Kindersicherung für das Sonnensystem
Wenn ein Kind auf die Welt kommt, sichern die Eltern ihr Haus mit Kindersicherungen, um das Kind zu schützen. Laut dem EU-finanzierten Projekt UFOS passiert in jungen Planetensystemen etwas sehr Ähnliches. „Planeten entstehen rund um einen jungen Stern, der von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben ist“, sagt Mario Flock, Forscher am Max-Planck-Institut für Astronomie. „Mit der Zeit kleben Staubkörner zusammen und werden immer größer. Nach einigen Millionen Jahren haben die betreffenden Brocken einen Durchmesser von einigen Kilometern erreicht.“ Ab dann ist die Schwerkraft stark genug, um solche Objekte zu Planeten zusammenzuziehen. Theoretisch müssten die Planeten aufgrund der Schwerkraft auch nach innen driften und in den Stern fallen. Aber wenn dies der Fall wäre, warum finden wir dann nicht nur Felsplaneten, sondern auch Super-Erden, die Sterne eng umkreisen? Um das herauszufinden, modellierte das vom Europäischen Forschungsrat unterstützte Projekt UFOS die Strömungen und Wechselwirkungen von Gas, Staub und Magnetfeldern von Planeten in verschiedenen Entwicklungsstadien – so konnten sie die Planetenbildung in der Nähe sonnenähnlicher Sterne im Detail simulieren. Die Ergebnisse waren eindeutig und lassen zwei mögliche Antworten darauf zu, warum nicht mehr Planeten von ihrem Stern verschluckt werden.
Antwort 1: Die Theorie der Kindersicherung
Die erste Antwort ist, dass frühe Sternensysteme eine natürliche Kindersicherung aufweisen. Laut Flock ist diese Barriere eine innere Begrenzung namens Silikat-Sublimationsgrenze. „Das extrem heiße Gas in diesem Bereich ist äußerst turbulent. Diese Turbulenz transportiert das Gas mit hoher Effektivität in Richtung Stern“, erklärt er. „Dabei wird der innere Bereich der Scheibe ausgedünnt.“ Wenn ein junger Planet nach innen driftet und die Silikat-Sublimationsgrenze erreicht, verpassen die Gaspartikel, die sich vom heißen, dünneren Gas innerhalb der Grenze zum etwas dichteren Gas außerhalb bewegen, dem Planeten jeweils einen kleinen Kick. „Das Gas übt dabei durch die veränderte Dichte einen Einfluss auf den Planeten aus, der ihn von der Grenze zurück und weg vom Stern schiebt“, fügt Flock hinzu. „Die Grenze wird auf diese Weise zur Sicherheitsbarriere, die verhindert, dass junge Planeten in den Stern stürzen.“
Antwort 2: Die Karussell-Theorie
Die Arbeit des Projekts führte die Forschenden auch zu einer zweiten Möglichkeit. Dabei stellten die Forschenden fest, dass sich in den sehr frühen Stadien der Planetenentstehung kieselsteinähnliche Felsbrocken direkt hinter der Silikat-Sublimationsfront ansammeln – einem Bereich, in dem das Gas besonders schnell rotiert. „Ein Felsbrocken, der in diese Übergangsregion eintritt, wird nach außen gedrückt –wie ein kleines Kind, das auf der Plattform eines sich drehenden Karussells nach außen rutscht – weshalb sich in dieser Region keine Planeten bilden können“, erläutert Flock.
Der Fall des verschwundenen Planeten
Beide Theorien tragen dazu bei, das Geheimnis der eng umkreisenden Super-Erde zu lüften. „Zuvor gebildete Super-Erden sammeln sich nicht nur an der Kindersicherung. Die Ansammlung der Felsbrocken bietet ideale Bedingungen dafür, dass dort eine neue Super-Erde entsteht“, sagt Flock. Die Theorien könnten auch Aufschluss darüber geben, warum es in unserem eigenen Sonnensystem keinen solchen erdähnlichen Planeten in Sonnennähe gibt. „Ist die Tatsache, dass es einen solchen Planeten im heutigen Sonnensystem nicht gibt, ein statistischer Zufall, oder existierte ein solcher Planet und wurde irgendwann aus dem Sonnensystem ausgestoßen?“, fragt Flock. Das ist eine interessante Frage für die weitere Forschung.
Schlüsselbegriffe
UFOS, Sonnensystem, Planeten, Sterne, Planetensysteme, Super-Erden