Wegbereiter für drahtlose Neuroimplantate der Zukunft
Das Team des EU-finanzierten Projekts IoN entwickelte eine neue ultraschallbasierte Technik zur drahtlosen Stromversorgung medizinischer Implantate. Das vom IoN-Projektkoordinator und dem Forschungszentrum für Nanoelektronik und Digitaltechnik imec zusammen mit der Technischen Universität Delft (beide in den Niederlanden) erarbeitete innovative Konzept legt den Grundstein für miniaturisierte, minimal-invasive, drahtlose Neuroimplantate. Imec stellte das neue Konzept erstmals auf der 2024 International Solid-State Circuits Conference im Februar in San Francisco vor. Die Technologie verbraucht weniger als die Hälfte des Stroms im Vergleich zu anderen Systemen und hat einen geringen Platzbedarf.
Freisetzung des Potenzials von Neuroimplantaten
Die heutigen neuronalen Sonden, die zur Erforschung und Behandlung neurologischer Störungen eingesetzt werden, haben gewisse Nachteile, was die Stromversorgung angeht. Laut einer Pressemitteilung von imec kann ihre invasive Verkabelung zu Narbenbildung und Infektionen führen, wobei die Integration von Batterien, die eine Kabelverbindung überflüssig machen, Bedenken hinsichtlich der Größe und des Auslaufens von Chemikalien weckt. Die neue Technik kommt ohne invasive Eingriffe oder sperrige Batterien aus und nutzt Ultraschalltechnologie, um Neuroimplantate in der Hirnrinde drahtlos mit Strom zu versorgen. „Bei vielen Neuroimplantattechnologien werden derzeit zwar erhebliche Fortschritte hinsichtlich Sensorik und Stimulation erzielt, dennoch gibt es bei den drahtlosen Schnittstellen, die eine der entscheidenden Komponenten der Implantate sind, noch viel Raum für Verbesserungen – insbesondere in Bezug auf die Energieeffizienz und den Formfaktor“, sagt der wissenschaftliche Leiter von imec, Yao-Hong Liu. „Mit dem Ziel, diese Lücke zu schließen und das volle Potenzial von Neuroimplantaten zu erschließen, nutzen wir unsere einzigartigen Drahtlos-, Stromversorgungs- und Telemetrietechnologien, um minimalinvasive drahtlose Systeme zu entwickeln, die auf miniaturisierte Implantate zugeschnitten sind und über intrakortikale Neuroimplantate hinaus Anwendung finden.“ Dazu setzte das Team von IoN eine einzigartige adiabatische Antriebstechnik ein, die auf dem Konzept der globalen Ladungsumverteilung basiert. Bei dieser Technik werden die parasitären Kondensatoren des Ultraschallwandler-Arrays selbst genutzt und die Ladungen rückgewonnen, sodass keine externen Kondensatoren mehr für die Ladungsumverteilung benötigt werden. Darüber hinaus ist der Chip in 65-nm-CMOS gefertigt und verfügt über eine vollständig integrierte 116 μm × 116 μm große Antriebseinheit, die im Vergleich zum herkömmlichen Klasse-D-Antrieb 69 % Stromeinsparungen ermöglicht. Dank dieser Konstruktion ist die adiabatische Ultraschall-Antriebseinheit die kleinste ihrer Art und hat zudem den geringsten Stromverbrauch unter den modernen Systemen. Für den medizinischen Einsatz ist die Strahlschwenkung bis zu großen Winkeln (> 45°) von entscheidender Bedeutung, um die Stromabgabe zu maximieren und Mikrobewegungen oder Fehlausrichtungen auszugleichen, die im Gehirn auftreten können, wie z. B. bei Operationen oder beim Atmen. Durch die Einführung eines Strahlschwenkungsreglers kann mit dem Konzept der globalen Ladungsumverteilung von imec eine Strahlschwenkung von bis zu 53° erreicht werden. „Wir möchten die praktische Anwendung unserer Technologie unter realen In-vivo-Bedingungen mit unseren laufenden Fortschritten, insbesondere in Bereichen wie der Integration von Mikrosystemen und der Verpackung, demonstrieren und begrüßen die Zusammenarbeit mit Medizin oder Forschung“, schließt Liu, der das Projekt IoN leitet. IoN (Intranet of Neurons: A Minimal-invasive and High-capacity Transcranial Telemetry Network for Large-scale Brain-wide Neural Recordings) endet im August 2026. Weitere Informationen: IoN-Projektwebsite
Schlüsselbegriffe
IoN, Implantat, Neuroimplantat, medizinisches Implantat, Ultraschall, Gehirn, Neuron