Von wachsenden Pflanzen zu Kletterrobotern
Die meisten Menschen betrachten eine Pflanze und sehen Blätter, doch einige europäische Forschende sehen Roboter. Ganz genau: Roboter. Auf den ersten Blick scheinen Pflanzen und Roboter an entgegengesetzten Enden des technologischen Spektrums zu stehen. Aber die Art, wie Pflanzen wachsen, klettern und sich bewegen, offenbart viele Einblicke. Daher hat eine Forschungsgruppe mit Unterstützung des EU-finanzierten Projekts GrowBot die Bewegungsfähigkeiten von Kletterpflanzen in Roboterdesigns integriert. „Wir haben die Eigenschaften dieser Pflanzen nachgebildet, um leichte, kleine Roboter zu bauen, die sich selbst verankern, Hohlräume überwinden und sich in Szenarien bewegen können, an denen derzeitige Kletterroboter mit Rädern, Beinen oder Schienen herunterfallen oder steckenbleiben“, berichtet Barbara Mazzolai, stellvertretende Leiterin für Robotik am Istituto Italiano di Tecnologia.
Integration von Pflanzenverhalten in Roboterplattformen
Zunächst erforschten die Forschenden sämtliche Aspekte von Kletterpflanzen: Ihre Anatomie und Morphologie, die Biomechanik, das Wachstum, die Bewegung und das Verhalten. Anschließend konzipierten und erstellten sie Robotermaterialien, Aktuatoren, Verankerungssysteme und Lösungen, die diesen biologischen Pflanzeneigenschaften nachempfunden sind. All dieses Wissen und die Komponenten wurden dann in die GrowBot-Roboterplattformen integriert. „Alle Mechanismen, Materialien und Kontrollsysteme in dieser Plattformen sind von Kletterpflanzen inspiriert“, erklärt Mazzolai. Zu diesen Plattformen gehören ein wachsender Roboter mit einer von Pflanzen inspirierten Verhaltenssteuerung und ein Roboter mit Suchfunktion zur Umwelterkundung. Im Rahmen des Projekts wurde auch eine dritte Plattform zur Energiegewinnung erarbeitet, in die pflanzeninspirierte triboelektrische Systeme integriert sind.
Eigenständige Technologien
Zusätzlich zu den Roboterplattformen wandten die Forschenden das gewonnene Wissen zu Kletterpflanzen auch auf eine Reihe an eigenständigen Technologien an. Dazu gehören innovative weiche Roboterkomponenten für die Integration mit oder den Ersatz von starren Körperteilen, künstliche Befestigungslösungen und hochmoderne biohybride Lösungen für die Energieerzeugung. Die Forscher schufen auch ein künstliches, multifunktionales Material, das in der Lage ist, Aktionen mit begrenzter oder ohne externe Energieunterstützung durchzuführen. „Diese Technologien wurden in Roboterlösungen eingesetzt, die für spezifische Anwendungsfälle wie Präzisionslandwirtschaft, prädiktive Modellierung, additive Fertigung und eine Reihe von biomedizinischen Anwendungen entwickelt wurden“, fügt Mazzolai hinzu.
Innovative Robotiklösungen verwirklichen
Laut Mazzolai hat das GrowBot-Team die Grenzen der biologisch inspirierten Softrobotik erweitert und gleichzeitig das Wissen zu Kletterpflanzen erweitert. „Durch diese Arbeit wird unser Verständnis der Biologie von Kletterpflanzen vertieft und die Gestaltung innovativer Technologien gefördert. All das ebnet den Weg, innovative Roboterlösungen in Bereichen von der Landwirtschaft bis zur Gebäudewartung einzusetzen“, sagt sie. Tatsächlich prüfen Forschende aus dem Projekt bereits den Einsatz von pflanzenähnlichen Kletterrobotern in Kombination mit vertikalen oder horizontalen Gradienten in und um Gebäude als Umweltsensoren und/oder für die Umweltkontrolle. Dies ist jedoch nur ein Beispiel für die aktuelle Arbeit im Projekt. Das Team arbeitet weiter an den Technologien und Plattformen, wobei der Schwerpunkt auf der Verbesserung des Designs und der Steuerung des selbstwachsenden Roboters liegt. Zudem wurden mehrere neue Projekte ausgegründet, in denen die Kommerzialisierung der Lösungen vorangetrieben wird. „Die Projektpartner arbeiten weiterhin eng zusammen und wir besprechen neue Ideen für gemeinsame Projekte und Initiativen“, so Mazzolai abschließend.
Schlüsselbegriffe
GrowBot, Pflanzen, Roboter, Roboterdesign, Kletterpflanzen, Präzisionslandwirtschaft, additive Fertigung
