene Abwehrstoffe absondern können und diese Stoffe auf ihre Eier übertragen, die damit vor Fressfeinden geschützt sind. Das ist eine weitere faszinierende Welt, die vom Kommunikationsaspekt her ein wenig anders angelegt ist.
00:22:24:05 - 00:22:27:07
Abigail Acton
Nun, es ist relevant, wenn wir es als Interaktion und nicht als Kommunikation betrachten.
00:22:27:08 - 00:22:28:11
Ted Turlings
Jawohl, genau so ist es.
00:22:28:11 - 00:22:46:08
Abigail Acton
Eigentlich geht es um Verbindung und Interaktion. Offen gesagt ist das Ganze ziemlich verblüffend. Ich finde das wunderbar. Absolut genial. Vielen Dank für diese Frage. Und für diese Antwort. Jonathan, ich wende mich jetzt an Sie. Jonathan, im Rahmen des Projekts ELEVATE wurde die Interaktion zwischen Blattschneiderameisen und dem von ihnen kultivierten Pilz untersucht. So weit, so gut. Wir sprechen hier also immer noch über diese Art von Symbiose.
00:22:46:10 - 00:22:51:21
Abigail Acton
Blattschneiderameisen arbeiten gewissermaßen bäuerlich. Ich meine, das ist nicht das, was einem sofort in den Sinn kommt. Jonathan, erzählen Sie uns bitte mehr.
00:22:52:01 - 00:23:19:02
Jonathan Shik
Wenn Sie jemals die Gelegenheit hatten, einen Regenwald in der Neuen Welt von Panama bis Argentinien zu besuchen, werden Sie oft diese riesigen Bahnen gesehen haben, auf denen sich abertausende Ameisen schlicht auf Nahrungssuche begeben. Und es dürfte wohl eine der symbolträchtigsten Szenen des Regenwaldes sein. Dabei klettern sie in die Baumkronen und schneiden alle möglichen Blattstücke von Hunderten verschiedenen Arten ab, um sie dann zum Nest zurückzubringen, wo sie unter der Erde verschwinden.
00:23:19:08 - 00:23:45:22
Jonathan Shik
Das, was dann unter der Erde passiert, ist für mich wirklich interessant. Es stellte sich heraus, dass diese Ameisen, wie Sie es schon sagten, echte Farmen betreiben. Sie übertragen eine Anbaupflanze vertikal von Generation zu Generation, genau wie bäuerlich lebende Menschen. Sie schützen sie vor allen Arten von Schädlingen und Krankheitserregern. Sie schaffen unterirdisch ein optimales Wachstumsumfeld, und es ist ihre Nahrungsquelle. Es wird Pflanzenmaterial, das sie nicht fressen können, in eine optimierte Nährstoffbelohnung umgewandelt, von der die Lebensgrundlage der Ameisen abhängt.
00:23:46:02 - 00:23:54:20
Abigail Acton
Okay, ich habe mich gefragt, worum es wohl geht. Also vielen Dank für die Antwort. Wenn Sie von der Schaffung einer Nahrungsquelle sprechen, so fressen die Ameisen nicht den Pilz selbst, nehme ich an, oder? Oder fressen sie das, was der Pilz produziert?
00:23:54:20 - 00:24:03:05
Jonathan Shik
Sie essen den Pilz. Der Pilz produziert diese sehr spezialisierten, domestizierten Früchte, vergleichbar mit Äpfeln auf einem Apfelbaum.
00:24:03:07 - 00:24:10:15
Abigail Acton
Okay. Aber offensichtlich schadet es dem Pilz im Kern nicht, denn sonst würde er ja vor der erforderlichen Ernte aufgefressen werden.
00:24:10:17 - 00:24:26:22
Jonathan Shik
Nein, das geschieht nicht. Ja, Sie haben Recht. Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein Pilz einem anderen Organismus Nahrung liefert. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass diese verschiedenen Arten voneinander abhängig sind, da es sich um eine obligate Art handelt. Sie können ohne einander nicht leben. Und aus evolutionärer Sicht ist es sinnvoll, dass der Pilz den bäuerlichen Ameisen einige Nährstoffe liefert.
00:24:27:00 - 00:24:37:20
Abigail Acton
So ist es doch? Und zwar ohne dabei selbst Schaden zu nehmen. Wirklich, buchstäblich, wie bei Äpfeln auf Bäumen. Okay. Faszinierend. Woran waren Sie im Rahmen des Projekts ELEVATE besonders interessiert? Was haben Sie dort genauer betrachtet?
00:24:37:20 - 00:24:57:03
Jonathan Shik
Ich fand es schon immer faszinierend, wie Ameisenkolonien funktionieren. Jede einzelne Ameise ist ziemlich dumm. Ich habe viele Stunden damit verbracht, sie im Regenwald zu beobachten, auf Müllsäcken und im Laubstreu, um sie bei der Nahrungssuche zu verfolgen. Wird im Laubstreu ein Fußabdruck hinterlassen, wandern einige Ameisenarten stundenlang ziellos im Kreis herum.
00:24:57:05 - 00:25:26:11
Jonathan Shik
Aber dennoch sind diese Ameisen irgendwie in der Lage, diese unglaublich komplexen, ausgeklügelten Anbausysteme zu verwalten. Deshalb habe ich mich gefragt, wie sie das hinkriegen. Dabei habe ich mich speziell auf die Themen Ernährung und Kommunikation zwischen den Ameisen und dem Pilz konzentriert, da die bäuerlich lebenden Menschen ganz genau wissen, welche Nährstoffmischungen für ihre Anbaupflanzen am besten sind. Die Kernfrage meines Forschung lautete: Woher wissen die Ameisen, welcher Nährstoffmix ihre Pilzkulturen am besten wachsen lässt, und wie können sie das überhaupt feststellen?
00:25:26:11 - 00:25:32:17
Jonathan Shik
Und können sie komplexe Nährstoffentscheidungen treffen, um die Produktivität ihrer Nahrungsmittelpflanzen zu optimieren?
00:25:32:19 - 00:25:39:06
Abigail Acton
Mir ist überdies aufgefallen, dass Sie sich auch für die verschiedenen klimatischen Auswirkungen interessieren. Diese Situationen würden demgemäß je nach Kontext variieren.
00:25:39:09 - 00:26:02:17
Jonathan Shik
Ja, ich denke, das ist wahr. Diese Ameisen gibt es vom südlichen New Jersey bis nach Argentinien, wobei es sich um verschiedene Arten handelt, die nicht unbedingt alle Blattschneiderameisen sind, sondern auch ganz unterschiedliche Ameisenstämme, die jedoch alle gärtnerisch arbeiten und miteinander verwandt sind. Sie leben also vom Regenwald über Wüsten bis hin zum Grasland. Sie müssen dementsprechend in der Lage sein, ihre Kulturen in sehr unterschiedlichen Lebensräumen anzubauen.
00:26:02:19 - 00:26:16:08
Jonathan Shik
Und im Gegensatz zu den Menschen, die seit etwa 10 000 Jahren Landwirtschaft betreiben, betätigen sich diese Ameisen seit etwa 60 Millionen Jahren auf nachhaltige Weise bäuerlich. Wie ist es ihnen gelungen, diese lange Zeit zu überstehen? Auch dem Klimawandel galt mein zentrales Interesse.
00:26:16:11 - 00:26:27:13
Abigail Acton
Natürlich. Und auf welche Weise haben Sie die Blattschneiderameisen erforscht? Ich weiß zum Beispiel, dass Sie in Panama waren. Können Sie uns etwas über die Experimente berichten, die Sie im panamaischen Regenwald durchgeführt haben? Das muss eine ziemlich schwierige Umgebung gewesen sein.
00:26:27:15 - 00:26:50:11
Jonathan Shik
Ja, wir arbeiteten in der Nähe des Panamakanals, am Smithsonian Tropical Research Institute. Das ist dort ein sehr schöner Wald. Und es gibt diese riesigen Containerschiffe, die durch den Panamakanal fahren. Aber wir steckten nur mit dem Kopf in der Laubstreu und suchten nach Ameisen. Wir haben zum Beispiel, wie ich bereits erwähnte, den vorbeilaufenden Blattschneiderameisen ein Stückchen Blattmaterial gestohlen und die Ameisen ihren Weg fortsetzen lassen.
00:26:50:13 - 00:27:09:07
Jonathan Shik
Dann sammelten wir all das Pflanzenmaterial und analysierten es auf alle möglichen Nährstoffe und auch alle möglichen sekundären Stoffwechselprodukte, wie etwa Toxine, welche die Pflanzen möglicherweise produzieren. Auf diese Weise könnten uns die Ameisen verraten, nach welchen Nährstoffmischungen sie tatsächlich suchen und wie sie sich, wie ich es nenne, in einer Nahrungslandschaft aus Hunderten Pflanzenarten zurechtfinden.
00:27:09:09 - 00:27:20:10
Jonathan Shik
Und ob die Nährstoffe, nach denen sie draußen suchen, mit den Nährstoffen übereinstimmen, die wir im Labor messen können, und welche die Leistung der Pilzkultur in einer Petrischale maximieren.
00:27:20:10 - 00:27:28:15
Abigail Acton
Haben Sie dann versucht, den Pilz in den Labors mit den Nährstoffen zu züchten, die von den Ameisen gesammelt wurden, sowie auch ohne, ich nehme an, Sie hatten eine Kontrollgruppe? Und was haben Sie herausbekommen? Was lautete das Ergebnis?
00:27:28:19 - 00:27:57:14
Jonathan Shik
Es ist kompliziert, denn Ernährung ist immer kompliziert. Aber wir konnten nachweisen, dass Dinge wie Proteine schnell für den Pilz toxisch werden können. Wenn er in einer Petrischale gezüchtet wird. Und dennoch enthält das Pflanzenmaterial, das sie in der Außenwelt suchen, mehr Protein, als man für optimal halten würde. Wir konnten beweisen, dass es alle möglichen Interaktionen mit sekundären Nährstoffen gibt, die das Protein für den Pilz genießbar werden lassen, und es ihm ermöglichen, zu gedeihen, obwohl er eigentlich etwas zu viel Protein erhält.
00:27:57:16 - 00:28:10:03
Jonathan Shik
Zudem können die Ameisen auch feststellen, wie viel Protein sie auf dem Pilz ablagern, was wirklich interessant ist. Auf jeden Fall. Wir wissen noch nicht genau, wie sie das hinbekommen, aber sie können es definitiv. Das ist ein Teil der Forschung, an der wir gegenwärtig arbeiten.
00:28:10:03 - 00:28:25:11
Abigail Acton
Sie regulieren, vermute ich, wie viel sie zuführen, um innerhalb der für den Pilz sicheren Parameter zu bleiben. Einfach fabelhaft. Nun, das haben die Ameisen von ihrer Arbeit. Es ist offensichtlich, wie viel Aufwand dahinter steckt und warum sie sozusagen das Ameisenäquivalent von Äpfeln vom Apfelbaum bekommen. Aber was hat der Pilz von all dem?
00:28:25:17 - 00:28:49:05
Jonathan Shik
Nun, er wird geschützt und unterliegt der vertikalen Transmission. Fliegt eine neue Königin bei ihrer Geburt von ihrer Kolonie weg, um eine neue Kolonie zu gründen, so nimmt sie ein kleines Stück Pilz in ihrem Mund mit. Dann paart sie sich mit mehreren Männchen. Die Männchen sterben. Sie sind nichts weiter als herumfliegende Spermaraketen. Die Königin fällt auf den Boden, verliert ihre Flügel, gräbt ein Loch und spuckt dann das kleine Stückchen Pilz aus ihrer Geburtskolonie aus und beginnt, sich um es zu kümmern.
00:28:49:09 - 00:29:03:24
Jonathan Shik
Dann legt sie die von ihrer Paarung stammenden Eier und beginnt, Arbeiterinnen zu produzieren, und die Kolonie wächst zu einer neuen Kolonie heran, sodass der Pilz keine Früchte mehr produzieren und nicht mehr in die Fortpflanzung investieren muss. Er liefert den Ameisen Futter und wird an die nächste Generation weitergegeben.
00:29:04:01 - 00:29:19:19
Abigail Acton
Brillant. Absolut wunderbar. Und Sie erwähnten etwas über die Ameisen in der Art, dass sie ihn beschützen. Ich glaube, Sie haben die Möglichkeit angedeutet, Jonathan, als wir von der möglichen Produktion eines Stoffes durch den Pilz sprachen, der die Aggressivität der Ameisen steigern könnte, damit sie ihn schützen.
00:29:19:21 - 00:29:42:18
Jonathan Shik
Ja. Daran hat eine andere Forschungsgruppe gearbeitet. Und wir haben ein wenig damit begonnen, zu forschen, und es hat sich gezeigt, dass der Pilz bestimmte Lipide, bestimmte Fettsäuren, verstoffwechselt, die sich von denen im Pflanzenmaterial leicht unterscheiden. Er bindet diese, sammelt sie in seinem Pilzgewebe an. Wenn die Ameisen das merken, können sie etwas aggressiver werden und den Pilzgarten schützen.
00:29:42:20 - 00:30:04:04
Jonathan Shik
Wir untersuchen gegenwärtig etwas in der Art, wie Ted sich für Signale flüchtiger Substanzen interessiert hat. Unser Interesse gilt mehr den langkettigen Kohlenstoffverbindungen oder diesen größeren Molekülen, die den Pilzgarten möglicherweise umhüllen. Denn wir denken, wir müssen mehr über die wirklich gezielte Signalisierung des Pilzes erfahren, zum Beispiel, dass sich zu viel Proteine an dieser Stelle in Kohlenhydrate umwandeln.
00:30:04:04 - 00:30:16:19
Jonathan Shik
Oder es handelt sich um sehr schädliche Pflanzenchemikalien. Die müssen weg, sonst gibt es hier Krankheitserreger. Sie müssen aus dem Pilzgarten entfernt werden. Ich denke, dass flüchtige Stoffe ein zu breites Signal darstellen würden.
00:30:16:21 - 00:30:20:07
Abigail Acton
Richtig. Sie suchen etwas Konkreteres, wie ein Klopfen auf die Schulter.
00:30:20:09 - 00:30:21:20
Jonathan Shik
Ganz genau. Ja, sicher.
00:30:21:22 - 00:30:30:15
Abigail Acton
Ich finde das einfach wunderbar. Absolut genial. Ich finde das echt toll. Ja, das ist ausgezeichnet. Ich danke Ihnen vielmals. Jonathan. Hat jemand eine Frage an Jonathan? Ja, bitte. Daniel.
00:30:30:20 - 00:30:51:22
Daniel Robert
Jonathan, das ist eine wirklich wunderbare Sache. Ich habe da auch schon gestaunt, wenn ich sie draußen beobachtet habe. Und ich finde sie auch faszinierend, selbst wenn ich nicht direkt mit ihnen arbeite. Fantastische Sache! Pilzsporen sind überall, und ich kann sehen, wie diese Ameisen zu einem Baum gehen und sich dort Futter holen. Wobei sie mit den Blättern sie wohl auch einige Pilzsporen mitbringen.
00:30:51:24 - 00:31:08:10
Daniel Robert
Gibt es Beweise dafür, dass sie die Blätter auswählen oder vorher reinigen, um die Einschleppung von Krankheitserregern aller Art zu verhindern? Pathogene Pilze sind doch nicht sehr nett zueinander. Wie schützen sie in diesem Fall den oberen Teil des Baums?
00:31:08:12 - 00:31:29:01
Jonathan Shik
Ja, das ist eine wirklich gute Frage. Es gibt viele verschiedene Lösungen, welche die Ameisen nutzen, und sie variieren von Art zu Art. Es hat sich jedoch erwiesen, dass viele Pflanzenblätter sogenannte endophytische Pilze oder Pilze enthalten, die gewissermaßen ihr ganzes Leben lang im Inneren der Blätter leben. Und einige dieser Pilze können Verbindungen produzieren, die der Pilz im Nest nicht mag.
00:31:29:03 - 00:31:55:09
Jonathan Shik
Andere Gruppen haben gezeigt, dass die Ameisen gegen Blätter selektieren können, in denen bestimmte Schadpilze leben. Aber die Ameisen produzieren alle möglichen Chemikalien, um sich vor verschiedenen Krankheitserregern wie Pilz- und Bakterienpathogenen zu schützen. Und so verfügt der Pilzgarten über verschiedene Arten von Chemikalien, und die Bakterien, die auf ihren Körpern leben, die antimykotische und antibakterielle Verbindungen produzieren, die auch vor diesem wirklich schlechten Pilz namens Escovopsis schützen können,
00:31:55:09 - 00:32:05:24
Jonathan Shik
der dem Pilzgarten sehr schaden kann. Es handelt sich somit um ein sehr komplexes Geflecht, eine Symbiose verschiedener Organismen, die sich gegenseitig schützen und verteidigen.
00:32:06:03 - 00:32:09:06
Abigail Acton
Und es wird auch versucht, diese Schutz- und Abwehrmaßnahmen zu umgehen. Ja, sicher.
00:32:09:08 - 00:32:26:10
Jonathan Shik
Es ist recht interessant, wenn man ein Loch in die Erde gräbt, etwa einen halben Meter tief, und dann eine Kammer findet, und die Bodenumgebung ist so schmutzig. Aber der Pilzgarten ist sauber, getrennt vom Pilz und einer Pflanzenwurzel oder so. Und die Ameisen sind ständig damit beschäftigt, alles zu reinigen.
00:32:26:12 - 00:32:35:09
Abigail Acton
Eine sehr gewissenhafte Landwirtschaft. Vielen Dank. Ich bedanke mich bei Ihnen allen. Es hätte nicht interessanter sein können. Es war wirklich sehr bereichernd, mit Ihnen zu sprechen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben.
00:32:35:13 - 00:32:36:11
Jonathan Shik
Ich danke Ihnen vielmals.
00:32:36:11 - 00:32:38:17
Daniel Robert
Vielen Dank. Ich danke Ihnen allen. Auf Wiedersehen.
00:32:38:17 - 00:32:39:00
Ted Turlings
Bis bald.
00:32:39:01 - 00:33:02:04
Abigail Acton
Auf Wiedersehen. Wenn Ihnen der heutige faszinierende Einblick in eine verborgene Welt gefallen hat, über die sich vielleicht noch nie jemand von uns Gedanken gemacht hat, dann folgen Sie uns auf Spotify und Apple Podcasts, und suchen Sie auf der Podcast-Homepage auf der cordis.europa.eu-Website nach weiteren, ebenso interessanten Folgen. Melden Sie sich an, damit Ihnen die spannendsten Forschungsergebnisse der EU-finanzierten Wissenschaft nicht entgehen.
00:33:02:06 - 00:33:22:12
Abigail Acton
Und wenn Sie sich demnächst mit jemandem über Podcasts unterhalten, die Ihnen gefallen haben, dann empfehlen Sie doch CORDIScovery! Wir haben über MRT-Scans von Pavianen gesprochen und darüber, wie sie uns Aufschluss über die Entwicklung der Sprache geben, und wie es möglich sein könnte, Proben von winzigen Asteroiden zu sammeln, die Millionen Kilometer von uns entfernt sind. In unseren bisherigen Folgen war bestimmt etwas dabei, das Ihre Neugierde wecken wird.
00:33:22:18 - 00:33:44:21
Abigail Acton
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00:33:44:22 - 00:33:46:06
Abigail Acton
Bis zum nächsten Mal.