Ein Gerät zum Schutz vor chemischen Bedrohungen
Herkömmliche Detektoren für chemische Bedrohungen, die auf Ionenmobilität oder Massenspektrometrie beruhen, sind oft sperrig und teuer. Die Erkennung mit Immunoassays bietet zwar mehr Spezifität, aber es kann nicht das gesamte Spektrum der aufkommenden Bedrohungen erkannt werden. Im EU-finanzierten Projekt SERSing wurde ein Raman-SERS-Handgerät mit künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt, mit dem Gefahren durch Flüssigchemikalien bei geringer Konzentration erkannt und identifiziert werden können. Ein entsprechendes Gerät für Gase ist in Arbeit. Daten mit Geotagging zur Bedrohung werden für umgehende Reaktionsentscheidungen an eine Online-Plattform übermittelt. „Unser Gerät ist für Ersteinsatzkräfte, installiert an festen Standorten oder auf Robotern und Drohnen angebracht geeignet“, erklärt Tomas Rindzevicius, der Projektkoordinator. „Zu Projektbeginn war die KI-gestützte SERS-Datenanalyse noch relativ neu. Sie hat sich als ausgezeichnete Ergänzung für unsere Erkennungswerkzeuge erwiesen.“ Im Rahmen des Projekts wurden mit der oberflächenverstärkten Raman-Spektroskopie (SERS) erstmals erfolgreich chemische Kampfstoffe (C-Kampfstoffe) in der Gasphase erkannt. Anschließend wurden mehrere Patente angemeldet.
SERS: Die Vorteile empfindlicherer Raman-Spektroskopie
Raman-Spektroskopie (RS) bezeichnet ein chemisches Analyseverfahren, mit dem unbekannte, verdächtige feste oder flüssige Verbindungen identifiziert werden. Mit dem Verfahren werden keine molekularen Spuren erfasst, doch schädliche Chemikalien wie C-Kampfstoffe sind selbst bei geringer Konzentration extrem gefährlich. Das SERSing-Team hat das SERS-Verfahren genutzt und mit nanostrukturierten Werkstoffen das Raman-Signal verstärkt, um Chemikalien bei geringer Konzentration zu erkennen und zu identifizieren. Mit Methoden des maschinellen Lernens (ML) erfolgte die spektrale Anpassung. Das Team prüfte auch, wie RS- oder SERS-Daten mit neuronalen Netzen analysiert werden könnten, um unbekannte Verbindungen zu bestimmen. Das Team hat die Leistung verschiedener SERS-Substrate, gasförmiger/flüssiger Probenmodule und die ML-gestützte Datenanalyse in Feldtests mit echten C-Kampfstoffen getestet. Zur Gasphase testete das SERSing-Team die Erkennung von Nervenkampfstoffen und erreichte Nachweisgrenzen von Teilen je Million (ppm) für Tabun und Teile je Milliarde (ppb) für Senf. Zur Flüssigphase wurden mit dem Raman-Handgerät des Projektpartners Serstech folgende Stoffe erfolgreich erkannt: Tabun, Sarin, Senfgas, Nervengifte der V-Reihe, Dimethylmethylphosphonat und das Nervengift-Simulationsmittel Dimethylnitrophosphonat. „Ein bedeutender Meilenstein war die Erkennung von A234 (Nowitschok) in verschiedenen realen Mischungen wie Nasenspray in Konzentrationen von bis zu 0,01 %. Das ist zwei Größenordnungen geringer als mit konventionellen Raman-Geräten möglich wäre“, ergänzt Rindzevicius. Die ML-Verfahren erwiesen sich als leistungsfähiger als die Standardmethoden zur Identifizierung von Verbindungen und Konzentrationsvorhersagen, die aktuell zur RS eingesetzt werden. Mit den neuronalen Netzen wurden nitroaromatische Sprengstoffe erkannt und quantifiziert.
Geolokalisierung in Echtzeit
Das SERSTECH-Gerät ist mit Geolokalisierung ausgestattet, sodass der Standort der Proben und deren Bewegung aufgezeichnet werden kann – kritisch für Feldeinsätze. Auch eine Fernverbindung ist möglich, um Daten an ein zentrales Kontrollsystem oder eine cloudbasierte Plattform zu übermitteln. Mehrere Geräte können koordiniert werden, um ein umfassendes Lagebild der Bedrohung zu erstellen. „Durch die Echtzeitüberwachung ist die Entscheidungsfindung leichter, sodass Teams schnell eingreifen, Ressourcen verwaltet und Bedrohungen effizienter eingedämmt werden können. Das System kann auch auf neue Gefahren in Entwicklung ausgerichtet werden, um das Lagebewusstsein und die Sicherheit insgesamt zu verbessern“, sagt Rindzevicius. Die Erfolge von SERSing stehen im Einklang mit den Lücken, die über die EU-Initiative ENCIRCLE zur besseren Erkennung, Identifizierung, Modellierung, Risikobewertung und Folgenminderung erkannt wurden. Nach Angaben des IFAFRI (International Forum to advance First Responder Innovation) haben Ersteinsatzkräfte wiederholt auf den Bedarf an bezahlbaren innovativen Möglichkeiten hingewiesen, mit denen Bedrohungen und Gefahren schnell erkannt, identifiziert und analysiert werden können. Die SERS-Substrate aus dem Projekt SERSing werden bereits vom Projektpartner Serstech in dem SERS-Kit eingesetzt, mit dem verschiedene chemische Bedrohungen in flüssigen Proben erkannt und identifiziert werden können.
Schlüsselbegriffe
SERSing, chemisch, Bedrohung, Raman-Spektroskopie, maschinelles Lernen, Nowitschok, Gefahren, Kampfstoffe