Wie Symbionten das Wachstum von Käfern begünstigt haben
Die meisten Tiere leben in Symbiose mit Mikroorganismen, die für das Wohlergehen des Wirts oft sehr wichtig ist. So ist beispielsweise das menschliche Darmmikrobiom ein symbiotisches System, in dem die Bakterien von einer günstigen Umgebung (u. a. ideale Temperatur, Nährstoffversorgung) profitieren, während der Mensch bei der Verdauung und Nährstoffaufnahme unterstützt wird. Jüngste Studien deuten darauf hin, dass mikrobielle Symbionten bei Käfern aromatische Aminosäuren (insbesondere Vorstufen von Tyrosin) bereitstellen, die den Schutz des Käfers gegen Fressfeinde, Krankheitserreger und Austrocknung erhöhen. Als wichtiger Metabolit ist Tyrosin neben seiner Eigenschaft als Bestandteil von Proteinen wichtig für die Melanisierung (Bräunung) und Sklerotisierung (Verhärtung) des schützenden Körperpanzers der Insekten, der Kutikula. „Wir verstanden aber immer noch nicht, wie weit verbreitet solche Tyrosin-bereitstellenden Symbiosen sind, ihre ökologische Bedeutung, ihre Evolutionsgeschichte oder die molekulare Regulation“, bemerkt Martin Kaltenpoth, Projektkoordinator von SYMBeetle, das vom Europäischen Forschungsrat finanziert wurde. SYMBeetle wies nach, dass Tyrosin von bakteriellen Symbionten in mehreren Käferfamilien zur Verfügung gestellt wird, und gab Aufschluss über deren Evolutionsgeschichten. „Es war spannend zu erfahren, dass viele verschiedene Käfer unabhängig voneinander mikrobielle Symbionten als Quelle für diesen einen Schlüsselmetaboliten, Tyrosin, erworben haben“, fügt Kaltenpoth hinzu.
Tyrosin-ergänzende Symbiosen charakterisieren
Das Team führte phylogenomische Studien (für Käfer und Symbionten) durch, um die Evolutionsgeschichte der Tyrosin-ergänzenden Bakterien in fünf verschiedenen Käferfamilien zu entschlüsseln. Die Studien verdeutlichten, dass diese Symbionten über lange evolutionäre Zeiträume (Hunderte Millionen Jahre) überleben, aber auch verloren gehen oder durch andere Symbionten ersetzt werden können. „Der wiederholte Erwerb von Tyrosin-ergänzenden Symbionten unterstreicht, dass sie für viele pflanzenfressende Käfer sehr wichtig sind. Da andere pflanzenfressende Käfer aber auch ohne sie auskommen, ist mehr Forschung notwendig, um die ökologischen Faktoren zu ermitteln, die die Verbreitung der Symbionten bestimmen“, so Kaltenpoth. Eine weitere Entdeckung bestand darin, dass die Tyrosin-ergänzenden Symbiosen durch das weit verbreitete Herbizid „Glyphosat“ gestört werden können. Das Herbizid zielt auf den Shikimisäureweg ab und hemmt ein Enzym, das für die Produktion von aromatischen Aminosäuren in Pflanzen und Mikroben verantwortlich ist. „Unter Berücksichtigung, wie weit dieser Stoffwechselweg unter den Insektensymbionten verbreitet ist, könnten viele verschiedene Insekten für Glyphosat anfällig sein“, fügt Kaltenpoth hinzu. Die bessere Verdauung, die bakterielle Symbionten der megadiversen Blattkäferfamilie verschaffen, wurden auch durch eine genomische Analyse der Fähigkeit der Käfer charakterisiert, Verdauungsenzyme zu produzieren, die die Zellwand der Pflanze abbauen. Die Ergebnisse belegen eindeutig, dass diese Enzyme in den Blattkäfern durch wiederholte Exposition gegenüber den Symbionten sowie durch horizontalen Gentransfer von Bakterien und Pilzen der Gene für diese Enzyme geformt worden waren. Ebenfalls wichtig war die Entdeckung eines neuartigen intrazellulären Symbionten in mehreren Käferfamilien und anderen Insektenordnungen. Genau wie die Tyrosin liefernden und verdauungsfördernden Symbionten wird dieses Bakterium (vom Team „Symbiodolus“ genannt) von Müttern an ihre Nachkommen weitergegeben, aber es scheint auch erfolgreich neue Wirte zu besiedeln, mit unbekannten Folgen für deren Fitness. „Wir waren erstaunt, dass wir bei vielen verschiedenen Insekten immer wieder sehr ähnliche bakterielle Sequenzen fanden, was zu dieser Entdeckung führte“, kommentiert Kaltenpoth.
Auswirkungen auf Medizin und Landwirtschaft
Die Entschlüsselung der Funktion, der ökologischen Bedeutung und der Evolutionsgeschichte von Käfer-Bakterien-Symbiosen gibt über die Diversifizierung einer der erfolgreichsten Organismengruppen der Erde Aufschluss. Ein besseres Verständnis der molekularen Grundlagen und der Regulierung von Wirt-Symbionten-Interaktionen bietet zudem Erkenntnisse, die in der Medizin und der Landwirtschaft Anwendung finden könnten. Die Glyphosat-Experimente des Teams dienen als Warnung, dass der Einsatz zum Rückgang der Insektenpopulationen beitragen kann.
Schlüsselbegriffe
SYMBeetle, mikrobiell, Bakterien, Kutikula, Käfer, Insekt, Symbiosen, Symbiont, Tyrosin, Herbizid, Glyphosat